Verwahrlost

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Hallo meine lieben Leserinnen und Leser,


in diesem Outtake ist Christian 27 Jahre alt.
Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen!


Grüßle
Ina


PS: Der beigefügte Song hat mich dazu inspiriert. Ein wunderschönes Lied, wie ich finde und bei dem man einfach gut nachdenken kann.

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Es ist ganz leise... zu leise.
Viel zu still.
Ich höre nichts... außer Stille.
Neugierig blicke ich mich um... und sofort läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter.
Ich stehe in einer Küche.
Auf der Spüle stapelt sich schmutziges Geschirr.
Angewidert trete ich näher an die Küchenzeile heran.
Kleine Krabbeltiere kann ich entdecken.
Vermutlich sind sie auf der Suche nach weiteren Speiseresten.
Augenblicklich wird mir schlecht.
Wie ekelhaft!
Meine Augen wandern unter die Spüle, wo ich ein leicht geöffnetes Backrohr entdecke.
Ohne groß darüber nachzudenken, umfasse ich den dünnen silbrigen Griff und öffne es. Ekel packt mich und ich wünsche mir prompt, den Ofen nicht geöffnet zu haben. In seinem Inneren finde ich einen Kuchen. Genauer genommen ist es ein Schokoladenkuchen.... ein sehr, sehr alter Schokoladenkuchen.
Angewidert mache ich das Backrohr wieder zu, ehe ich mich umdrehe und mich daran mache, den Raum auf dem schnellsten Weg zu verlassen... jedoch ist das leider schwieriger als gedacht, denn ein klebriger Klecks, in den ich hineintrete, hält mich davon ab.
Verdammt!
Abstoßend hebe ich meinen linken Fuß an.
Wie ich doch Honig hasse... Wer den wohl auf den Boden gekleckert hat?
Darauf weiß ich auch keine Antwort.
Wütend über mich selbst, dass ich den klebrigen Fleck am dreckigen Boden nicht bemerkt habe, gehe ich einen Schritt zurück und greife nach einer Serviette, die auf der staubigen Küchenzeile liegt. Eine schnelle Handbewegung und das klebrige Zeug ist von meinem Schuh entfernt.
Zum Glück.
Diese Leute, die hier wohnen, scheinen wohl wirklich überhaupt nichts von Ordnung, geschweige denn vom Aufräumen, zu halten.


Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend gehe ich weiter.
Setze bedacht einen Fuß vor den anderen, um nicht erneut in irgendetwas Klebriges hineinzutreten.
Im nächsten Raum erblicke ich ein Sofa.
Es ist schwarz... an einigen Stellen hat der Stoff Risse.
Auf dem Möbelstück liegt eine grüne Decke.
Bilder, die schräg an den Wänden hängen, entdecke ich ebenfalls.
An manchen Stellen rieselt bereits der weiße Putz ab.
Der Tisch vor der schwarzen Couch hat einen Sprung in der Glasplatte.
Man sollte ihn erneuern.
Genauso wie in der Küche zuvor, sieht es in diesem Raum auch unordentlich aus.
Überall ist es dreckig.
Wie ekelig!
Hier sollte mal dringend jemand aufräumen!
Falls hier überhaupt noch jemand wohnt, sollte ich gleich morgen einen Sozialarbeiter vorbeischicken, der hier mal nach dem Rechten sieht.
Plötzlich ist da ein Geräusch.
Ich blicke nach links.
Eine graue Maus, die flink über den Boden läuft.
Mäuse, na prima. Weiß ich doch, dass diese Tiere ein Zeichen für Verwahrlosung sind. Jetzt ist es in meinen Augen ganz klar ein Fall für das Gesundheitsamt ... hm, ja oder auch das Jugendamt.
Ich blicke mich weiter um.
Erspähe ein Feuerzeug, das am Boden liegt, eine zerbrochene Lampe...
Auf einmal steigt mir ein abscheulicher Gestank in die Nase.
Und sofort erinnere ich mich daran, warum ich Zigaretten so sehr hasse.
Angewidert verziehe ich das Gesicht.
Hier würde ich für kein Geld der Welt wohnen wollen!
Auf einmal vernehme ich ein Schluchzen.
Augenblicklich bleibe ich wie angewurzelt stehen.
Kein Muskel meines Körpers bewegt sich.
Ich stehe ganz still da... wie eine Steinstatue.
Erneut vernehme ich das Geräusch.
Okay, hier stimmt etwas nicht. Ganz und gar nicht.
Jemand weint... ich muss helfen.
Mutig, aber auf Zehenspitzen, nähere ich mich dem menschlichen Laut.
Und dann erblicke ich ihn.
Bei dem Anblick schnürt es mir die Kehle zu.
Panisch versuche ich zu schlucken... jedoch bleibt der Kloss in meinem Hals.
Auf dem schmutzigen Boden kniet ein Junge, kaum älter als drei Jahre.
Wie ein Häufchen Elend sitzt er da... sitzt da am schmutzigen Boden auf dem ekelhaften grünen Teppich.
Er sieht verwahrlost aus.
Hat er denn keine Eltern, die sich um ihn kümmern?
Seine kleine, rechte Hand ruht beschützend auf einer schwarzweisen Decke.
Darunter scheint sich etwas zu befinden.
Vorsichtig gehe ich näher an den Jungen heran.
Da der Kleine mit dem Rücken zu mir dasitzt... scheint er mich nicht zu bemerken.
„Schlaf gut Mommy", höre ich ihn leise sagen.
Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, so leise... ganz leise... beinahe gespenstisch. Unter der Decke scheint wohl seine Mommy zu liegen.
Abermals mache ich einen Schritt auf den kleinen Jungen mit den dunklen Haaren zu, während ich ihn nicht aus den Augen lasse.
Doch mein nächster Schritt lässt eine Holzdiele des Bodens knarzen.
Mist!
Erschrocken dreht sich der kleine Junge zu mir herum.
Und ich?
Ich atme schockiert ein und aus.
Oh mein Gott!
Sehe die grauen Augen.
Meine grauen Augen.
Schau genauer hin...
Das bin ja ich...


„Nein!"
Schlagartig und schweißgebadet öffne ich meine Augen.
Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, wo ich bin. Aber als ich bemerke, dass ich in MEINEM Zimmer und in MEINEM zu Hause bin, durchströmt mich Erleichterung.
Es war nur ein Traum.
NUR ein böser, böser, Traum, der NICHTS mit der Wirklichkeit zu tun hat. ...

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt