Vergessen

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Schönen Nachmittag meine lieben Leserinnen und Leser,

in dieser kleinen Erinnerung ist Christian Grey 12 Jahre alt.
Ich wünsche jedem Einzelnen viel Spaß beim Lesen.

Grüßle
Ina

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Gemächlich setze ich einen Fuß vor den anderen und gehe den nassen Gehsteig entlang. Der Himmel ist von grauen Wolken überzogen.
Es regnet in Strömen.
Mir ist kalt.
Fröstelnd mache ich den Reisverschluss meiner schwarzen Regenjacke ganz zu und ziehe mir meine Kapuze über. So, jetzt ist es besser.
Ich gehe weiter den nassen Gehsteig entlang... mache einen Schritt nach dem anderen. Beschleunige meinen Gang, um mein Ziel schneller zu erreichen.
Die Anderen warten bestimmt schon auf mich.
Abermals werden meine Füße schneller.
Ich beeile mich.
Trete vor lauter Hektik in eine Regenpfütze... aber das ist mir egal.
Ich gehe trotzdem weiter... will doch mein Ziel erreichen.
Ein schneller Handgriff in meine Jackentasche und ich werfe einen Blick auf das Display meines Smartphones. Nur noch fünf Minuten, dann werden wir uns am ausgemachten Treffpunkt versammeln. Hoffentlich warten die Anderen nicht schon auf mich.
Erneut lege ich einen Zahn zu. Laufe schon fast durch die regnerischen Straßen.
Abermals werden meine Füße schneller. Rastlos renne ich durch die nassen Gassen. Der feuchte Regen, der unaufhörlich auf mein Gesicht hinabfällt, ist mir egal. Hauptsache ich erreiche schnell mein Ziel. Die Anderen sollen doch nicht auf mich warten. Ich will doch unbedingt pünktlich sein.

Völlig außer Atem komme ich schließlich zum Stehen.
Ich bin da... habe mein Ziel erreicht... endlich.
Suchend blicke ich mich nach meinen Freunden um, jedoch kann ich sie nicht entdecken. Keine Menschenseele ist zu sehen. Ganz allein stehe ich hier... hier im strömend, nassen Regen.
Erschöpft vom schnellen Rennen steuere ich das Bushäuschen an.

Müde lasse ich mich auf die Holzbank sinken, lausche dem prasselnden Regen und warte geduldig auf meine Freunde. Sie werden sicherlich bald kommen... ganz bestimmt.

Ein Bus, der schnaufend zum Stehen kommt, erlangt schließlich meine Aufmerksamkeit. Türen werden geöffnet. Einige Menschen steigen aus... treten mit ihren Regenschirmen ins kühle Freie. Ich vernehme ein Donnergrollen. Türen des Fahrzeugs werden wieder geschlossen. Der Bus setzt sich in Bewegung... fährt davon.
Wann wohl meine Freunde kommen?
Wenn sie nicht kommen werden, werden sie sich bei mir melden.
Dass werden sie, ganz bestimmt. Denn Termine, die man nicht einhalten kann, sagt man ab... so hat es mir Grace gelernt.
Ihre Mütter haben es Robert, Karl und Max sicherlich auch beigebracht.
Sie werden noch kommen, ganz bestimmt.
Ich warte und warte.
Die Minuten verstreichen. Sekunde für Sekunde.
Die Wartezeit auf meine Freunde kommt mir vor wie Stunden.
Der nasse Regen wird stärker.
Abermals ein Donnergrollen.
Vielleicht haben sie sich nur verspätet... haben den Bus verpasst oder so?
Ich grübele und grübele. Zu dumm, dass ich keine Telefonnummer von ihnen habe.
Ein Anruf hätte vielleicht Wunder bewirkt.
Müde lehne ich mich gegen die Glaswand des Bushäuschens.
Sie ist glatt und nass vom unangenehmen Regen.
Erneut fröstelt mich.
Oh Gott, ist mir kalt.
Ich hätte einfach zu Hause im warmen Haus bleiben sollen.
Die Sekunden verstreichen weiter und ich warte noch immer geduldig auf Robert, Karl und Max.
Treu, wie ein Hund, sitze ich da und warte.
Warte brav auf die drei Jungs... denn sie sind meine Freunde. Auf Freunde wartet man... warte ich.
Aber mit der Zeit wird mir auf einmal klar, dass sie nicht kommen werden.
Sie haben mich vergessen.
Genauso wie meine leibliche Mutter mich manchmal vergessen hat.
Vermutlich wird nie jemand kommen.
Niemals.

Traurig erhebe ich mich.

Beine setzen sich in Bewegung.
Werden schnell... schneller.
Ich laufe zurück... zurück nach Hause... denn zu Hause, so weiß ich, warten Grace, Carrick, Elliot und Mia auf mich. Gleich vier Personen.
Vier Menschen, die mich gerne haben... denen ICH wichtig bin.
Ich will sie nicht unnötig lange warten lassen.
Und wenn sie fragen, warum ich denn schon früher nach Hause gekommen bin... ich werde ihnen einfach sagen, dass meine Freunde abgesagt haben, weil sie zu "krank" sind, um sich mit mir zu treffen.
Ja, sie sind zu "krank".
Ein Donnergrollen durchreißt den grauen Himmel.
Noch immer schüttet es wie aus Kübeln.
Abermals beschleunige ich mein Tempo. Renne durch die nassen, kalten Straßen. Will doch schnell zu Hause bei meiner Familie sein... denn die vergessen mich nicht... vergessen nicht, so wie meine "Freunde".

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt