[13] Midnight Memories

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30. März 2019

Das Erste, das ich wahrnahm, war ein Stechen in meinem Kopf. Es fühlte sich an, als würde etwas mit aller Kraft gegen meine Schädeldecke schlagen.
Unter mir fühlte ich eine weiche Matratze. Langsam drehte ich mich zur Seite. Einen Moment blieb ich mit geschlossenen Augen liegen, ohne jegliche Orientierung.

„Aufwachen, Niall", brach auf einmal eine viel zu laute Stimme die Stille. Vorsichtig blinzelte ich und konnte im Halbdunklen eine Gestalt wahrnehmen. Es brauchte weitere Sekunden, bis ich sie als Harry einordnen konnte.
„Es ist schon ein Uhr mittags", meinte er nun und lief hinüber zu dem Fenster, dessen Jalousien noch immer herunter gezogen waren.
Da ich mir schon denken konnte, was als nächstes passieren würde, zog ich mir schnell die Decke über den Kopf.
Doch die Sonnenstrahlen drangen auch durch den Stoff zu mir hindurch.

„Zu hell", jammerte ich nun, woraufhin Harrys Lachen ertönte.
Schließlich wagte ich es doch unter dem Stoff hervor zu schauen und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen.
Ich erkannte sofort das Gästezimmer im zweiten Stock, welches Harry für gewöhnlich leer stehen hatte.
Noch immer stand neben der Tür die kleine Kommode mit dem Spiegel darüber und neben dem Bett der Schreibtisch, welcher so gut wie nie genutzt wurde.
Es war bewundernswert, dass obwohl Harry sich kaum in diesem Zimmer aufhielt und auch keine regelmäßigen Gäste kamen, keine Staubflusen aufzufinden waren.
Doch eine Frage blieb: Wie war ich hier hergekommen?

Langsam ließ ich mich zurück in das Kissen sinken und massierte meine Schläfen. Wie viel hatte ich bloß getrunken?
„Niall, was machst du nur für Sachen", grinste Harry, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Unschuldig zuckte ich mit den Schultern. Das bereute ich jedoch kurz darauf wieder, da mein Kopf sich sofort bemerkbar machte.

„Es hätte nur noch gefehlt, dass du auf dem Tresen einen irischen Tanz aufgeführt hättest", meinte Harry belustigt und lief hinüber zum Schreibtisch.
„Ich will es gar nicht so genau wissen", grummelte ich und schloss erneut die Augen. Bilder von gestern Abend suchten mich auf.
Das Konzert, die Sitzecke, die Mädchen, der Barkeeper, die Bodyguards. Ich verzog mein Gesicht, doch die Erinnerung schlugen auf mich ein wie ein Platzregen.

In mir kam das dunkle Gefühl auf, dass irgendetwas unangenehmes passiert war, nachdem wir Harrys Haus erreicht hatten.
Wenn ich doch nur wüsste, was es war. Ich konnte noch deutlich Harrys Stimme hören, die aufgebracht gerufen hatte: „Niall, bitte nicht!"
Doch so sehr ich mich auch bemühte mich an genaueres zu erinnern, die Lücken ließen sich nicht füllen.

„Hier", riss mich Harry auf einmal aus den Gedanken. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Er kniete vor dem Bett und hielt mir ein Glas Wasser und eine Tablette entgegen. „Aspirin für die Kopfschmerzen"
Dankend nahm ich sie entgegen und spülte sie mit dem Wasser runter.
Doch Harry schien noch immer nicht zufrieden zu sein, da er streng auf das halb leere Glas deutete und meinte: „Austrinken"
Widerwillig trank ich auch den letzten Rest und stellte das Glas ohne hinzusehen auf den Nachttisch ab. Sofort vermischte sich eine Übelkeit mit den Kopfschmerzen.

„In sechs Stunden müssen wir los", verkündigte Harry schließlich. „Liam und Louis wollten so um vier vorbei schauen"
Ich hörte ihm gar nicht richtig zu. Stattdessen sah starr geradeaus zur Decke.
Meine Gedanken schweiften ab zu Haliee, der ich dieses ganze Schlamassel zu verdanken hatte. Doch würde ich ihr nie einen Vorwurf machen. Schließlich war ich um es genau zu nehmen allein ich daran Schuld.

„Du kannst ja noch eine Weile liegen bleiben", vernahm ich da Harrys Stimme. Ich nickte leicht und drehte mich vorsichtig zu ihm um. Bevor er die Tür erreichen konnte, schoss urplötzlich eine fehlende Erinnerung in meinen Kopf.
„Shit", entfuhr es mir, als ich jenes Bild von gestern Abend vor meinen geistigen Auge sah.
Ich hatte auf dem Boden gekniet und war kurz davor gewesen mich auf dem Wohnzimmerteppich zu übergeben. Harry hatte gerufen, dass ich es gefälligst im Bad machen solle, da der Teppich verdammt teuer wäre. Doch anscheinend war es bis dahin schon zu spät gewesen.

Mit geröteten Wangen murmelte ich leise: „Das mit dem Teppich tut mir leid"
Harry blieb mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen und antwortete schließlich: „Das sollte es dir auch"
Ich hätte mir gewünscht, dass ein bisschen weniger Ernsthaftigkeit in diesen Worten mitklingen würde, doch man durfte schließlich nicht zu viel verlangen.
Ohne noch etwas hinzuzufügen, verließ Harry das Gästezimmer und schloss hinter sich die Tür.

Langsam drehte ich mich um und kuschelte mich unter die Decke. Am liebsten wollte ich dieses Bett nie wieder verlassen.
Dass wir heute ein Konzert geben mussten, war unvorstellbar. Mit diesen höllischen Kopfschmerzen an einem derart lauten Ort zu sein, war wohl wirklich nicht optimal.
Bevor ich mich weiter in den Gedanken verrennen konnte, fiel ich begleitet von dem Stechen in meinem Kopf in einem Halbschlaf. Bald zeigte die Tablette ihre Wirkung und erleichterte mir das Einschlafen.

Als ich das zweite Mal an diesem Tag aufwachte, hörte ich Stimmen und Gelächter von unten.
Ich erkannte sofort Liam und kurze Zeit später konnte ich eine weitere Stimme Louis zuordnen.
Die Kopfschmerzen hatten sich zwar noch nicht ganz verzogen, aber wenigstens waren sie um einiges ertragbarer als zuvor. Ich erhob mich dennoch langsam und bedacht.

Noch immer trug ich meine Jeans und das T-Shirt von gestern Abend. Meine Haare mussten aussehen, als hätte ein Vogel darin gebrütet. So mied ich den Blick in den Spiegel und lief gleich zur Tür.
Sobald ich sie geöffnet hatte, stieg die Lautstärke der Stimmen meiner Freunde drastisch an.
Am liebsten hätte ich auf der Stelle kehrt gemacht und mich zurück ins Bett gelegt, doch mein Magen schrie nach etwas Nahrhaften und der Dusche würde ich auch gerne einen Besuch abstatten, bevor wir los zu mussten.

Leise lief ich die Treppe herunter und bog nach rechst ins Wohnzimmer ab.
Mein Blick fiel sofort auf die freie Fläche des Laminats, auf der bis gestern noch ein Designerteppich gelegen hatte.
„Da bist du ja", rief Liam auf einmal und sah auf. Er, Louis und Harry saßen gemeinsam auf dem Sofa und warfen mir nun durchdringende Blicke zu.

„Wie war das mit dem Undicht?", hakte Louis grinsend nach, woraufhin ich ihn verwirrt ansah. Ich konnte mir aus seinen Worten keinen Reim machen.
„Vielleicht solltest du es erst gar nicht erfahren", winkte Liam sofort ab und deutete neben sich, woraufhin ich mich auf dem Sofa niederließ.
„Und wie erging es euch so?", hakte ich nach, um nicht weiter im Mittelpunkt des Gesprächs zu stehen.
„Nachdem du ab gezischt bist und Liam auf der Tanzfläche verschwunden ist, haben Harry und ich uns weiter unterhalten und noch ein bisschen getrunken... Die Betonung liegt auf ein bisschen", verkündete Louis und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Ich wich beschämt seinen Blick aus und fragte mich, wie es passieren konnte, dass plötzlich Harry und Louis die Vernünftigen waren.
Anfangs hätte ich Liam nie zugetraut, dass er so viel Selbstbewusstsein bekommen würde, um im Mittelpunkt einer Tanzfläche zu stehen.
Und von mir hätte ich auch nicht unbedingt erwartet, dass ich mich irgendwann stockbetrunken auf Harrys Teppich übergeben würde. Dafür würde ich mich wohl Lebenslang schämen müssen.
Das war es also, dass die Menschen Veränderung nannten.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt