Leere

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Schönen Donnerstagabend meine lieben Leserinnen und Leser,

in diesem Short Cut ist Christian 11 Jahre alt.
Wir gehen also wieder ein ganzes Stück zurück in der Zeit. :)
Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen und wie immer bin ich auf eure Meinung gespannt.

Grüßle
Ina
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Stumm starre ich die weiße Tür mit dem dunkelblauen Schild und den elfenbeinfarbenen Lettern an.
Eine ganze Weile stehe ich nun schon hier herum und hänge meinen Gedanken nach.
Überlege mir, was ich wohl falsch gemacht habe, oder besser gesagt falsch mache, dass mich die Anderen in meiner Klasse nicht mögen. Ich will doch auch so gerne in den Pausen mitspielen. Aber sie erlauben es mir nicht. Spielen immer alleine Fangen oder Verstecken... lassen mich nie mitspielen. Niemals.
Ich bin immer alleine.
Jedes Mal.
Fühle mich einsam... so unendlich einsam.
Die anderen Kinder, egal ob Jungs oder Mädchen, ziehen immer ohne mich los.

Erschöpft lehne ich mich an die weiße Wand.
Ich bin so müde. Gestern Nacht hatte ich wieder einmal einen Albtraum.
Noch immer kommt der böse, große Mann mich in der Nacht besuchen.
Jedes Mal aufs Neue reißt er mich aus meinem Schlaf.
Und dann sitze ich zitternd in meinem Bett... mein Herz rasend, mein Atem schnell und ich kann mich einfach nicht beruhigen. Ganz egal, was ich auch versuche.
Wie ich diese Albträume hasse.
Wie ich den großen Mann hasse... der leider bittere Realität war.

Um meinen Albträumen entgegenzuwirken, hat Grace mir einen Traumfänger besorgt.
Er hängt jetzt in meinem Zimmer über meinem Bett.
Laut Mom soll er all die bösen Träume einfangen... soll den bösen Mann aus meinen Albträumen vertreiben.
Aber ganz scheint es nicht zu klappen... denn gestern Abend war er schon wieder da.
Mir erschaudert und aus einem mir unbekannten Grund fühle ich mich schlecht.
Mein Blick ist noch immer auf die Tür vor mir gerichtet.
Auf einmal wird sie geöffnet.
Einige Jungs kommen auf den Gang.
Sie gehen an mir vorbei... nehmen keine Notiz von mir...
Bemerken mich nicht einmal!
Ich scheine unsichtbar zu sein. Wie so oft.
Traurig senke ich den Blick.
Warum will nur niemand etwas mit mir zu tun haben?
Mit meinem Bruder Elliot sind alle gut befreundet.
Jeder kann ihn leiden. Er hat viele Freunde... ganz viele.
Ich will auch Freunde haben... so wie mein Bruder.
Er hat zwar viele Kumpels, ist aber trotzdem der Meinung, dass man wirklich gute Freunde alle auf einer Hand abzählen kann.
Ob er damit Recht hat, weiß ich nicht genau.
Ich habe keine Freunde, daher kann ich das nicht beurteilen.
Ich bin alleine... ganz alleine.
Fühle mich einsam, aber weiß nicht, was ich dagegen tun kann.
Ich fühle mich so leer.
So verlassen.
In mir herrscht eine gähnende Leere und sie scheint mit jedem Tag größer und größer zu werden.
Ja, ich habe Grace, Mia, Carrick und Elliot... und ich bin auch wirklich froh, sie zu haben, aber ich fühle mich so einsam.
In der Schule ist es besonders schlimm.
Da bin ich immer alleine.
Niemand will mit mir gemeinsame Sachen machen. Niemand.
Warum? ... Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung.
Schon oft habe ich mich das gefragt, warum denn niemand mit mir etwas machen will, aber ich komme einfach nicht auf die Antwort. Meine Frage bleibt unbeantwortet... vermutlich für immer.
Alle anderen haben Freunde, jeder gottverdammte Mensch,... nur ich nicht.
Was mache ich nur falsch!
Die Anderen haben Spaß... sind glücklich... unbeschwert.
Können unbeschwert sein.
Und ich? Ich passe nicht dazu... fühle mich wie ein schwarzes Schaf in einer Herde, die nur aus weißen Schafen besteht.
Fühle mich so unwohl... nicht wohl in meiner eigenen Haut.
Ich will doch nur dazugehören!
Teil von etwas sein.
Aber ich bin alleine.
Zuhause, wenn ich bei meiner Familie bin, fühle ich mich wohl.
Dort bin ich nicht mehr so alleine.
Ich fühle mich geborgen. In Sicherheit. Behütet.
Ich weiß, dass Grace auf mich aufpasst.
Zuhause habe ich Grace... habe Mia, Elliot... habe Carrick.
Fühle mich behütet ... aufgehoben ... und verstanden.
Zumindest Zuhause... in der Schule habe ich keine Freunde.
Habe niemanden, mit dem ich meinen Vormittag verbringen kann.
Fühle mich einsam.
Verlassen.
Leer.
Ich habe das Gefühl, das die Leere in mir immer größer wird.
Freunde habe ich keine... und wenn man es genau nimmt ja noch nicht mal eine Familie.
Ich hätte gerne Freunde.
So unglaublich gerne.
Solche Freunde, wie mein Bruder Elliot sie hat.
Doch was ist ein Freund wert, wenn er dir in den Rücken fällt?
Dich belügt.
Dich ausnutzt, als wärst du nichts....
Eigentlich ist man ohne Freunde doch besser dran.
Man ist zwar auf sich allein gestellt, aber man kann zumindest von niemand enttäuscht, betrogen oder belogen werden.
Von all diesen Dingen bleibe ich verschont.
Mir kann niemand in den Rücken fallen... oder mich enttäuschen.
Denn ich habe keine Freunde.
Und das ist gut so. ... denke ich.
Die Einsamkeit ist zwar kein so gutes Gefühl - um ehrlich zu sein ist es das schrecklichste Gefühl, dass ich kenne - aber man lernt damit zu leben.
Ich habe damit gelernt zu leben... und eigentlich, geht es mir doch ganz gut.
Auch wenn diese unsagbare Leere in meinem Inneren herrscht.
Ich vernehme ein schrilles Läuten.
Die Pause ist vorbei.
Ich setze einen Schritt vor den anderen und mache mich schlurfend auf den Weg in mein Klassenzimmer.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt