93)Du?!

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Astrid's Sicht:

Blut. Überall Blut. Shadrians Gefieder schimmert rot und das frische Blut tropft von seinen Klauen. Ich schlucke und unterdrücke erneut einen Brechreiz. Ich habe schon so oft getötet. Dieser Anblick ist normal gewesen, als auf Berk noch Drachen getötet wurden. Mittlerweile sollte ich mich daran gewöhnt haben. Und doch widert es mich immer wieder an. Wir sind auf der Suche nach Hicks und Ohnezahn. Sie sind bei unserer Ankunft in der Menge aus kämpfenden verschwunden. Überall um uns herum fliegen Drachen und Quatzole. Vor uns taucht plötzlich ein Tödlicher Nadder mit einem Reiter auf. Dieser trägt einen langen dunkelblauen Umhang, der sein Gesicht verdeckt und an manchen Stellen rote Blutspritzer aufweist. Sein Drache ist weiblich und hat ein schönes blaues Schuppenkleid mit gelben Hörnern. Auch die Drachin ist blutbesudelt und macht dadurch einen sehr furchteinflößenden Eindruck. Warte mal, die kenne ich doch.

„Sturmpfeil!" rufe ich und sofort schnellt der Kopf des Nadderweibchens zu mir herum. Der Reiter ist sehr klein, fällt mir erst jetzt auf. Er wirkt fast noch wie ein Kind, als er mir freundlich zuwinkt. Ich winke zurück und lächele. Sturmpfeil fliegt bereits in meine Richtung und sieht somit den Angreifer direkt hinter ihr nicht. Shadrian reagiert sofort und wirft sich mit ausgefahrenen und nach vorne gerichteten Krallen auf den Feind. Auch Sturmpfeil attackiert nun den Fremden und bohrt ihre Krallen tief in seine linke Flanke. Shadrian übernimmt die rechte Seite und gräbt seine spitzen Zähne in das weiche Fleisch. Durch unsere Verbindung spüre ich seine Mordlust, die sich mit meinem Ekel vermischt und mir ein seltsames Gefühl bereitet. Als der Quatzol tot ist und mit vielen Wunden in das schäumende Meer unter uns stürzt, werfe ich Sturmpfeils neuem Reiter einen kurzen Blick zu.

*Shadrian, wer ist das?*

*Woher soll ich das wissen. Ich kenne auch nicht jeden. Aber sie kann auf alle Fälle gut mit dem Schwert umgehen.*

*Sie?! Das ist ein Mädchen?*

*Ja 'Sie'. Du bist doch auch ein Mädchen, also was beschwerst du dich?*

*Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Na los, komm, wir erledigen noch ein paar von diesen Surrisch.*

Zusammen mit Sturmpfeil und deren Reiterin, die noch ziemlich jung zu sein scheint, kämpfen wir uns durch die Masse aus Gegnern. Immer wieder frage ich mich, wie Sturmpfeil so schnell einen neuen Reiter gefunden hat. Während ich so meinen Gedanken nachhänge, bin ich einen Augenblick unkonzentriert und ich bemerke den Surrisch hinter mir nicht rechtzeitig. Zum Glück hat Shadrian rechtzeitig einen Looping gemacht, sodass mich seine Krallen nur an der Schulter streifen und ein paar tiefe, aber nicht besonders große, Kratzer hinterlassen. Die Reiterin hat einen erschrockenen Schrei ausgestoßen und atmet nun erleichtert aus. Sturmpfeil wird von rechts oben attackiert und geht schnell in den Sturzflug. Der Wind zerrt an dem dunkelblauen Umhang und als Sturmpfeil den Sturz kurz über der Wasseroberfläche abfängt, rutscht die Kapuze nach hinten und ich sehe der jungen Reiterin direkt in die grünen Augen. Ich funkele die Reiterin, die sich gerade eine Strähne ihres schulterlangen, hellbraunen Haares aus der Stirn wischt, wütend an und zische befehlend:

„Angie, lande sofort auf diesem Felsvorsprung. Ich muss dringend ein ernstes Wörtchen mit dir reden. Und wenn du nicht tust was ich dir sage, werde ich verdammt ungemütlich."

„Astrid, Kopf runter! " ruft Angie erschrocken und lehnt sich reflexartig nach vorn.

Dabei wäre sie fast aus dem Sattel gefallen. Ich jedoch regiere sofort und drücke mich eng an Shadrian. Ich höre das scharfe Zischen von ausgefahren Krallen, die dicht über meinen Rücken hinweg rauschen. Ich richte mich vorsichtig wieder auf und sehe, dass der Surrisch von vorhin doch noch nicht so tot war, wie ich dachte. Angie und Sturmpfeil folgen ihm und weichen geschickt allen Hindernissen, die im Großen und Ganzen aus anderen kämpfenden bestehen, aus. Ich muss zugeben dass sie sehr gut zusammenarbeiten, obwohl sie sich noch nicht besonders lange kennen. Bis ich Sturmpfeil so gut reiten konnte, sind mehrere Tage vergangen. Angie ist ein Naturtalent. Ich bin so stolz auf sie. Meine kleine Schwester. Ich muss grinsen. Ich kenne sie erst seit wenigen Tagen und doch ist sie mir schon so ans Herz gewachsen. Es ist, als kenne ich sie schon mein ganzes Leben lang. Eigentlich ist es viel zu gefährlich. Sie ist noch so jung. Sie sollte noch nicht so etwas Gefährliches wie Drachenreiten machen. Als sie auf dem Felsvorsprung gelandet ist, klettert sie von Sturmpfeil und krault dann diese. Sturmpfeil gibt ein freudiges Geräusch von sich und mir wird schlagartig klar, dass sie genauso gut zusammen passen, wie ich und Shadrian. Unbewusst streiche ich ihm einmal liebevoll über seinen Hals, bevor ich absteige und zu Angie gehe.

„Du weißt schon, dass das sehr gefährlich ist, was du da machst! Du hättest STERBEN können. " werfe ich ihr ängstlich und wütend vor.

„Bin ich aber nicht! " kontert sie.

„Aber du hättest! Drachenreiten ist sehr gefährlich. Du hättest runter fallen und dir das Genick brechen können. Oder dich anderweitig schwer verletzen! Mensch Angie! ES IST KRIEG! Und du solltest eigentlich gar nicht hier sein, sondern sicher in unserer Höhle bei Sol! Apropos, wo ist der eigentlich?"

Angie antwortet nicht, also hacke ich nochmal nach:

„Angie, wo ist Sol?!"

„Keine Sorge, es geht ihm gut, aber ich bin abgehauen." beichtet sie mir.

„Bitte sag es nicht Mama und Papa." fleht sie und macht einen Hundeblick.

Natürlich verspreche ich ihr, es nicht zu verraten, aber nur, wenn sie jetzt mit Sturmpfeil nach Hause fliegt und da auch bleibt. Ich sage ihr, dass ich sie verpetze, wenn ich sie nochmal hier draußen sehe. Sie nickt gehorsam und klettert wieder auf Sturmpfeil.

„Aber du musst Mama und Papa alleine sagen, dass du einen eigenen Drachen gefunden hast. Dabei kann ich dir nicht helfen." sage ich noch.

„Und Angie, pass auf dich auf!" rufe ich ihr noch hinterher.


Verkehrte Welt 1 - Die Kinder des Himmels [Httyd/Drachenzähmen leicht gemacht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt