[49] I can count on you

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„Liam?", fragte ich leise und klopfte gegen die Tür, um ihn nicht zu erschrecken. Dennoch fuhr er zusammen und wischte sich schnell über die Augenwinkel.
Ohne ein Wort zu sagen, trat ich ins Zimmer. Mein Blick fiel auf die mit weißen Tüchern zugedeckten Möbelstücke und blieb schließlich bei Liam hängen. Behutsam schloss ich die Tür und blieb ein Stück hinter ihm stehen.

„Ich will dir nicht zu Nahe treten, aber würdest du mich bitte mal aufklären?", meinte ich schließlich und warf einen Blick auf seinen Hinterkopf, ehe ich mich dem Fenster zu wandte.
„Es ist nichts", entgegnete Liam, betonte dabei jede Silbe und würdigte mich keines Blickes.
„Das hat sich aber nicht nach Nichts angehört", erwiderte ich ernst. Ich fuhr ihm zögerlich mit der Hand über den Rücken.
Jedoch wich er vor mir zurück und schüttelte meine Hand ab.

„Liam", meinte ich ernst. „Dass Louis nicht über so etwas sprechen möchte, kennen wir schon. Aber bitte mach du doch wenigstens deinen Mund auf!"
„Ich kann nicht", hauchte er und wirkte zerbrechlicher als je zuvor.
Nach einer Weile hatte ich meine Sprache wieder gefunden: „Ich bin dein bester Freund. Ich habe dir erzählt, dass ich mich mit dreizehn in meine Musiklehrerin verknallt und ihr einen Liebesbrief geschrieben habe, der durch ein Missgeschick in ihre Hände geraten ist. Und dass sie mit mir ein Gespräch geführt hat. Weißt du wie unangenehm mir das ist?"

Einen Moment unterbrach ich mich mit meinem eigenen Lachen, ehe ich weiter sprach: „ Du hast mich nie ausgelacht. Ich konnte immer zu dir kommen. Auch als Hailee... als Hailee mich... Na ja auf jeden Fall warst du immer für mich da"
Ich legte ihm abermals meine Hand auf sein Schulterblatt. Dieses Mal zuckte er nicht zurück.

„Es war Cheryl!", platzte es plötzlich aus Liam heraus. „Die ganze Zeit über war sie es"
„Aber ihr habt euch doch vor knapp einem Jahr getrennt", stellte ich verwirrt fest.
„Ja schon, aber ich... ich war nie über sie hinweg. Und dann habe ich sie angerufen und angeschrieben, aber sie hat nicht reagiert", sprach Liam weiter und fügte hinzu: „ Deswegen ging es mir auch so scheiße!"

„Aber du hast dich dann irgendwann doch noch mit ihr getroffen?", hakte ich nach, obwohl die Antwort selbsterklärend war.
Liam nickte. „Wir haben uns getroffen. Erst haben wir nur geredet, aber dann kamen wir uns irgendwie näher. Wir waren beide etwas angetrunken, musst du wissen. Und ehe ich mich versah lagen wir in meinem Bett und haben uns geküsst. Es war als würde die lange Pause nie da gewesen sein. Als würden wir da weiter machen, wo wir aufgehört haben. Jeder Kuss wurde leidenschaftlicher und irgendwann hat sie angefangen..."

„Du musst nicht ins Detail gehen!", unterbrach ich ihn auf einmal mit gehobener Hand und verzog das Gesicht.
Liam verdrehte die Augen, wurde jedoch gleich darauf wieder ernst.
„Und jetzt tut sie so, als wäre das alles nicht passiert! Als wäre ich nur irgendwer und nicht der Vater ihres Sohnes!"
Ruckartig drehte er sich zum Fenster um. In seinen braunen Augen schimmerten Tränen, die nur darauf warteten seine Wange hinunter zu laufen. Doch er wischte sie weg und schluckte schwer.

Der Hass auf Cheryl machte sich abermals in mir breit. Wie konnte sie Liam nur derart ausnutzen?
„Liam", hauchte ich und spürte nun eigene Tränen in meinen Augen brennen. „Es tut mir leid. Du musst noch dieses eine Konzert schaffen und dann kannst du wieder durchatmen. Hörst du? Louis hat es geschafft, ich habe es mehr oder weniger geschafft und du kriegst das auch hin!"
Langsam drehte er sich zu mir um und nickte matt.

Bei diesem Konzert schienen wir alle ziemlich durch den Wind zu sein. Dennoch gaben wir unser Bestens und versuchten uns nichts anmerken zu lassen.
Das war wohl der Vorteil an unseren jahrelangen Erfahrungen. Wir waren darin geübt Jemand zu sein, der wir nicht waren.
Doch fiel mir ein großer Stein vom Herzen, als wir uns von den versammelten Leuten verabschiedeten. Ich konnte kaum glauben, wie groß dieser Stein tatsächlich war.

Mein einziger Gedanke war an die frische Luft zu kommen und einen Moment für mich zu sein, ehe wir zurück ins Hotel fuhren. Eine Nacht übernachteten wir noch hier.
Dann ging es morgen Vormittag wieder nach Hause. Dort würde ich vermutlich nicht mehr das Bett verlassen, außer vielleicht um Essen zu beschaffen, mein Ladekabel zu holen oder auf Toilette zu gehen.

Gerade als ich den Balkon erreichte hatte, welcher einen guten Ausblick auf Berlin frei gab, bemerkte ich eine Gestalt.
Anscheinend war ich nicht der Einzige gewesen, der noch vor der Abfahrt Ruhe brauchte. Die Gestalt lehnte mit dem rechten Arm an der Mauer, während ein Funken vor hier herum schwebte. Als ich noch einen Schritt näher kam, realisierte ich, dass es eine Zigarette war.
Auch entpuppte sich die Gestalt als Louis, der sich bereits eine Trainingsjacke übergezogen und die Kapuze aufgesetzt hatte.

„Jede Zigarette kann das Leben bei häufigen Rauchen um fast eine halbe Stunde verkürzen", verkündete ich meinen Aufenthalt und gesellte mich zu ihm auf den Balkon. Sofort vermischte sich die frische Abendluft mit dem Rauch.
Louis zuckte nur mit den Schultern und zog erneut an seiner Zigarette.
„Ist alles wieder gut zwischen uns?", fragte ich leise und warf ihm fragende Blicke zu. Abermals zuckte er mit den Schultern.
Ich lehnte mich an das Gelände und schloss meine Finger um das kalte Metall.

Gerade als ich wieder meinen Mund auf machen wollte, zog er etwas aus seiner Jackentasche und reichte es mir.
Das wenige Licht, welches uns die Flurbeleuchtung schenkte, reichte geradeso aus, um es zu erkennen.
„Ein Flugticket", stellte ich fest und überflog Uhrzeit und Datum. „In vier Stunden"
Überrascht sah ich ihn an. Grundsätzlich hatten wir geplant morgen zusammen zum Flughafen zu fahren.

„Du willst mit Eleanor reden, oder?", fragte ich und sah ihn mitfühlend an.
Ich deutete Louis' Schweigen als ein Ja. „Hast du denn schon Lottie versucht zu erreichen oder einen der anderen Mädels? Vielleicht versuchst du es auch mal bei Sophia, Gemma, Anne oder Eleanors Eltern!", sprudelte es aus mir heraus.
„Was meinst du, was ich schon alles probiert habe!? Entweder geht keiner ran oder sie sagen, dass sie keine Ahnung haben", rief Louis laut, sodass sein leises Echo nachhallte.
Einen Moment lauschte ich den fernen Rufen der Fans, die noch immer voller Adrenalin nach Hause fuhren.

„Das Zeug stinkt so abartig", hörten wir auf einmal eine Stimme hinter uns. Ehe wir uns versahen, hatte Harry Louis seine Zigarette aus der Hand genommen und unter seinen schwarzen, glänzenden Schuhen erlischt.
„Da will man einmal die Nachtluft genießen und Ruhe haben", grummelte Louis und kramte in seiner Jackentasche, um eine neue Zigarette heraus zu holen.
„Das Selbe dachte ich mir auch", meinte Harry nachdenklich und trat zwischen uns ans Gelände.

Einen Moment schwiegen wir, während Louis mit seiner Hand den Wind abschirmte und sein Feuerzeug bediente.
„Ach Mensch", ertönte da eine Stimme hinter uns. „Ihr auch hier?"
Wir drehten uns um und sahen Liam, der sich seine Lederjacke übergezogen hatte und nun zu uns auf den Balkon trat.
Dicht an dicht standen wir am Gelände gelehnt und sahen in den Himmel, auf dem vereinzelnd Sterne zu erkennen waren. Obwohl es frisch geworden war, suchte mich eine Wärme auf. So wohl fühlte ich mich hier unter dem Sternenhimmel bei meinen Freunden.

„Ich fliege heute noch zu Eleanor und versuche das alles zu klären", meinte Louis auf einmal und sah Harry und Liam an, die diese Information anscheinend noch nicht kannten. Die beiden lächelten ihm aufmunternd zu.

„Und ich versuche Cheryl aus dem Weg zu gehen und mich nicht mehr auf diesen ganzen Scheiß einzulassen!", meinte Liam und fuhr sich durch seine Haare.
Ich warf ihm einen stolzen Blick zu, ehe ich ebenfalls meinen Mund aufmachte: „Ich werde wohl oder übel mir Hailee aus meinen Kopf schlagen müssen!"
„Das klingt vernünftig", sagte Liam, woraufhin abermals eine Stille einkehrte.

„Wo wir hier schon alle beisammen sind, würde ich euch gerne etwas fragen" , übernahm da Harry das Wort. „Am ersten Mai findet in London eine LGBT-Veranstaltung statt. Ich würde gerne die Gelegenheit nutzen, um mich öffentlich zu diesem Thema zu äußern und den Leuten Aiden vorzustellen. Natürlich vorerst ohne Namen und anderen Information. Ich habe das alles schon mit ihm abgesprochen. Allerdings bin ich... na ja ein bisschen nervös und würde mich freuen, wenn ihr mit kommt"

Seine Stimme begann ungewöhnlich zu zittern, während er sich unablässig durch die Haare fuhr.
„Wow...Klar, gerne", stotterte ich unbeholfen und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.
„Respekt", meinte nun auch Liam grinsend. „Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen"

„Scheint als wären wir doch noch erwachsen geworden zu sein", meinte ich lächelnd und legte meinen Freunden beide Arme um.
„Scheint so", murmelte Harry und erwiderte meine Umarmung. Louis und Liam machten es uns nach. Es endete in eine Art Gruppenumarmung, während uns die Lichter Berlins beobachteten.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt