Grenzen

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Danke für eure vielen Klicks. Es freut mich sehr, dass ihr so fleißig lest. :)

In dieser kleinen Erinnerung ist Christian Grey 10 Jahre alt.
Habt viel Spaß beim Lesen.


Grüßle
Ina
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Die Vögel zwitschern fröhlich in den dichten Bäumen. Sie sind bereits wach... genau wie ich.. an diesem Montagmorgen. Ich bin wieder einmal viel zu früh aufgewacht. Wie ich diese Albträume doch hasse... den großen, bösen Mann mit den Gürteln, den Zigaretten, den Stiefeln und seinen gefährlichen Händen. Mir schaudert. In mir breitet sich Kälte aus. Die Sonne, die bereits am blauen Himmel scheint, kann mich nicht wärmen... vermutlich kann das keiner.

Fröstelnd ziehe ich meine Beine an und lege müde meine Arme darauf.
Wie gerne würde ich einmal durchschlafen... wie unendlich gerne würde ich das mal tun, aber ich kann es nicht... werde es vermutlich nie können. Niemals. Ach, verdammte Albträume.

„Christian?"
Die verwunderte Stimme von Grace lässt mich kurz zusammenzucken. Ich drehe mich um... erblicke meine Mutter. Grace kommt auf mich zu. Hinter ihr erspähe ich ihren Wagen. Vermutlich ist sie auf dem Weg in die Arbeit. Na super, und ich habe sie davon abgehalten. Was bin ich nur für ein Sohn! Ich hätte mich woanders hinsetzen sollen. Nicht hier auf den Stein im Garten. Woanders, dann hätte Mom mich nicht bemerkt... dann hätte ich sie nicht davon abgehalten, in ihre Arbeit, ins Krankenhaus, zu fahren.
„Was machst du denn schon so früh hier draußen?", erkundigt sich Grace, als sie schließlich vor mir zum Stehen kommt. Soll ich ihr sagen, dass ich schlecht geträumt habe?
Einen Moment lang denke ich darüber nach. Ja, Grace kann ich eigentlich alles sagen.
Alles, was mich belastet... alles, was mich traurig macht... einfach alles.
„Ich konnte nicht schlafen", verrate ich ihr kleinlaut.
Nur Grace würde ich das anvertraun... sonst niemandem.
Traurig blicke ich zu Boden.
Wie gut weiß ich doch, dass Grace das traurig macht... und ich will ihren betrübten Blick nicht sehen. Er schmerzt.. so sehr.
„Das wird schon", vernehme ich Graces Stimme. In ihr schwingt Trauer mit. „Du wirst schon sehen", muntert sie mich auf.
Zaghaft nicke ich.
Besorgt streckt Grace die Hand nach mir aus. Augenblicklich beginnt mein Herz schneller zu rasen. Nicht anfassen. Nicht anfassen. Ja, nicht anfassen! Mein Atem beschleunigt sich.
Verletzt zieht Grace ihre Hand zurück. Ihre haselnussbraunen Augen sind traurig, jedoch ziert ein leichtes Lächeln ihr Gesicht.
„Vertrau mir", flüstert sie leise, „zusammen kriegen wir das hin Christian." Bestätigend nicke ich.
Grace ist ein Engel!
Ich bewundere sie dafür, dass sie so ein großes Herz hat.
Helfen will sie immer... deswegen ist sie ja auch Kinderärztin. Grace hilft allen Menschen.. und das tagtäglich. Sie ist ein Genie indem, was sie tut. Meister auf ihrem Gebiet.
Dafür beneide ich sie.
Ich bin ihr aber auch dankbar... denn sie hat mir ein neues Leben geschenkt.
Einen Neuanfang!
Hat mir eine zweite Chance gegeben.
Immer für mich gekämpft. Dort wo andere aufgegeben haben, ist sie hartnäckig geblieben.
Grace hat meine Grenzen respektiert, vom ersten Tag an.
Mom lächelt. Liebevoll und sanft streichelt sie mir mit ihrer Hand durchs Haar.
Für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen... genieße den Moment und lasse das Glücksgefühl zu, welches durch meine Adern strömt. Ich hab dich so unendlich lieb Mom. Danke, dass du mir eine zweite Chance im Leben gegeben hast. Danke, dass du mich nicht aufgegeben hast und danke, dass du dich tagtäglich um mich sorgst. Dass es dir wichtig ist, wie es mir geht.
Abermals lächelt Grace, dann beugt sie sich schnell nach vorn und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Ich hab dich lieb mein Kleiner." Ihre Stimme ist leise, aber ich höre sie. Ich werde sie immer hören, ganz egal, wie laut es ist. „Bis nachher."
Ich nicke und Grace wendet sich ab.
Ich reibe mir mit meiner Handfläche über die Stelle, wo sie mir ein Küsschen verpasst hat, während ich ihr hinterherblicke, wie sie zurück zu ihrem Wagen geht.

Grace muss ja in die Arbeit. Und ich, ich will sie nicht weiter aufhalten.
Mom soll ins Krankenhaus fahren und soll das tun, was sie gut kann. Sie soll Menschen in Not helfen. So, wie sie mir geholfen hat. Das heißt jetzt nicht, dass Grace noch mehr Kinder, denen es nicht gut geht, adoptieren soll... das heißt einfach, dass sie Menschen, denen es nicht gut geht, helfen soll... sich wieder wohl zu fühlen. Denn dank Grace habe ich eine zweite Chance im Leben erhalten.. meine zweite Chance. Und dafür bin ich ihr unendlich dankbar. Genauso wie Mom meine Grenzen respektiert.
Durch die Haare zu streicheln ist okay... und Mom weiß das, ganz genau.
Sie weiß, dass ich Berührungen nicht mag... und dafür bin ich ihr dankbar.
Unendlich sogar.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt