Der Engel von der Rennstrecke

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In dieser kleinen Erinnerung ist Christian 15 Jahre alt.
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Endlich Zuhause.
Jetzt kann ich das machen, was mir Spaß macht und muss nicht in einem Klassenzimmer sitzen. Mit diesen Gedanken pfeffere ich meinen schwarzen Schulrucksack in die Ecke meines Zimmers und mache mich daran, mir meine Sportklamotten aus meinem Schrank herauszusuchen.
Ich muss raus. Joggen.
Um die Hausaufgaben werde ich mich später kümmern.
Vermutlich wird es sowieso wieder acht Uhr oder so was in der Art werden.
In letzter Zeit mache ich meine Hausaufgaben für die Schule eigentlich immer sehr spät. Na ja...
Ohne noch einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, schlüpfe ich in meine Joggingklamotten. Dann schnappe ich mir meine Sportschuhe und die graue Weste und mache mich auf den Weg zum Haupteingang unseres Hauses.
Ich öffne die Haustür.
Endlich draußen angekommen setze ich mich auf die Steinstufen vorm Eingang und ziehe mir meine Schuhe an. Heute scheint die Sonne. Der Himmel ist strahlend blau.
Ich höre die Vögel in den Wäldern zwitschern.
Zufrieden schnüre ich mir den anderen Sportschuh auch zu. Geschafft.
Jetzt kann ich los. Endlich. Freudig schnappe ich mir meine graue Weste, aber als ich mich umdrehe, erblicke ich Mia. „Wo willst du denn hin Christian?", fragt sie an mich gewandt.
Ich muss lächeln.
„Ich geh joggen", verrate ich der Kleinen.
Mia mustert mich eine ganze Weile, dann kommt sie näher und setzt sich auf die Steinstufen.
„Triffst du wieder den Engel?"
Mias Blick wirkt fragend.
Was?
„Wen?", hake ich amüsiert nach.
„Na das blonde Mädchen von der Rennstrecke?", erklärt Mia strahlend.
„Bitte sag schon. Ich verrate auch nichts Mama", bettelt die Kleine mich flehend an.
Nun muss ich ebenfalls lächeln. Meine Schwester hält Elena doch tatsächlich für einen Engel.
„Ja", schmunzle ich, „bis dann Mia. Kannst du Mom sagen, dass ich etwas später beim Mittagessen aufkreuze?" Fragend blicke ich die Neunjährige an. Das kleine Mädchen nickt.
„Klar", antwortet sie mir artig.
„Gut."
Kaum hat das Wort meinen Mund verlassen, drehe ich mich um und düse Richtung Wald. Richtung des Treffpunktes, den Elena und ich uns das letzte Mal ausgemacht hatten, als wir uns auf der Rennstrecke im Wald getroffen hatten. Ich renne. Schnell. Schneller.
Ich bin ein guter Läufer. Ein sehr guter Läufer und ich renne schnell, schnell wie der Wind.


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Dies ist ein offenes Ende ... so kann sich der Leser selbst vorstellen, was mit Christian und Elena weiter passiert.

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