Überfürsorglich (Teil 6)

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Guten Abend meine Lieben,

hier ist Teil 6 vom Outtake „Kalt".
Ich hoffe, ihr habt viel Spaß beim Lesen.
Grey ist selbstverständlich noch immer 14 Jahre alt.

Grüßle Ina
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Als ich an diesem Morgen erwache, bin ich entsetzt.
‚Scheiße!'
Schon viertel vor elf. Ich habe total verschlafen!
‚So ein Mist!'
Schnell ziehe ich mich an, putze mir die Zähne – duschen lasse ich aus – dann schultere ich zügig meinen Rucksack, greife nach meiner Jacke und renne in die Küche.


Dort angekommen, reiße ich unseren Kühlschrank auf und nehme schnell einige Schlucke Orangensaft direkt aus der Packung. Auf das Glas verzichte ich. Immerhin habe ich es eilig.
Das Getränk schnell wieder zurück in den Kühlschrank gestellt, suche ich nach Mom oder Dad. Vielleicht kann ja einer der beiden mich schnell in die Schule fahren. Jedoch habe ich Pech und finde niemanden. Ganz egal wie oft ich ihre Namen durch unsere Villa schreie. Dad ist bestimmt schon in der Arbeit, aber Mom, hat sie heute nicht wieder eine Spätschicht?
Ach egal, wenn ich hier weiter nach ihr suche, verstreicht wertvolle Zeit.
Hastig schlüpfe ich in meine Schuhe, ziehe meine Jacke über und schultere den schwarzen Rucksack. Dann stürme ich nach unten, aus der Eingangstür hinaus und renne durch unseren viel zu großen Garten. Die Bushaltestelle ist nur 20 Minuten von hier entfernt, wenn ich schnell genug laufe, werde ich vermutlich noch den Bus erwischen.


Der Himmel ist von grauen Wolken überzogen und ich frage mich, ob es heute auch wieder regnen wird. Hauptsache nicht jetzt. Von mir aus kann die Nässe beginne, wenn ich im Klassenzimmer sitze. Meine Beine bewegen sich, bewegen sich schnell.
Ich fege regelrecht über den Asphalt, der von Bäumen und großen, grünen Wiesen gesäumt ist.
Auf halbem Wege kommt mir jedoch ein Auto entgegen.
Moms Auto.
Um in den anliegenden Büschen zu verschwinden oder sich schnell hinter einem Baum zu verstecken, ist es zu spät. Mom hat mich bereits gesehen.
‚Schitt.'
Wie erstarrt bleibe ich stehen und schaue auf das Auto, das langsam immer näher und näher kommt. Vor mir bleibt der Wagen schließlich mitten auf der Straße stehen und Mom lässt das Fahrerfenster herunter.
„Willst du einsteigen Schatz?", fragt sie mich.
Klasse, sie will mich in die Schule fahren. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.
Sofort nicke ich, ehe ich freudig die Hintertür des Autos öffne und hinter Mom auf den freien Ledersitz rutsche. Heute würden Tony und ich die Sache mit dem Armband erledigen und dann würde das ein für alle Mal Geschichte sein. In mir macht sie die Freude auf das Anstehende breit.
Glücklich lächle ich.
Normalerweise ist meine Laune bezüglich Schule eher betrübt. Ach, was so ein Armband und ein toller Freund doch alles auslösen können!
Mom fährt weiter und lenkt den Wagen sicher über unser großes Grundstück. Vermutlich will sie zurück zu unserem Anwesen auf den Parkplatz, wo sie dann den Wagen wenden kann, um in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Doch als sie das Gefährt schließlich gänzlich vor dem Haus abstoppt und den Schlüssel aus der Zündung zieht, werde ich hellhörig.
Warum stehen wir jetzt hier rum?
Mom fahr mich doch in die Schule!
‚Ganz ruhig, Grey.'


„Wohin wolltest du?", fragt Grace mich schließlich.
„In die Schule. Ich bin spät dran", antworte ich wahrheitsgemäß, „Du fährst mich doch... oder?"
Unsicher schaue ich zu Mom, die sich jetzt zu mir umdreht.
Augenblicklich verändert sich ihr Gesichtsausdruck.
Nun schaut sie mich an, als hätte ich mir etwas Unmögliches gewünscht.
„Christian", beginnt sie, „du kannst doch nicht in diesem Zustand in die Schule gehen."
Diesem Zustand?
Was soll das denn jetzt heißen?
Ich muss doch zur Schule. Tony und ich wollen heute doch das mit dem Armband erledigen.
„Ich muss da hin", erkläre ich und füge hinzu, dass ich sonst etwas im Unterricht verpasse. Aber Mom hört nicht.
„Einmal willst du in die Schule, dann wieder nicht", sagt sie, „Christian, das Leben ist kein Wunschkonzert."
Grace verlässt den Wagen.
Ich schlage wütend gegen ihren Sitz.
Verdammt! Das kann sie doch nicht machen!
‚Nicht mit mir, Mom! Vergiss es!'
Ich greife nach meinem Rucksack, dann verlasse ich ebenfalls das Fahrzeug und geselle mich zu ihr.

MEMORIES - Fast vergessene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt