Mission: Rotgelber Apfel

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Ihr Lieben,

mit diesem Kapitel schicke ich euch ins Wochenende.
In dieser Erinnerung ist Christian 4 Jahre alt.
Ich hoffe, ihr habt so viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreien hatte.

Grüßle Ina
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Vorsichtig spähe ich um die Ecke.
Puh, niemand zu sehen.
Bevor ich es mir noch anders überlegen kann, laufe ich los.

Schnurstracks gerade aus. Über den sauberen glatten Holzboden, durchquere einen sehr großen Raum, danach einige Stufen hinauf und dann stehe ich auch schon in der Küche.
Ich blicke mich um.
Ich habe Glück... niemand ist zu sehen.
Auf dem großen, ovalen Tisch steht eine weißblaue Schüssel, gefüllt mit Äpfeln.
Oh...
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und augenblicklich werde ich noch hungriger, als ich ohnehin schon bin.
Prüfend schaue ich mich nochmal um.
Noch immer... weit und breit niemand zu sehen.
‚Jetzt oder nie. LOS!'
Geschwind und darauf bedacht keinen Lärm zu machen, laufe ich los.
Schön einen Fuß vor den anderen setzten, damit ich nicht stolpere.
Beim Tisch angekommen, blicke ich hinauf. Hmh, meine Arme müssten lange genug sein, dass ich an die Äpfel rankomme. Ohne noch einen weiteren Gedanken zu verschwenden, strecke ich meine kleinen Händchen in die Luft. Ich komme zwar bis auf die Tischplatte, jedoch kann ich den Teller in dem sich die Köstlichkeiten befinden, nicht berühren. Er ist zu weit entfernt.
Schade!
Ich ziehe meine Hände wieder zurück und überlege, wie ich nun an die Äpfel herankomme.
Da sind viele schwarze Stühle.
Vielleicht kann ich ja...
Schritte, die näherkommen unterbrechen meine Gedanken.
Schreckhaft schaue ich mich um.
Ich muss mich verstecken. MICH darf niemand bemerken, sonst gibt es Ärger und ich, ich will keinen Ärger machen. Nein, das will ich nicht! Nicht ICH!
Hilfesuchend blicke ich mich blitzschnell im großen Raum um, während ich noch immer Schritte höre.

Als mein Blick bei einem Vorhang hängen bleibt, überlege ich nicht lange.
Schnell laufe ich darauf zu, bekomme zum Glück den weichen Stoff zu fassen und verschwinde schnell hinter dem weißen, dicken Material.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, während ich versuche ganz still zu sein.
Keiner darf mich bemerken. Kein Einziger!
Die Schritte werden lauter, sie scheinen näher zu kommen, dann ist es auf einmal still und ich höre nichts mehr. Vorsichtig luge ich hinter dem Vorhang hervor. Ich erspähe meinen neuen Daddy, seinen Namen habe ich leider vergessen. Er steht vor einer weißen Tür, die in einen weiteren Raum führt. Der nette Mann steht einige Sekunden nur da. Über was er wohl nachdenkt? Letztlich schüttelt er den Kopf, murmelt irgendetwas Unverständliches vor sich hin und geht dann in das Zimmer. Ich höre den Boden leicht knarzen, dann vernehme ich das Schließen der weißen Holztür. Dies ist für mich das Zeichen, wieder hinter dem Vorhang hervorzukommen. Sicherheitshalber schaue ich mich aber dennoch prüfend um, ehe ich mein sicheres Versteck verlasse.

Wieder bei den schwarzen Stühlen und dem ovalen, großen Tisch, nehme ich mir fest vor meine Mission „Rotgelber Apfel" in die Tat umzusetzen. Und so dauert es auch nicht lange bis ich auf einen der Stühle, nahe dem Teller mit den Früchten, geklettert bin.
Auf dem Stuhl rutsche ich etwas nach vorn und strecke dann wieder die Arme aus.
Meine Finger streifen den weißblauen Tellerrand.
Hmh, ich muss wohl noch etwas näher ran.
Okay, das schaffe ich.
Um den Abstand zwischen dem Teller und mir zu verringern, knie ich mich hin und strecke dann nochmals die Hände aus. Aber erst als ich mich mit den Unterschenkeln etwas nach oben drücke, erwische ich einen rotgelben Apfel.
‚Geschafft, yess!'
Ich bin überglücklich.
‚Und jetzt schnell weg, bevor es Ärger gibt!'
Mit dem rotgelben Apfel in der Hand lasse ich mich zurück in den Stuhl sinken, schiebe meine Beine unter meinem Po hervor und rutsche letztlich vom Sessel.
Kaum sind meine Füße am Boden laufe ich auch schon los.
Den Apfel fest umklammert geht es einige Stufen hinunter und dann über den glatten Holzboden.

Im Gang mit dem roten Teppich angekommen, vernehme ich plötzlich abermals Schritte. Vorhang hinter dem ich mich verstecken könnte, Fehlanzeige. Leider.
Mist, was mache ich denn jetzt?
Eines ist klar, ich kann nicht ewig überlegen, denn die Schritte kommen näher, immer näher und näher. Schnell schiebe ich den Apfel in die Westentasche. Das blaugraue Teil ist mir zwar viel zu groß, aber ich wollte es unbedingt behalten... auch wenn mir meine neue Mommy viele andere Dinge zum Anziehen gekauft hat. Diese Weste habe ich am liebsten, weil sie mir meine echte Mommy gegeben hat, als mir mal kalt war... darum. Aber das weiß meine neue Mommy nicht. Muss sie auch nicht wissen.
Ich höre noch immer die Schritte.
Und weil ich so schnell wie nur irgend möglich verschwinden will, laufe ich los.
Laufe, laufe und laufe, während mir das Herz wie wild bis zum Hals schlägt.
Rennen, rennen, rennen... einfach nur schnell in mein Zimmer, wo ich sicher bin.
Aber auf einmal ist da etwas. Ich will stoppen, aber da ich zu viel Schwung habe gelingt es mir nicht und so krache ich in Vollspeed ordentlich dagegen.
Apfel rollt aus der Westentasche und kullert über den roten Teppich.
Oh nein!
Jetzt gibt es Ärger!
Gewaltigen Ärger!
Zügig erhebe ich mich, aber als ich in das Gesicht blicke, das sich vor mir befindet fühle ich mich mit einem Schlag unwohl. Da sind blaue Augen.
Blaue Lelliot Augen.
Ich schlucke, während ich den blondhaarigen Jungen vor mir einfach nur anstarre.
Lelliot macht nichts, sondern blickt einfach nur zurück. Wie alt der Junge wohl ist? Nein, das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, ob er den Apfel gesehen hat. Und wenn ja, WAS mache ich dann?
Lelliot schaut mich noch einen Moment lang an, dann aber wendet er den Blick ab und geht. Geht ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen. Ob er zu meinem Engel läuft? Hmh, das ist etwas, dass ich nicht sagen kann.
Ich schaue nach links, den Flur entlang und entdecke meinen Apfel.
Prima.
Zufrieden laufe ich auf ihn zu, hebe das gelbrote Ding auf und lasse es erneut geschwind in meiner Westentasche verschwinden.

Endlich in meinem Zimmer angekommen, laufe ich zügig zu meinem Bett.
Unter der weißen, kuschligen Bettdecke hole ich mir meinen Apfel hervor. Genüsslich beiße ich hinein und schlucke.
Hmh, ist der lecker.
So schön sauer und etwas süßlich ist er auch.
Es hat sich allemal gelohnt, nach drüben in die Küche laufen und sich diesen Leckerbissen zu holen. Auf dem Weg zurück ist mir zwar Lelliot entgegengekommen und hat mich komisch angeschaut, aber den Apfel habe ich sicher in mein Zimmer bringen können... ohne dass es jemand bemerkt hat.
Und jetzt kann ich ihn auch ungestört essen!
Mission erfüllt also...
Um mein Herz wird mir ganz warm, während ich nochmals einen Bissen von dem knackigen Apfel mache.
Hmh... er ist so lecker... so unglaublich gut.

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