Süßes oder Saures

62 4 2
                                    

Hallo meine Lieben,

in dieser kleinen Erinnerung ist Christian Grey 15 Jahre alt und geht mit seinen Freunden Süßes oder Saures.
Habt viel Spaß beim Lesen!

Grüßle Ina

Kleiner Tipp: Dieser Outtake ist in der Mitvergangenheit verfasst.
___________________________


Samstag, 31. Oktober 1998, Seattle


Leicht wehte die frische Abendluft durch meine Haare.
Meine linke Hand in der Jackentasche, die Rechte fest um die Plastiktüte mit den Süßigkeiten geschlungen, setzte ich einen Fuß vor den anderen. Wir waren schon recht lange unterwegs und hatten eine beachtliche Menge an Süßigkeiten eingesammelt. Eigentlich waren wir ganz glücklich mit unserer Beute. Während Tony und ich als Vampire gingen und spitze Zähne und rote Kontaktlinsen trugen, war Jill eine Hexe mit schwarzem Hexen-Hut, Rusty ein Geist, Simon ein Zombie und Vincent und Bill hatten abgesagt.
An den Eingangstüren der zahlreichen Häuser, die unseren Weg säumten, konnte ich vor fast allen einen geschnitzten Kürbis entdecken. Es waren lustige orange Gestalten mit lachenden, aber durchaus auch grausamen Gesichtern. Eine Kerze in ihrem Inneren brachte die dreieckigen Augen, sowie die Nase und den Mund regelrecht zum Leuchten! Unwillkürlich musste ich an meine kleine Schwester Mia denken. Der Neunjährigen hätten diese Kürbisgesichter mit Sicherheit sehr gut gefallen. Ob sie jetzt zu Hause mit Grace auch ein lustiges Kürbismännchen schnitzte? Vermutlich.
Am Rande musste ich an letztes Jahr denken. Damals hatte mich Grace gebeten zusammen mit Mia einen Kürbis zu schnitzen. Ich war an diesem Tag so sauer gewesen, dass ich selbstverständlich nicht mit der Kleinen ein Kürbismännchen gebastelt hatte. Heute fiel das auch aus, da ich ja jetzt mit Tony und den anderen unterwegs war und wir gemeinsam von Haus zu Haus zogen. Ich würde es auf nächstes Jahr verschieben. Ja, genau das würde ich tun. Oder vielleicht konnte ich mit Mia morgen ein Kürbismännchen schnitzen?
„Spinnst du!", das war Tony, der mich mit seiner lauten Stimme aus meinen Gedanken riss.
„Sag bloß, du hast Schiss?", entgegnete Simon lachend neben ihm.
„Nein", knurrte Tony und funkelte ihn mit seinen roten Vampiraugen böse an, „Ich überlege nur gut, bevor ich eine Dummheit mache und eine schwachsinnige Aktion starte."
Auf Tonys Kommentar hob Simon nur eine Augenbraue.
„Das solltest du auch tun", hörte ich ihn nur sagen.
„Was hatte Simon denn vor?", erkundigte ich mich.
Tony beschleunigt seinen Gang und wir anderen folgen brav weiter durch die dunklen Straßen Seattles.
„ER wollte allen Ernstes zu Frosty gehen", zischte mein Freund, wobei er verständnislos den Kopf schüttelte. Tony schien es wohl überhaupt nicht zu verstehen, dass Simon unseren Biolehrer einen Besuch abstatten wollte.
„Ich meine ja nur", kam es von links, „Mr. Frost wohnt eine Straße weiter, warum das Haus auslassen..."
„Auch wieder wahr", hörte ich Jill hinter mir.
Simon lachte.
„Also, gehen wir?", fragte er hoffnungsvoll.
Doch ehe Tony ihm antworten konnte, unterbrach ihn Rusty.
„Klar gehen wir", lachte er, „wer Schiss hat, kann ja da bleiben und auf uns tapfere Krieger warten."
Verächtlich schaute er zu Tony, der ihn gleich darauf wütend anfunkelte.
„Lass ihn reden", raunte ich, „der hat ja selber Schiss."
Tony nickte und entspannte sich sichtlich.
„Was hat er gesagt?"
Mein Freund wandte sich an Simon.
Mir schien es so, als ob er viel Kraft dazu aufbringen müsste, ihm keine Standpredigt entgegenzuschreien. Tony atmete einmal tief durch, ehe er verkündete, dass wir alle zu Mr. Frosts Haus gehen würden. Die anderen nickten und so machten wir uns auf den Weg.


Wie ein altes Geisterhaus lag das Anwesen unseres Biolehrers in der schwarzen Nacht. Ich konnte lediglich ein fahles Licht im Untergeschoss ausmachen. Der obere Stock lag komplett im Dunklen. Vor dem Haus angekommen machten wir Halt.
„Irgendwie gruselig", wisperte Jill und schaute den Kiesweg entlang zum weißgestrichenen Gebäude. Ich tat es ihr gleich.
Mr. Frost hatte sich keine Mühe gemacht sein Haus mit Kürbissen oder anderen Dingen zu schmücken. Ob er überhaupt Halloween feierte? Oder den 31. Oktober als solch einen Tag wahrnahm!
„Buhhhhhh", vernahm ich Rustys dumpfe Stimme, „nehmt euch in Acht, Mr. Frost kommt euch holen."
Tony grinste, dann betätigte er die Klingel.
Ding Dong.
Nichts.
Abermals ein Klingeln Tonys.
Die Tür des Hauses blieb weiterhin geschlossen.
Lediglich die Fenster im unteren Stockwerk wurden verdunkelt.
‚So ein Idiot!', schoss es mir verärgert durch den Kopf, ‚er könnte doch wenigstens die Tür öffnen!'
„Gehen wir", meinte Simon.
„Hier gebe noch immer ich die Kommandos", knurrte Tony verärgert und läutete energisch gleich nochmals an.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Ich war froh, dass Mr. Frost nicht die Tür aufriss und uns lauthals zusammenschrie. Von diesem "Lehrermonster" wäre das durchaus zu erwarten gewesen. Aber er tat es nicht.
Es blieb weiterhin still, was mir ein Gefühl der Erleichterung bescherte.
Tony hingegen wurde nur noch ungeduldiger.
Seine Bewegungen immer schneller.
Ding Dong.
Ding Dong.
Immer wieder betätigte mein Freund die Klingel.
„So ein Feigling!", knurrte er.
„Das bringt doch nichts", vernahm ich Jills sanfte Stimme, während ich noch immer das Haus betrachtete, „komm, lass uns gehen, Tony."
Ich drehte mich um und lehnte mich gegen den eisernen schwarzen Gartenzaun. Beobachtete Tony. Zornig betrachtete mein Freund die Gegensprechanlage. Als würde sich der Eingang durch seinen giftigen Blick öffnen und ihm endlich Eintritt gewähren!
Dann jedoch schien Tonys Geduld die Grenze erreicht zu haben.. denn er hob die Hand und pfefferte diese, stocksauer und mit voller Kraft, gegen den Klingelknopf.
„Und so was nennt sich Lehrer", fauchte er wütend.
Rusty lachte. Tony ignorierte ihn, schlug abermals gegen die metallene Anlage.
„Lehrer sind auch nur Menschen." Jills Stimme war noch immer sanft.
Der schwarzhaarige Junge nickte, jedoch war seine Wut allgegenwärtig. Wie eine fette, graue Regenwolke schien sie über uns zu hängen... war zum Greifen nahe und ich fragte mich, ob sie die anderen Mitglieder unserer Gang auch spüren konnten.
„Gehen wir!", schroff drang Tonys Stimme an mein Ohr, dann drehte er dem Haus den Rücken zu und marschierte furchtlos in die Schwärze der Nacht. Mit mulmigem Gefühl in der Magengegend folgte ich ihm. Die anderen taten es mir gleich, aber ich ahnte, dass es ihnen genauso wie mir erging.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt