Eislaufen

113 2 0
                                    


In dieser Erinnerung ist Christian 15 Jahre alt.
Es ist mitten im Dezember. Für Christian trifft unerwarteter Besuch bei Familie Grey ein.

Kleiner Tipp: Es ist in der Mitvergangenheit geschrieben, hoffe das stört nicht.
___________________________________


Endlich.
Der Teich in unserem Garten war gefroren und das Eis war dick genug und hielt meinem Gewicht stand. Mit flinken Fingern schnürte ich mir meine Eislaufschuhe zu, nur um wenige Minuten später über die große Eisfläche zu fegen.
Freiheit.
Was für ein schönes Gefühl... das Gefühl der Unbeschwertheit.
Ich fühlte mich so frei. Als wären unsichtbare Ketten endlich von meinen Gelenken gelöst worden.
Leichtfüßig setzte ich einen Fuß vor den anderen.
Eislaufen war das Leichteste, was es auf dieser Welt gab.
Viel leichter als Mathematik oder Physik.
Ich beschleunigte mein Tempo immer mehr.
Wurde schnell.
Schneller.
Fegte wie ein Wirbelwind über die große Eisfläche.
Ich war froh, dass unser Garten so einen großen Teich hatte. Im Winter konnte man diesen perfekt nutzen. Glücklich lief ich weiter. Setzte einen Fuß vor den anderen.
Beschleunigte meinen Gang. Zog meine Runden auf der Eisfläche.
Ich fühlte mich frei, frei wie ein Vogel. Unbeschwert.
Das Gefühl puren Glücks floss durch meine Adern.
Wir hatten Winter. Es war mitten im Dezember.
Wie schön diese weiße Jahreszeit doch war.
„Christian!" Das war die Stimme meiner Mutter. Grace.
Ich beschleunigte und fuhr ihr schließlich lässig entgegen.
Neben Grace erblickte ich noch jemanden. Ein blondes Mädchen.
Elena', schoss es mir durch den Kopf.
Natürlich.
Grace hatte sie heute zur Kaffeejause zu uns nach Hause eingeladen.
Wie hatte ich das nur vergessen können?
Vor den Beiden kam ich schließlich zum Stehen.
„Christian", Elena lächelte mir wohlwissend zu, „wie schön, dich wieder einmal zu sehen."
Ich erwiderte ihr lächeln.
„Ebenfalls, Mrs. Lincoln."
Elena nickte freudig.
Auch wenn wir uns erst letzte Nacht getroffen hatten, taten wir jetzt so, als würden wir uns nach Monaten das erste Mal wieder sehen.
Ein Schauspiel.
Ich fand es gelungen.
Ein Schauspiel vor den anderen Leuten.
Denn wenn gewisse Menschen, wie Grace, Carrick, Mia oder Elliot, dahinterkamen, dass Elena und ich uns regelmäßig trafen, dann... stop! Darüber durfte ich nicht nachdenken.
Dass es dann Ärger gab, war sowieso schon so gut wie Vorprogrammiert.
Ich musste mein Glück ja nicht gleich überstrapazieren.
Die Geheimniskrämerei würde schon gutgehen, dass hatte Elena immerhin auch gesagt.
Und ich vertraute Elena. Ich vertraute ihr voll und ganz.
„Ich hol dann mal die Teller", erlangte Grace meine Aufmerksamkeit.
Elena nickte zustimmend.
„Soll ich dir helfen, Grace?", erkundigte sie sich.
„Ahm, nein danke, das geht schon", ließ sie die Blondine wissen, dann schaute Mutter mich an. „Elena und ich sind dann oben im Wintergarten. Ich weiß doch, dass du von der Eisfläche nicht wegzubekommen bist." Grace lächelte.
Ich nickte.
„Okay", sagte ich nur bestätigend.
Grace nickte noch einmal, dann entfernte sie sich.
Mutter steuerte das Haus an.
Wenige Minuten später war sie auch schon darin verschwunden.
Nun waren nur noch Elena und ich da.
„Bis Grace alles fertig hat, dauert es sicherlich noch eine ganze Weile", hörte ich Elena sagen, „Willst du mir in der Zwischenzeit zeigen, was du auf dem Eis so drauf hast, Christian?"
Erwartungsvoll blickten ihre blauen Augen mich an.
„Klar", ließ ich sie nur stolz wissen.
„Na dann", meinte Elena nur und suchte sich eine Sitzgelegenheit. Wie gut, dass die Holzbank in der Nähe des Teichs stand. In diesem Moment war ich Carrick dankbar dafür, dass er sie letzte Woche zusammen mit Elliot dorthin gestellt hatte und sie jetzt nicht mehr am Rande des Waldwegs stand.
Ich blickte noch einmal Elena an, wie sie da so mit überschlagenen Beinen auf unserer Holzbank saß, dann drehte ich mich lächelnd um und fuhr davon.
Ich machte mich daran, meine Runden zu drehen.
Beschleunigte mein Tempo.
Wurde schnell.
Schneller.
Ich zeigte ihr, was ich draufhatte, denn genau das wollte sie sehen.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt