94)Tod

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Majas Sicht:

Wachsam blicke ich mich um. Hinter mir schießt ein Surrisch heran. Ich empfange ihn mit meinen Klauen und zerfetze sein Bauchgefieder. Er beginnt stark zu bluten. Ein Blick in seine Augen sagt mir, dass er nun rasend vor Wut ist. Er faucht einmal bedrohlich, dann geht er auf mich los. Er schlägt seine Zähne in meinen Hals und ich schreie vor Schmerz laut auf. Der Surrisch schlägt nun mit seinen Krallen auf mich ein. Immer wieder weiche ich seinen Attacken aus, doch dann erwischt er mich doch. Blut schießt aus der Wunde an meiner rechten Schulter. Ein leichter Schwindel benebelt meine Sinne. Ich keuche erschrocken auf, als er mich erneut erwischt. Diesmal hat er mein linkes Hinterbein erwischt und ich jaule auf. Mein ganzer Körper schmerzt. Ich spüre nur noch Schmerz. Erneut wird mir schwindelig und ich verliere kurz die Orientierung. Diesen Augenblick nützt der Surrisch aus und greift erneut an. Er schnappt mit seinen Zähnen nach meinem Hals und packt fest zu. Ich bekomme keine Luft mehr und ich versuche verzweifelt, mich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Ich winde mich in seinem Griff, schlage um mich, in der Hoffnung ihn zu treffen und zu verletzen, und schreie verzweifelt immer wieder schmerzerfüllt auf. Ich blinzele, als mir kurz schwarz vor Augen wird. Ich weiß, ich werde sterben. Und ich habe Angst. Große Angst. Panische Angst. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich will für einen kurzen Moment einfach nur weg. Weit weg. An einen Ort ohne Krieg. Aber das geht nicht. Ich muss kämpfen. Und ich muss überleben. Für Azura. Ich muss sie beschützen. Ich darf sie nicht allein lassen. Sie braucht mich. Und ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihr etwas passieren würde. Ich habe schon einmal meine Tochter verloren, das darf nicht noch ein zweites Mal passieren. Meine Tochter. Ob sie überhaupt noch lebt? Woher soll ich das schon wissen. Schließlich hab ich sie seit langem nicht mehr gesehen. Langsam merke ich, dass mir die Luft ausgeht. Ich schlage unkontrolliert um mich, um endlich freizukommen. Doch der Surrisch drückt mir weiter gnadenlos die Luft ab. Meine Bewegungen werden immer schwächer und langsam legt sich Nebel über meine Sinne. Ich brauche Luft. Sonst bin ich in den nächsten Sekunden tot. Und dann ist Azura allein. Kleine schwarze Punkte beginnen vor meinen Augen umher zu tanzen und alles beginnt sich zu drehen. Dann wird schlagartig alles schwarz. Ich warte. Auf den Tod. Ich weiß, er wird kommen. Doch es passiert nichts.

Plötzlich verschwindet der Druck von meiner Kehle und ich schnappe gierig nach Luft. Frische Luft. Endlich. Ich höre das Zischen von Krallen, die durch die Luft rauschen und Zähnen, die geräuschvoll aufeinander schlagen. Ich öffne die Augen und blinzle überrascht. Azura hat sich auf meinen Angreifer gestürzt und ihn von mir fort gezerrt. Nun muss dieser sich immer wieder gegen ihre Krallenhiebe wehren. Und das ist nicht leicht, denn meine Tochter kämpft wie eine wild gewordene Furie. Endlich nimmt der Surrisch Reißaus. Er blutet aus einer schlimmen Wunde am Bauch und schwankt beim Fliegen stark. Azura dreht sich zu mir um und ich fliege langsam zu ihr. Sie fliegt unter mich und stützt mich. Dankbar nehme ich ihre Hilfe an und lasse mich von ihr auf einen Felsvorsprung bugsieren. Sie schaut mir liebevoll in die Augen und ich sehe traurig zurück. Dann verschwimmt das Bild von ihr vor meinen Augen und eine Träne fließt meine Wange hinab. Sie tropft auf den Boden und versickert sofort. Ich versuche aufzustehen, doch der enorme Blutverlust hat mich stark geschwächt, sodass ich, hilflos wie ein Junges, wieder auf den Boden zurück sinke.

Azura beugt sich besorgt über mich und drückt ihren Kopf sanft an meinen Hals. Ich sehe sie an und weiß, sie wird ohne mich zu Recht kommen. Sie ist nicht mehr auf meinen Schutz angewiesen. Sie kann sich sehr gut selber verteidigen, wie sie mir gerade soeben bewiesen hat.

„Es tut mir leid Azura." flüstere ich schwach.

„Mama, verlass mich bitte nicht. Ich brauche dich." klagt Azura leise.

„Nein." hauche ich, „Du kommst gut allein zurecht. Ich bin stolz auf dich."

„Neeeeeiiiiinnnn!" jault Azura.

Ich sehe sie ein letztes Mal traurig an. Unsere Blicke treffen sich noch allerletztes Mal. Dann wird alles schwarz. Schon zum zweiten Mal heute. Doch nun ist es endgültig.


Verkehrte Welt 1 - Die Kinder des Himmels [Httyd/Drachenzähmen leicht gemacht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt