Kleiner, flauschiger Orca

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In dieser kleinen Erinnerung ist Christian 7 Jahre alt.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bin gespannt, was ihr davon haltet.
Grüßle
Ina
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Mit einem komischen Gefühl in meiner Magengegend sitze ich auf einem der Holzstühle, die zu einem Kreis aufgestellt sind. In unterschiedlicher Reihenfolge wirft Mrs. Mathews jedem einzelnen Schüler das Stofftier zu.
Der, der es dann in den Händen hält soll erzählen... etwas über sich berichten.
Jeder kommt dran... einfach jeder.
Aber ich kann mich nicht vorstellen... ich bin doch viel zu müde. Gestern konnte ich wieder nicht einschlafen. Der böse Mann war wieder da. ... und ich habe wieder einmal alle mit meinem Geschrei aufgeweckt. Sie mitten in der Nacht aus ihren Träumen gerissen. Ich muss unbedingt lernen, mich besser zu kontrollieren. Laute Schreie mitten in der Nacht, das muss aufhören.
Ich muss etwas dagegen unternehmen... unbedingt.
„Willst du dich nicht vorstellen?"
Augenblicklich zucke ich zusammen... auch wenn die Stimme der Lehrerin freundlich klingt... erschreckt habe ich mich trotzdem.
Ängstlich blicke ich nach unten... schaue in meinen Schoß.
Erst jetzt bemerke ich das kleine Tierchen auf meinen Oberschenkeln.
Richtig, jeder der das Kuscheltier hat, muss etwas über sich erzählen.
Wie er heißt... woher er kommt... augenblicklich wird mir schlecht.
Was soll ich bloß sagen?
Ich weiß es nicht... ich weiß gar nichts mehr.
Alle Worte sind verschwunden. Einfach weg... so, als wären sie niemals dagewesen.
Vorsichtig strecke ich meine kleine Hand aus.
Greife nach dem schwarzweißen Etwas.
Meine Hände zittern.
Das Tierchen ist flauschig. Ganz weich.
Ich betrachte es.
Es ist schwarz und weiß... ist ein Meerestier.
Ich weiß genau, was für ein Tier das ist.
Orca... ein anderes Wort für Killerwahl, das hat Daddy mir mal erklärt.
Augenblicklich muss ich an Carrick denken... an Carrick und an Grace.
Ich will nach Hause.
Ich will zu Grace... will mich sicher fühlen... sicher in ihren Armen.
„Fangen wir doch mal mit deinem Namen an.", noch immer klingt die Lehrerin freundlich, „wie heißt du denn?"
Fest umklammere ich das kleine Tierchen in meinen Händen... zerdrücke es schon fast.
Kralle meine Finger in den weichen Stoff des Meerestiers.
Ich schlucke.
„Christian."
Still und leise verlässt das Wort meine Lippen.
Die Gesichter meiner Mitschüler wirken fragend... so als hätten sie mich nicht verstanden.
Augenblicklich beginnt mein Herz schneller zu schlagen.
Unbehagen macht sich in mir breit.
„Christian", vernehme ich da die Stimme der jungen Lehrerin, „sein Name ist Christian."
Bei dem Klang ihrer Stimme zucke ich zusammen. Sie ist so laut... viel zu laut.
Langsam kommt die Frau auf mich zu und nimmt mir das kleine Stofftier aus dem Schoß.
Einige Sekunden bleibt sie noch vor mir stehen und sieht mich aufmunternd an. Ihre blaugrauen Augen treffen auf meine. Schnell senke ich den Blick. spähe nach unten... sehe ihr nicht in die Augen.
‚Ja nicht anschauen.'
Dann höre ich Schritte, die sich von mir entfernen.
Ich blicke weiter auf meine Füße.
Wieder fühle ich mich unwohl.
Einsam ... fehl am Platz.
Sofort wünsche ich mich in Graces sichere Arme.

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