Guter Freund (Teil 5)

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Meine Lieben,

und ab geht's zu Part 5.
Christian Grey ist selbstverständlich noch immer 14 Jahre alt.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

Grüßle Ina
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Als ich meine Augen aufschlage ist es stockdunkel.
Draußen regnet es noch immer in Strömen, aber Mia kann ich nicht mehr in meinem Zimmer entdecken. Vermutlich schläft sie schon, genauso wie die anderen. Ob Mom bereits von der Arbeit zurück ist? Ich taste in der Dunkelheit nach meinem Smartphone, dann habe ich es endlich.
1:20 Uhr zeigen die weißen Ziffern. Okay, Grace ist vermutlich noch im Krankenhaus.
Na prima, Tony hat angerufen. Ganze acht Mal.
Sauer darüber, dass mein Klingelton mich nicht geweckt hat, tippe ich auf den Bildschirm und rufe meinen Freund zurück.
„Ja?", dafür, dass es schon relativ spät ist, klingt Tonys Stimme sehr wach.
„Du hast angerufen", sage ich, „Was wolltest du?"
„Fragen wie es dir geht, Mann", erklärt er und ich kann die Sorge aus seiner Stimme deutlich heraushören. „Außerdem", fügt Tony noch schnell hinzu, „wollte ich mich entschuldigen, dass ich einfach so abgehauen bin. Aber als ich gehört habe, dass jemand kommt, habe ich einfach nicht..."
„Schon okay", unterbreche ich ihn.
„Trotzdem", beteuert er, „dich einfach so vor deiner eigenen Haustür liegen zu lassen, war nicht okay."
„Schon in Ordnung, wirklich. Mach dir keinen Kopf."
„Gut", Tony ist sichtlich erleichtert.
Ich setze mich in meinem Bett auf, richte mein Kissen und lehne mich zurück.
„Du hättest einfach nach der Schule zu mir kommen sollen, dann wäre das Ganze nie passiert", höre ich Tony an der anderen Leitung sagen.
Ich nicke.
„Wer weiß", entgegne ich nur und hoffe, dass damit das Thema für ihn erledigt ist.
Für mich ist es das. Tony hat mich gefunden und zum Glück in Sicherheit gebracht.
Aber Moment, woher hat er überhaupt gewusst, wo ich bin.
Da die Neugierde einfach nicht aufhört an mir zu nagen, frage ich nach.
„Ich hatte was in der Schule vergessen. Englischbuch", erklärt er und nun ist mir alles klar, „aber, jetzt mal was anderes.... warum haben die das eigentlich getan?"
Tonys Stimme ist fragend, „Hast du sie provoziert?"
„Ich kenn sie doch noch nicht einmal", gestehe ich, „na ja, bis auf Simon."
„Okay", entgegnet Tony, „und warum haben sie dich verprügelt?"
Augenblicklich muss ich an das silberne Armband denken und prompt meldet sich mein schlechtes Gewissen.
Ich beiße auf meiner Unterlippe herum, während ich überlege, ob ich meinem Retter die Wahrheit sagen soll. Mein Blick wandert hinüber zu meinem Schreibtischstuhl, auf dessen Lehne ich meine Jacke erspähen kann. Das verdammte Schmuckstück befindet sich noch immer in der Jackentasche.
Ich atme einmal aus, überlege noch ein bisschen herum, dann fasse ich einen Entschluss.
„Erinnerst du dich noch an das Armband, Tony?", frage ich.
Sofort bejaht er und will von mir wissen, was es damit auf sich hat.
„Und an die Mutprobe?", setze ich vorsichtig nach.
Tony lacht.
„Klar, wie könnte ich das vergessen. Übrigens hast du die toll gemeistert, Chris", lobt er.
Ein kleines, aber stolzes Grinsen stiehlt sich auf meine Lippen, doch dann fällt mir das verdammte Armband wieder ein und sofort verflüchtigt es sich.
„Nun", erkläre ich. Augenblicklich wird meine Stimme leiser, „einer von den Typen, die mich...." Abrupt breche ich ab. Ich kann nicht. Ich kann es nicht aussprechen. Die Worte sind weg. Wieder einmal.
Fuck! Ach so ein Mist!
„Vermöbelt haben", ergänzt Tony und ich bin ihm unglaublich dankbar dafür, dass er meinen Satz zu Ende gebracht hat.
„Ja", stimme ich zu.
„Was ist mit denen?"
„Einer von ihnen ist der Sohn des Ladenbesitzers, aus dessen Geschäft ich das Armband mitgehen habe lassen."
Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
„Was?", faucht Tony geschockt, „Simons Mutter gehört der Laden?"
„Nein, einem von den anderen."
Ich höre Tony gegen irgendetwas schlagen.
„Verdammt!", flucht er.
Automatisch umklammere ich mein Smartphone fester.
Eine ganze Weile ist es still.
Vermutlich überlegt mein Freund. Ob er die Dinge zusammensetzen kann?
Ich kann es nicht.
Leider.
„Dieser Vollpfosten", höre ich Tony zischen, „der kann was erleben."
Ich sage nichts und male mir stattdessen aus, was mein Freund denn Simon genau antun würde.
„Er und der Ladentrottel müssen sich kennen, mit einander befreundet sein oder so was", höre ich Tony sagen.
„Was?", frage ich.
„Simon war bestimmt nur eine Art Bindeglied. Jemand der die Drecksarbeit erledigt hat", redet Tony einfach weiter. ‚Okay er denkt laut. Hör einfach zu Grey.'
„In der Schule muss er dich beobachtet haben", Tony ist kaum zu bremsen, „und dann, als du mal allein warst, hat er seine Kumpels informiert und hat dich später zusammen mit ihnen abgefangen, um dich für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen."
Ich ertappe mich dabei, wie ich ernsthaft über seine Theorie nachdenke.
Kann das wirklich sein?
Okay, es hört sich zumindest plausibel an.
Simon muss irgendwie das Gespräch zwischen Tony und mir mitbekommen haben, als er mich zu sich nach Hause einladen wollte und als ich dann abgelehnt habe, hat er seine Chance ergriffen.
Gut, Simon hat da mitgemacht, weil er mich nicht leiden kann. Der andere Typ, aka Anführer, aka vermutlich sein Freund... weil ich aus dem Laden seiner Familie etwas geklaut habe und der dritte? Für den Dritten fällt mir nichts ein.
Vermutlich ist er nur ein Mitläufer. Einer der mitzieht, um nicht selbst geschlagen zu werden.
Aber woher Simon die beiden kennt, ist mir rätselhaft.
Ob sie zusammen in den Kindergarten oder in die Grundschule gegangen sind?
Simon hat schon immer etwas gegen mich gehabt und dass ich jetzt in Tonys Gang bin, hat mir leider auch nicht dabei geholfen mit ihm besser klarzukommen. Ich habe das Gefühl, dass er mich jetzt sogar noch mehr hasst, als vorher.
Simon hat von dem Ladendiebstahl gewusst, immerhin war es meine Aufnahmeprüfung in die Gang gewesen und er war an dem Tag, an dem ich den Laden betreten habe, um zu klauen, um endlich dazuzugehören, mit von der Partie gewesen. Soweit ich weiß, hat er sogar das Geschäft ausgesucht.
Und weil er mich nicht leiden kann, sagt er es dem Sohn, dessen Familie der Laden gehört? Das ergibt doch alles keinen Sinn!
Verwirrt und verzweifelt zugleich lasse ich mich in meine Kissen fallen und ziehe die Bettdecke enger an mich heran.
„Christian, noch da?", das ist Tony.
„Hmh", gebe ich nur murmelnd von mir.
Dass Simon mich so abgrundtief hasst, hätte ich nicht gedacht.
„Hör mal, wir klären das morgen in der Schule, okay?", lässt mich mein Freund wissen.
„Hmh", ich nicke.
„Wir bekommen das schon hin", versucht mich Tony aufzubauen, „und nimm morgen das verdammte Armband mit, dann können wir es entsorgen und das Problem ein für alle Mal aus der Welt schaffen."
„Hmh", murre ich nur. Vielleicht ist es so am besten. Vielleicht hat Tony Recht.
„Sag mal, sagst du jetzt nur noch HMH?", hakt Tony amüsiert nach.
Jetzt entlockt er mir doch tatsächlich mit seinen Worten ein Grinsen.
„Hmh", bestätige ich, dann muss ich loslachen.
Tony folgt meinem Beispiel.
„Okay", sagt er, noch immer schmunzelnd, „dann gute Nacht."
„Ja, bis morgen", entgegne ich und beende das Telefonat.
‚Mein Freund hat Recht, wir schaffen das.'
Ja, wir würden das meistern. Ganz bestimmt. Tony hilft mir immerhin dabei.
Ich bin nicht alleine.
Ich habe einen Freund.
Einen guten Freund.
Ich habe Tony!
Schon etwas müde hänge ich mein Smartphone ans Ladekabel und lege es auf meinen Nachttisch. Dann erhebe ich mich und gehe zu meiner Jacke. Zielsicher öffne ich den Reisverschluss. Vorsichtig... ganz vorsichtig greife ich nach dem silbernen Armband. Ich nehme es an mich, verstaue das Schmuckstück in meinem schwarzen Rucksack, damit ich auf keinen Fall vergesse es mit in die Schule zu nehmen und kehre dann wieder zu meinem Schlafplatz zurück.
Kraftlos lasse ich mich in die Federn fallen. Ziehe die Bettdecke enger um mich, schließe die Augen und ehe ich mich versehe, bin ich eingeschlafen.


Fortsetzung folgt...

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