Echte Abenteurer

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Meine fleißigen Leserinnen und Leser,
hier geht es weiter mit Familie Grey in Kambodscha.
Ich hoffe ihr habt viel Spaß beim Lesen!
Grüßle Ina

Kleiner Tipp: Wie die zwei Erinnerungen davor.. ist dieser hier selbstverständlich auch in der Mitvergangenheit verfasst.

Ach ja, und Christian Grey ist natürlich älter als 28 Jahre.
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Juli, Kambodscha, Siemreab-Otdar Meanchey


Erbarmungslos, gleißendhell und eindeutig viel zu warm schien die Sonne auf meinen Rücken. Die Hitze war allgegenwärtig als ich an diesem Vormittag, gemeinsam mit meiner Familie und dem Typ von Touristenführer, die kleine Tempelanlage besichtigte.
Dieser Tempel war bei weitem nicht so groß, wie den, den wir uns gestern angeschaut hatten. Brav setzte ich einen Fuß vor den anderen und folgte dem braungebrannten Führer, Ana und meinen Kindern, die alle vier vor mir herliefen. Der schwarzhaarige Mann mit beigem Hemd, schwarzer Hose und rotweißkariertem Schal, den er locker um seinen Hals trug, quasselte in einer Tour. Er gestikulierte mit den Händen, während er freundlich lächelte und pausenlos redete. Meiner Ansicht nach war er wohl ganz in seinem Element. Um seinen Hals baumelte eine rote Tasche mit weißen Nike Lettern.
Bauchtasche.
Seit wann trug man denn so etwas um seinen Hals? Dieser Typ hatte nun wirklich keine Ahnung von Mode! Schon schlimm genug, dass er immerzu seinen Mund offen hatte.
Während der Fahrt hie her hatte ich schon sein Gequatsche aushalten müssen. Schrecklich! Aber Ana schien das bei weitem nicht so sehr zu stören wie mich. Oder verbarg sie den Ärger nur hinter ihrem freundlichen Lächeln?
Noch immer hörte ich den Touristenführer vor sich hin quatschen. Er erzählte und erzählte... als gäbe es kein Morgen. Mein Gott, musste dieser Mensch denn niemals Luftholen!
Letztlich entschloss ich mich dazu, mich abzukapseln, auch wenn ich genau wusste, dass es Mr. Ich-lebe-hier-und-weiß-alles-über-meine-Heimat, mit Sicherheit nicht gutheißen würde.
In den letzten Tagen bei unseren Erkundungstouren hatte er klar zu verstehen gegeben, dass er hier erklärte und die Führungen machte. Sich einfach so zu entfernen und sich alleine etwas anzuschauen war also bei ihm ein absolutes No-Go. Aber mir war es egal. Immerhin bezahlte ich ja diesen Idioten dafür, dass er uns die zahlreichen Tempel inklusive Wissenswertes über die jeweilige Anlage berichtete. Da war es wohl das mindeste, auch mal alleine vorrausschauen zu dürfen. Ich wollte sehen, was mich noch so alles erwartete... wollte auf eigene Faust Neues entdecken und nicht immer diesen quasselnden Touristenführer hören müssen.
‚Du hast ihn dafür bezahlt Grey', schoss es mir verbittert durch den Kopf, ‚Selbst schuld!'
Ja. In mir flackerte die Wut auf und ohne noch einen weiteren Gedanken an irgendetwas zu verschwenden, kapselte ich mich ab. Besser gesagt, hatte ich schon die Steinstatue vor mir so lange angeschaut, das ich wirklich nicht mehr wusste, was der Führer hier noch groß zu erzählen hatte. ‚Warum hörst du überhaupt zu, Ana?', schoss es mir wütend durch den Kopf, ‚Ich könnte dir das auch erklären. Zwar nicht so detailliert und vielleicht müsste ich auch mein Smartphone mit Internet zur Hand nehmen, um die einiges über den jeweiligen Tempel erzählen zu können. Aber ich würde es besser machen. Viel besser als dieser Touristendepp!'
Ja, das würde ich mit Sicherheit.
„Bitte lächeln."

Teddys Stimme erlangte meine Aufmerksamkeit.
Ich schaute nach links und erblickte meine Kinder.
Die kleine Phoebe strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als ihr großer Bruder von ihr mit seinem Smartphone ein Foto machte. Meine kleine Tochter stand breit grinsend vor einer Steinstatue.
„Kann ich sehen?", hörte ich sie dann fragen.
Ted nickte und die kleine Phoebe kam auch schon auf ihn zu gelaufen.
„Sendest du es mir?"
„Klar", antwortete Theodore freundlich, während er sein Handy in der Hosentasche verschwinden ließ.
„Per WhatsApp oder Mail?"
„Ist mir eigentlich egal", entgegnete seine Schwester.
„Gut, ich schicke es dir per Mail."
Phoebe nickte.
Ich betrachtete die Sandsteinbauten. Irgendwie sahen sie doch alle gleich aus. Ganz zu schweigen davon, dass man diese Bauten überhaupt nicht auseinanderhalten konnte.
Ob meine Kinder auch Lust hatten schon mal etwas weiterzuschauen?
Ich ging auf die beiden zu. Teddy und Phoebe standen mittlerweile einfach nur da, während sie etwas gelangweilt zu Ana und dem Touristenführer hinüberblickten. Als ich bei ihnen ankam, schenkte mir meine achtjährige Tochter ein freundliches Lächeln.
„So", murmelte ich, als ich an ihnen vorbeiging „der erzählt jetzt eurer Mommy, Ana, jede Unebenheit des Steins."
Ted, der hinter mir lachte, veranlasste, dass ich stehen blieb.
„Ist doch wahr", raunte ich, „was soll er denn eurer Mom sonst erzählen."
Phoebe blickte zurück zu Ana und dem Führer, der noch immer wie ein Wasserfall quasselte und mit seinen Händen gestikulierte.
‚Wie kannst du ihm nur zuhören, Ana!' Mein Dämon wünschte dem Touristenfutzi den Tod an den Hals.
„Kommt Kinder, wir gehen schon mal vor."
Phoebe nickte artig.
„Warum?", fragte dann Ted.
„Wir sind Abenteurer", entgegnete ich meinem Sohn, und setzte mich in Bewegung.
„Aber Mommy doch auch", hörte ich Phoebe hinter mir sagen.
„Oder Papa?", fragte jetzt Theodore.
‚JA, sie interessiert sich nur lieber für Steine als für MICH!', hätte ich am liebsten lauthals geschrien jedoch hielt ich mich zurück, da ich keine Szene machen wollte.

Na prima, das konnte ja noch heiter werden.
Jeder Tempel sah doch gleich aus, was konnte man denn da noch so groß erzählen?
‚Ganz ruhig Grey. Es sind nur noch 3 Tage. DREI Tage, dann bist du diesen Idioten von Touristenführer endlich los. Dann interessiert sich Ana wieder für das Wichtige in ihrem Leben und nicht für alberne Steine und Sandsteingebauten.'
„Natürlich ist Ana auch ein Abenteurer", antwortete ich nur und versuchte verzweifelt meine Wut zu zügeln. Meine Kinder mussten von meinen Gefühlsschwankungen nichts wissen.
„Und warum kommt sie dann nicht mit?"

Oje, was Kinder nur alles fragen konnten.
Abrupt blieb ich stehen und drehte mich zu meiner Tochter um.
„Eure Mutter interessiert sich für die Fakten", antwortete ich bebend, dann wandte ich mich ab und ging weiter. Machte einen Schritt nach dem anderen und versuchte nicht zu viel nachzudenken.
Wer weiß, wenn dieser Typ nicht da gewesen wäre, vielleicht hätte ich es genossen zusammen mit meinen Kindern und Ana das Weltkulturerbe der Khmer zu besichtigen. Aber mittlerweile war es nur noch kräfteraubend... für mich zumindest.
„Warte Dad", das war Theodor, dann hörte ich schnelle Schritte hinter mir. Gut, zumindest eins meiner Kinder, das mir folgte. „Ich komm mit", sagte er, als er zu mir aufgeholt hatte, „Phoebe ist zurück zu Mom."

Ich nickte nur, während ich weiter geradeaus lief.
„Macht nichts", erwiderte ich, „wir sind halt eben echte Abenteurer."
„Versteh ich nicht", gab Teddy zu, „Ich meine, wie kann man denn ein unechter Abenteurer sein?"
Über mein Gesicht huschte ein Lächeln... und wieder einmal war ich froh, den kleinen Ted an meiner Seite zu haben. War überhaupt froh, Vater von zwei wunderbaren Kindern zu sein.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt