82)Sturmpfeil und Mondschimmer

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Sturmpfeils Sicht:

Langsam und mit gleichmäßigen Flügelschlägen, flog ich dahin. Ich würde den Auftrag ausführen, den Hicks und Ohnezahn mir anvertraut hatten. Ich wollte helfen und dies war meine Chance es zu tun. Wenn ich Erfolg hatte, sah es für die Quatzole viel besser aus. Hoffentlich hatte ich Glück und man würde mir Gehör schenken. Sonst konnte meine Mission für mich tödlich enden. In der Ferne konnte ich meine Zielinsel bereits als kleinen verschwommenen Punkt am Horizont ausmachen. Ich korrigierte meine Flugbahn, um ein Stück mehr nach Osten und beschleunigte meinen Flügelschlag. Drachen! Ich sollte Drachen beschaffen! Das war der Auftrag, den ich von Hicks erhalten hatte. Ohnezahn hatte mir vorgeschlagen, zur Dracheninsel zu fliegen, als ich gefragt hatte, wo ich, bitte schön, in so kurzer Zeit, viele Drachen auftreiben sollte. Und deshalb war ich jetzt auf dem Weg zur Dracheninsel. Ich war schon seit mehreren Jahren nicht mehr hier gewesen. Es war ein beängstigendes Gefühl. Diese Insel war einmal mein Zuhause gewesen und nun, nach dem der Rote Tod besiegt worden war, gab es dort keinen König mehr. Was wohl aus den anderen Drachen geworden war? Ich war, nach dem Sturz des Roten Tods, mit Astrid nach Berk gegangen und hatte alle meine Freunde und Familie in dem Glauben gelassen, dass ich tot war. Was sie wohl sagen würden? Ob sie mich überhaupt erkennen würden? Ein Schauder lief über meinen Rücken und entschlossen richtete ich meinen Blick nach vorne, auf die Insel, die in der Ferne immer größer wurde. Wenn sie mir nun nicht helfen wollten? Die Angst, meine neuen Freunde zu enttäuschen, packte mich mit einem festen Griff. Ich bekam keine Luft mehr und meine Flügel wurden schwer wie Blei. Jeder weitere Flügelschlag war eine große Anstrengung. Immer positiv denken, redete ich mir ein. Ich schaffe das. Die Anderen verlassen sich auf dich, du darfst nicht versagen. Mit dieser Einstellung fiel mir das Fliegen schon viel leichter. Und bald errichte ich die Dracheninsel. Langsam flog ich auf die felsige Küste zu und landete auf dem Strand. Sofort wurde ich von vielen Drachen umringt. Sie musterten mich kurz und verschwanden dann wieder. Alle, bis auf ein kleines Naddermädchen. Sie verfolgte mich heimlich. Doch sie war zu laut, also bemerkte ich sie sofort und rief, nachdem ich einige Zeit mit ihr im Schlepptau über die Insel geirrt war:

„Warum verfolgst du mich?"

Das Naddermädchen erschrak und duckte sich rasch hinter einen Felsen. Ich umrundete den Felsen, und als sie sich zu mir umdrehte, bekam sie erneut einen Schreck. Ich blickte nun in ihre dunkelgelben Augen, in denen sich ein seltsamer Ausdruck spiegelte.

„Sturmpfeil" hörte ich ihre Stimme.

Jetzt schrak ich zurück und wollte schon fortfliegen. Das ist meine jüngere Schwester. Da rief sie hinter mir noch mal meinen Namen. Ich hielt inne. In ihrer Stimme lag so viel Zweifel und Trauer. Das versetzte mir einen Stich. Ich drehte mich um und sagte leise zu meiner Schwester:

„Mondschimmer, alles ist gut. Ich bin ja jetzt wieder da. Alles ist wieder gut."

Ich ging auf sie zu doch sie wich langsam vor mir zurück und flüsterte fassungslos:

„Geh weg. Das kann nicht sein. Sturmpfeil ist tot. Sie wurde von den Wikingern getötet."

Diese Aussage traf mich wie ein Schlag. Genauso leise erwiderte ich ihr:

„Nein. Ich bin doch hier. Mondschimmer, die Wikinger sind meine Freunde. Sie würden mir nie etwas tun. Wo sind Mama und Papa?"

„Ist es wahr? Du lebst noch? Das ist ja wundervoll." rief Mondschimmer und rannte zu mir.

Sie schmiegte ihren Kopf an mich und ich stieß einen Freudenlaut aus. Ohh, wie hatte ich sie doch vermisst. Das wurde mir erst jetzt bewusst, wo wir, dicht aneinander geschmiegt, beisammen standen.

„Papa geht es gut, aber Mama ist ..."

Mondlicht sprach nicht weiter, aber das war auch nicht nötig. Ich wusste sofort, was sie meinte. Ich brachte meine Trauer, über den Tod unserer Mutter, in einem verzweifelten Schrei zum Ausdruck.

Mondschimmer bedeutete mir, dass ich ihr folgen solle. Ich tat es und sie führte mich zu unserem Vater. Er sah mich schockiert an und murmelte, dass das nicht möglich sei. Dann legte er seine Flügel um mich und ich ließ es mir gefallen. Wir waren wieder vereint. Doch dann erinnerte ich mich an meinen Auftrag und ich riss mich los. Ich erzählte es ihnen und sie halfen mir, die Drachen zu überreden mit mir zu kommen.

Am Abend hatten wir tatsächlich die Meisten überreden können. Bevor wir am nächsten Morgen in die Schlacht ziehen würden, wollte ich diesen, vielleicht letzten Abend, mit meinem Vater und mit meiner Schwester verbringen.


Verkehrte Welt 1 - Die Kinder des Himmels [Httyd/Drachenzähmen leicht gemacht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt