Vater und Sohn

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Hey meine Lieben,


es folgt wieder ein Zukunftsblick. Christian, Ana und die beiden wilden Racker sind noch immer in Kambodscha. Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen und wie immer freue ich mich über Feedback.

Ach ja, Christian Grey ist natürlich älter als 28. :)


Grüßle Ina

Kleiner Tipp: Diese Kurzgeschichte ist in der Mitvergangenheit verfasst!
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Juli, Kambodscha, Siam Reap, Borei Angkor Resort & Spa


„Nein!"
Schweißgebadet fuhr ich in meinem Bett hoch. Mein Herz raste wie wild... mein Atem war unregelmäßig. Oh, wie ich diese Albträume doch hasste! Ich schluckte. Einmal, zweimal ... versuchte mich zu beruhigen.
ER war wieder einmal in meinen Träumen aufgetaucht... hatte sich in meine Traumwelt geschlichen. Wie immer war ER wütend gewesen, hatte mich angeschrien und stocksauer auf die Frau mit den langen, braunen Haaren gezeigt, die niedergeschlagen auf dem dreckigen Boden gelegen hatte. Und ich. Ich war hilflos gewesen. Hilflos, so wie jedes mal. Wie sehr ich das nur hasste! Würden diese schrecklichen Träume jemals aufhören? Warum gab es für sie kein Ablaufdatum... wie für die Produkte aus dem Supermarkt?
Vorsichtig schaute ich nach links. Meine Frau neben mir schlummerte noch immer friedlich vor sich hin. Schlafend lag Ana da. Die kastanienbraunen Haare bildeten einen starken Kontrast zu dem weißen Kissen, auf dem ihr Kopf gebettet war. Ihr Atem ging regelmäßig und ich war eindeutig erleichtert darüber. Sehr gut, ich hatte sie nicht aus ihren Träumen gerissen. Ana wachte viel zu oft wegen mir mitten in der Nacht auf.
Darauf bedacht meine Frau, Ted und Phoebe nicht zu wecken, schwang ich meine Beine über den Bettrand und erhob mich. Ich ging ins anliegende Badezimmer.
Das kalte Wasser tat gut und machte mich munter. Zumindest etwas, das klappte.
Nachdem ich mir das nasse Gesicht mit einem Handtuch abgetrocknet hatte, hängte ich es über die Badewanne und ging wieder zurück in den Wohnbereich.
Auf Zehnspitzen schlich ich neben den Betten meiner Kinder vorbei, ehe ich leise die Balkontür öffnete und ins Freie hinaus glitt.
Frischluft, das war es, was ich jetzt wollte... was ich jetzt brauchte.
Wäre ich zu Hause in Seattle gewesen, ich hätte mich bestimmt an meinen schwarzen Flügel gesetzt und hätte vor mich hingespielt oder ich hätte mir Joggingklamotten übergezogen und wäre hinaus in die Dunkelheit gerannt, um mich abzureagieren... In dem Hotel, indem wir nun schon vier Tage verweilten, gab es keinen Flügel... zumindest keinen auf dem ich mitten in der Nacht spielen konnte. Und durch Siam Reap zu laufen erschien mir nicht besonders klug. Ob ich vielleicht ins Fitnesscenter gehen sollte? Das Hotel hatte ja immerhin eines. Und Sport war gut, gut um sich abzureagieren.
Ein Seufzer verließ meine Lippen, während ich auf dem Holzbalkon stand und in die rabenschwarze Nacht hineinblickte. Einige Sterne konnte ich am Firmament entdecken. Draußen war es warm und ich fragte mich, wie es die Einwohner Kambodschas nur mit dieser ewigen Hitze aushalten konnten.
Reine Gewöhnungssache', schoss es mir durch den Kopf, als ich meine Hände auf dem braunen Holzgeländer ablegte und weiter in die Ferne blickte. Morgen würden wir uns wieder einen Tempel anschauen. Mit meinen beiden Kindern und mit meiner Frau würde ich losziehen.
Vergiss nicht den Touristenfutzi!', erinnerte mich eine kleine Stimme in meinem Inneren.
Ach ja, richtig. Der war immerhin auch mit von der Partie. Noch immer bereute ich es nicht einfach Tylor mitgenommen zu haben. Sawi oder Sari, irgendwie so hieß dieser Kerl, der uns morgen in der Empfangshalle des Hotels abholte. Ja, morgen um sieben Uhr würden wir aufstehen, uns fertigmachen, frühstücken gehen und dann zusammen mit diesem Idioten weitere Tempel besichtigen. Warum musste er auch immer nur mit meiner Frau reden? Ich war ja immerhin auch noch da? Meine Tochter Phoebe quatschte dieser Typ auch ganz gerne voll. Erst gestern hatte ich mitbekommen, wie er meine kleine Tochter gefragt hatte, welche Schule sie denn besuche. So ein Spinner! Ich glaube er hatte ganz einfach etwas gegen Männer! Oder war ich hier derjenige, der sich zu viel darüber den Kopf zerbrach? War ich etwa eifersüchtig? Oder ließ ich mich zu leicht provozieren. Oder war es überhaupt so, das... STOP!
Grey, du denkst zu viel. Vertrau Ana, vertrau deinen Kindern. ALLES wird gut. Mach aus einer Maus keinen Elefanten. Einfach tief durchatmen.'
Gut.
Ich folgte meiner kleinen Inneren Stimme und versuchte angestrengt wieder meine Balance zu erlangen. Atmete durch und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
Alles war gut.
Alles war in Ordnung.
Moment, und was war mit Morgen? Morgen würde dieser Touristenführer wieder Ana und Phoebe zuquatschen. Morgen würde ich wieder diesen Idioten sehen! Morgen würden wir uns erneut drei Tempel ansehen, vielleicht würden es aber auch nur zwei sein, da die Kinder nicht so lange durchhielten. Immerhin durfte man diese Sandsteinbauten, oder aus was auch immer sie bestanden, nur mit bedeckten Schultern und langen Hosen betreten. Bei diesen heißen Temperaturen war das für die Kids sicherlich alles andere als einfach.
Wow', das war Teds erstes Wort gewesen, als er vor drei Tagen den ersten Tempel gesehen hatte. Staunend war mein Sohn davorgestanden und hatte den Tempel angeschaut als wäre er ein hochwertiger Diamond.
Meine Frau hatte viele Fotos gemacht. Für meinen Geschmack etwas zu viele. Einmal Ted vor dem Tempel, dann Phoebe und Ted – von Ana und mir hatte mein Sohn ein Foto geknipst – und zu guter Letzt hatte Anastasia unserem Führer die Kamera in die Hand gedrückt und ihn darum gebeten, von uns allen ein Foto vor dem Tempel zu machen. Ich war zwar froh, dass wir ein Familienfoto hatten, aber man drückte doch keinem wildfremden Menschen einfach mal so unsere teure Kamera in die Hand. Aber andererseits, Ana war nicht MAN und JEMAND war sie auch nicht. Meine Frau war anders... und das war gut, sehr gut sogar. Anastasia war besonders.
„Dad?", Theodore unterbrach meine Gedanken.
Ich drehte mich zu meinem Sohn um.
„Was machst du hier draußen?", fragte ich und sofort hatte sich Sorge in meine Stimme eingenistet, „Du solltest doch schon längst schlafen."
Theodore nickte nur und kam auf mich zu.

„Ja, schon", ließ er mich kleinlaut wissen, „ich bin, aber aufgewacht und jetzt, na ja... kann ich nicht mehr einschlafen."
Dieses Problem hatte ich früher auch oft gehabt. Aber Ana hatte mir, seit ich sie kennengelernt hatte, immer wieder dabei geholfen den Schlaf zu finden. Oje, hatte ich ihn etwa...?
„Habe ich dich geweckt?", fragte ich.
Mein Sohn schüttelte nur den Kopf, was mir ein Gefühl der Erleichterung bescherte.
„Warum?", wollte er dann jedoch von mir wissen und schaute mich fragend an.
Ich wandte mich ab und blickte in die dunkle Nacht. Dass ich schlecht geträumt hatte sollte er nun wirklich nicht wissen.
Musste er nicht wissen.
Letztlich entschied ich mich Teds Frage mit einer Halbwahrheit zu beantworten.
„Ich bin aufgewacht, dann bin ich auf den Balkon raus..."
Ted nickte.
„Ana schläft noch?", hakte ich nach und blickte zu meinem Sohn.
„Tief und fest", antwortete er und stellte sich neben mich an die Balustrade.
Ich nickte. „Sehr gut."
„Hmh", stimmte Theodore nickend zu, „so habe ich dich endlich mal ganz für mich alleine."
Nun musste ich schmunzeln und meine Wut über den Touristenführer, als auch meine Angst vor den Albträumen, verschwand etwas. Die große Regenwolke voller Angst, Hass und Trauer zog etwas weiter. ‚Danke Ted', dachte ich bei mir, ‚du weißt ja gar nicht, was du mit mir machst.'
Mein Sohn grinste und ich war zufrieden.
Vater und Sohn waren schon ein klasse Team.
Vielleicht war es gut, dass ich nicht wusste, wer mein leiblicher Vater gewesen war. Carrick war für mich in meiner Jugend ein toller Vater gewesen. Und jetzt schlug er sich grandios als Opa. Ana hatte Recht behalten, für die beiden war ich ein guter Vater. Super Daddy, wie Theodore das mal genannt hatte.
Ich schaute zu meinem Sohn. Still stand er neben mir und betrachtete den pechschwarzen Himmel. Ich folgte seinem Blick und als ich bemerkte, was er so faszinierend anschaute, musste ich grinsen. Mich hatte der Mond als kleiner Junge auch immer sehr interessiert. Ich hatte ihn magisch gefunden... einfach atemberaubend.
„Er ist wunderschön", Ted blickte noch immer den vollen Mond am schwarzen Himmel an, „irgendwie magisch, findest du nicht?"
Ich nickte. In mir tauchte die Erinnerung an Carrick und mir auf. Wie ich im Alter von neun Jahren mit ihm am Abend telefoniert hatte, als er in Las Vegas auf einer Geschäftsreise gewesen war. Damals hatte ich ihm gesagt, wie magisch ich den Mond fand. Ted neben mir mochte diesen Himmelskörper auch... den wunderschönen, geheimnisvollen, magischen Mond.
Ein kurzes Lächeln zuckte über meine Lippen.
„Ja", murmle ich, „das ist er. Magisch und wunderschön, mein Sohn."
Theodore nickte, während er weiterhin den Mond in der schwarzen Dunkelheit betrachtete.
Schweigsam standen wir neben einander und in diesem Moment war ich froh Vater zu sein.
Auch wenn ich es eindeutig niemals in meinem Leben geplant hatte... Aber andererseits, was konnte man schon planen? Bis auf Termine und Geschäftsessen oder einige andere Dinge viel mir beim besten Willen nichts ein. Ana hatte ich damals auch nicht geplant gehabt. Sie war einfach gekommen, in mein Büro in meinem Firmenhauptsitzt, dem GREY HOUSE, hineingestolpert und hatte mich seit ich sie das erste Mal gesehen hatte, sofort in ihren Bann gezogen. Aber das war mir auch erst bewusst geworden, als sie Ende Juni vor mir geflohen war. Denn ab diesem Zeitpunkt hatte sich meine Welt aufgehört zu drehen. Ana war vor mir davongelaufen und hatte all die Farben, die sie mit sich gebracht hatte, wieder mitgenommen... Die Eintönigkeit war somit in mein Leben zurückgekehrt und ich war mehr als nur froh gewesen, als ich es wieder geschafft hatte meine Ana zurückzugewinnen. War jetzt zufrieden, weil ich zwei wundervolle Kinder und eine einzigartige Ehefrau hatte.
Weil ich es endlich geschafft hatte mit mir selbst und mit meinem Leben zufrieden zu sein.
Weil ich das hatte, was dieser Idiot von Führer nicht hatte, zwei wundervolle Kinder und eine bezaubernde Frau.
Behutsam streckte ich meine Hand aus und strich Theodore sachte durchs dunkle Haar. Irgendwo war ich froh, dass er mich nicht umarmte...
Ted respektierte meine Grenzen, respekteierte mich, auch wenn es schon durchaus einmal vorgekommen war, dass er mir stürmisch um den Hals gefallen war. Auch wenn ich damals versucht hatte nicht wie eine Steinstatue dazustehen... in Anas Augen hatte ich dennoch die Trauer bemerkt, als meine Frau meine Reaktion auf die heftige Umarmung gesehen hatte. Seitdem hatte sie es immer irgendwie erfolgreich geschafft mich vor den Händen der beiden Kids zu beschützen. Und das tat sie bis heute ... genauso, wie ich sie vor lästigen Typen und noch vielem mehr bewahrte.
„Dad?", murmelte mein Sohn fragend, woraufhin ich ihn mit meinen grauen Augen anblickte.
„Hmh?"
„Hab dich lieb", entgegnete er und ich musste lächeln.
Niemals hätte ich gedacht, dass mich diese drei kleinen Worte so unglaublich glücklich machten.
Ja, Vater und Sohn.
Wir waren wirklich ein klasse Team.

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