Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt.
»River, wir müssen los!«, kam von draußen. Es war, wie nicht anders zu erwarten, Josh. Natürlich brachte Duncan sofort einen unerwünschten Abstand zwischen uns, was mich wirklich ankotzte. »Wo musst du hin? Du kannst doch jetzt nicht einfach abhauen! Ich will dich!«, raunte ich leise und wäre am liebsten explodiert. Warum kam sein Bruder nur immer zu solch unmöglichen Zeitpunkten? Konnten wir nicht ein einziges Mal unsere Ruhe haben, wenn ich mich schon auf diesen Typen einließ? »Ich dich auch. Glaub mir. Aber ich muss wirklich« und dabei krabbelte er aus dem Bett. Nur binnen weniger Sekunden hatte Dan seine Hose wieder geschlossen und schnappte sich den Rest seiner Klamotten.
Die Schnitte waren noch immer auf seiner Brust zu sehen. Auf der Stelle stachen sie mir schmerzvoll ins Auge und ich erinnerten mich wieder daran; wie verrückt er sich mir gegenüber eigentlich verhielt. Für einen Moment hatte ich sie glatt vergessen. Ebenso das Schlechte, was ihn umwarb. In diesem Augenblick war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich ihn wirklich für sein dämliches Verhalten sauer sein sollte, außer dass er zu den unmöglichsten Zeiten ging.
Was mich nur wunderte, dass seine Wunden überhaupt nicht mehr bluteten und schon langsam begannen zu heilen. Sie waren deutlich auf seiner hellen Haut zu erkennen, doch sie wirkten, als entstanden sie schon vor mindestens einem Tag. Nur ganz träge realisierte ich die letzten Minuten und unbewusst schaute ich zugleich an mir herunter. Prompt erschrak ich unwillkürlich. Fuck. Wie konnte ich nur? Wie konnte er bloß? Wir sahen aus, wie Schweine. Das hatte ich in meinem Gefühlsrausch total vergessen oder gar verdrängt. Duncans Blut klebte nicht nur auf seinem Körper, sondern auch auf meinem Oberteil; auf meiner Haut, und er winkte das tatsächlich alles ab? Er war krank. Eindeutig.
Erneut starrte ich ihn unglaubwürdig an, wobei er sich ganz lässig das Shirt über die Schnitte zog. Empfand er denn gar keine Qualen? Oder hatte er diese bloß durch sein Erlebtes gelernt zu unterdrücken? Fast tat Dan einem leid, doch komplett konnte er den Schmerz nicht verstecken, denn ich spürte genau, dass die Sache mit uns, nicht spurlos an ihm vorbeiging. »Vielleicht komme ich heute noch mal wieder. Das kann ich aber nicht versprechen«, begann er sich zu verabschieden und erst dachte ich, es sollte ein Witz sein. Er sagte so etwas? Wollte er mit mir dort weitermachen, wo wir aufhörten? Trotz alledem machte ich mir nicht allzu große Hoffnungen. Ich hatte schon längst gemerkt: Er tauchte auf und verschwand wieder, wie es ihm gerade passte.
Geradewegs als ich auf ihn zugehen wollte, zog er meinen Zimmerschlüssel aus seiner Hosentasche und hetzte zur Tür. Er öffnete diese eilig und ließ den Schlüssel, wie zuvor und als wäre nichts gewesen, im Schloss stecken. Also wird er mich nicht wieder einsperren. Das beruhigte mich zumindest ein bisschen. Auf der anderen Seite hingegen kotzte es mich im Insgeheimen an, dass er wieder Leine zog. »Bleib im Haus«, sprach er noch bestimmend und ich blickte verwirrt zum Fenster. Es war schon dunkel draußen. War ihm das bewusst? »Wo soll ich denn um diese Uhrzeit hin?«, fragte ich mich eher selbst.
»Bei dir weiß man ja nie!«, murmelte er und eilte zugleich aus dem Raum. Ließ er mich nun stehen? Einfach so? Nachdem was passiert ist? Was soll das? Kurz stand ich starr da. Er hingegen verschwand ohne ein weiteres Wort. Ich fühlte mich unwohl, schämte mich sogar für meine Taten und erst recht für die Gedanken die ich im Inneren hegte. Ich war sogar drauf und dran ihm nachzulaufen. Trotzdem ging das nicht. Dafür war nicht bloß mein Stolz zu groß, sondern auch mein Ego wollte diesem Blödmann nicht hinter rennen, wohingegen mein Herz etwas ganz anderes sagte. Erneut spürte ich in mir diese Zerrissenheit. Am liebsten wäre ich ihm... und... ach, was weiß ich. Das zwischen uns war Nonsens. Das musste mir doch endlich klar werden.
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White Moon - Kiss of the Wolf
WerewolfSpringlight Award 2020: Platz 2 in "Vampire / Werwölfe" Passion Award 2019: Platz 1 in "Zauberhafte Welten" Goddess Award 2018: Platz 3 in "Vampire und Wölfe" Desire & Lust Award 2017: Platz 1 in "Werwolf" Was würdest du tun, wenn alle um dich herum...