Trostloser Nachtwind

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Hey ihr Lieben,

in dieser kleinen Erinnerung ist Christian 16 Jahre alt.
Habt viel Spaß beim Lesen. Ich freue mich über Feedback. :)

Grüßle
Ina
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„Christian!", höre ich die Stimme meiner Mutter hinter mir.
Sie klingt flehend. Verzweifelt.
Ich schüttle jedoch den Kopf und gehe stur weiter.
Gehe weiter den Gehsteig in der Dunkelheit entlang und lasse Grace hinter mir zurück.
„Bleib stehen!", höre ich sie nochmals rufen.
Ich jedoch gehe stur weiter... weiter geradeaus.
Wo ich hinwill, weiß ich selbst nicht so genau.
Aber egal... einfach weitergehen.
Soll sie doch rufen, was sie will... umdrehen und zu ihr zurückgehen werde ich nicht.
Nicht jetzt.
Erbarmungslos weht mir der kühle Nachtwind ins Gesicht.
Ich ignoriere ihn und gehe weiter.
Dann beschleunige ich meinen Gang.
Meine Beine werden schnell.
Schneller.
Ich fange an zu rennen.
Je schneller ich laufe, desto stärker wird der Nachtwind.
Die Straßen sind leer... sind verlassen... einsam.
Genau wie ich.
Warum will mir Grace nichts von meiner leiblichen Mutter erzählen?
War sie denn so ein schlechter Mensch?
Ich erinnere mich, als sie mir mal erzählen wollte, wer meine leibliche Mutter gewesen war, nur damals hatte ich es nicht wissen wollen. Vor ca. zwei Jahren ist es mir egal gewesen.
Völlig egal.
‚Ihr Name war Ella. Sie war meine Mutter und hat mich im Stich gelassen. Dass ist das Einzige, was ich von dieser Frau weiß und mehr möchte ich auch gar nicht wissen.'
Ja, wie gut kann ich mich noch an diese Worte erinnern, die in der Hitze des Gefechts wütend meine Lippen verlassen haben.
Aber jetzt? Ja, jetzt interessiert es mich.
Mich interessiert... woher ich komme.
Ich will es wissen.
Und zwar alles.
Aus was für einer Familie ich komme?
Wie diese Frau war, die mich zur Welt gebracht hat!
War Ella eine liebevolle Mutter gewesen?
Hatte ich Geschwister?
War ich denn glücklich bei ihr... bei meiner leiblichen Mutter Ella?
Ich kann mich kaum noch an sie erinnern.
Nur manchmal erscheint sie mir in meinen Träumen.
Diese Frau, die sich meine leibliche Mutter nennt.
Wütend darüber, dass Grace mir nichts sagen will, beschleunige ich abermals mein Tempo.
Auch wenn ich Graces Worte mit vierzehn Jahren nicht hören wollte... jetzt will ich es wissen... will alles wissen. Einfach alles.
Ziellos laufe ich weiter... weiter durch die dunklen Straßen Seattles... und bleibe nicht stehen... denn wenn ich stehen bleibe, denke ich nach... denke an SIE, an Ella, und über diese Frau will ich nicht nachdenken.
Denn ich will die Trauer, den Schmerz und die Wut in mir nicht spüren.
Es ist so viel einfacher, nichts von all dem zu fühlen.
Einfach weiterzulaufen und niemals stehen zu bleiben.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt