[44] We're only getting older

490 27 3
                                    

Einen Moment sah ich Louis nach, der mit zügigen Schritten den Essenssaal verließ, dann konnte ich mich aus meiner Starre befreien und folgte ihm mit einem Abstand zu den Aufzügen und dem Treppenhaus.
Das schlechte Gewissen wurde nur noch schlimmer. Während ich die ganze Zeit von Hailee gesprochen hatte, hatte Louis all seinen Kummer in sich hinein gefressen. So machte er es immer. Und nie hatte er aus diesen Fehlern lernen können.

Am Nachmittag verschwand er ohne eine Erklärung aus dem Hotel, während Aiden und Harry sich auf den Weg in die Stadt machten, um dort den Tag zu zweit zu verbringen.
Eine wirkliche Privatsphäre wurde ihn dort jedoch nicht geboten, da sie keine Aufmerksamkeit erwecken durften. Vermutlich würden sofort Gerüchte aufkommen, wenn sie sich auch nur ein Stück zu Nahe kamen.

Soweit ich es beurteilen konnte, ging Harry damit relativ locker um. Nicht aber Aiden, der mit dem ganzen Berühmheitsfaktor noch nicht klar kam. Ich konnte es mehr als nur gut nachvollziehen.
Berühmt zu sein war sowohl Segen, als auch Fluch. Es kam immer darauf an, was man selbst und die anderen daraus machten.

Liam und ich verschanzten uns währenddessen in unseren jeweiligen Zimmern und ließen uns nicht mehr blicken.
Eine Stille suchte mich auf, der ich versuchte mit meinem Kopfhörern zu entkommen.
Doch auch die Musik lenkte mich nicht von meinen Gedanken ab. Ich wusste nicht, was heute Abend auf mich warten würde oder ob es die richtige Entscheidung war, das Treffen mit Zayn nicht abgesagt zu haben.
Desto länger ich darüber nachdachte, desto mehr Angst bekam ich. Am liebsten hätte ich den anderen davon erzählt, doch das ging nicht...

Ich musste eingeschlafen sein, zumindest würde das erklären, weshalb es draußen dunkler geworden war und mein Arm, auf welchen ich ein paar Stunden gelegen haben musste, sich anfühlte, als wäre er bereits abgestorben.
Langsam richtete ich mich auf und ließ meinen Blick zur Uhr schweifen. Es war schon halb acht. Wenn ich rechtzeitig da sein wollte, musste ich jetzt einen Zahn zu legen.
Schnell kramte ich mir den dicksten Hoodie, den mein Koffer zu bieten hatte, heraus und sprintete ins Bad.

Es dauerte nicht lange, da verließ ich fertig umgezogen das Hotel.
Während ich die Treppe herunter lief, tippte ich schnell eine Nachricht an die anderen ein.
Louis war zwar auch verschwunden, ohne ein Wort zu sagen, doch das konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Zudem war es bei Louis normal, dass er mal Reißaus nahm, während es bei mir eine Besonderheit war.
Ich schrieb ihnen, dass ich bei einem Freund wäre und erst spät zurück kommen würde.

Nach so vielen Jahren hatten wir es endlich geschafft, eine Whatsappgruppe zu erstellen. Dies stellte sich nun als außerordentlich praktisch heraus.
Nur war Harry Jemand, der gefühlt nur einmal im Monat online kam, während Liam meistens innerhalb von einer halben Stunde schrieb, ohne auf die Nachricht von einem einzugehen. Louis hingegen versendete immer nur Emojis, die nur schwer zu deuten waren.

Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich die ältere Frau vor mir überhaupt nicht wahrnahm. Erst als ich gegen sie stieß und somit ihr Koffer zwei Stufen nach unten schlitterte, zuckte ich erschrocken zusammen.
„Sorry", entfuhr es mir, während ich mich schnell bückte um das Gepäckstück aufzuheben.
„Wenn schon eure Generation nur noch auf dieses kleine Ding starrt, dann will ich nicht wissen, wie es in ein paar Jahren aussieht", rief die Frau nun mit einem englischen Akzent, den ich nicht so schnell einordnen konnte.

„Entschuldige", murmelte ich, noch immer auf meinem Handy schauend. Dies brachte die Fremde nur noch mehr zum Kochen.
„Hier"
Ich drückte ihr ihren Koffergriff in die Hand, ehe ich schnelles Schrittes die restlichen Stufen hinunter raste und aus dem Eingang auf das schwarze Auto zu lief.
Es würde mich hinbringen und abholen, doch während unseres Treffens waren Zayn und ich ungestört.
Noch immer war ich mir nicht ganz sicher, ob ich das gut oder schlecht finden sollte.

Eine Stunde später hielt das Auto vor einem großen Park, welcher sich bis in die Ferne erstreckte. Nur die wenigen Straßenlaternen schenkten uns Licht. Die Bäume und Büsche bewegten sich gespenstisch im Wind, wodurch meine Panik nur noch weiter anstieg.
„Und Sie sind sicher, dass es hier ist?", fragte nun auch der Fahrer und sah mich aus dem Rückspiegel fragend an.

Ich nickte und tastete zur Sicherheit noch einmal meine Hosentasche nach meinem Handy ab.
„Okay, gegen halb elf bin ich wieder hier", meinte ich schließlich.
„Mr. Horan, ich lasse sie nur ungern alleine dort draußen", entgegnete mein Gegenüber, doch da hatte ich bereits die Hintertür geöffnet und trat nach draußen.

Eine kühle Frühlingsluft kam mir entgegen. Schnell vergrub ich meine Hände in den Jeansjackentaschen und setzte mich in Bewegung.
Hinter mir hörte ich den Motor des Autos anspringen, ehe er es wendete und anschließend verschwand.
Noch einmal atmete ich tief durch, dann lief ich weiter den Kiesweg nach unten und sah mich in allen Richtungen um.

Erst als ich fünf weitere Schritte gegangen war, entdeckte ich plötzlich eine Gestalt. Sie saß in der Ferne auf einer Bank und starrte auf etwas, das sich in ihren Händen befand.
Vermutlich war es sein Handy, auf das mein Gegenüber seine Aufmerksamkeit gelenkt hatte.

„Zayn?", fragte ich mit leiser Stimme nach und versteckte meine Hände noch weiter in den Tiefen meiner Taschen.
Tatsächlich hob er den Kopf und sah zu mir herüber. Ich trat langsam näher, ehe ich an der Bank stehen blieb und ihn schweigend betrachtete.

„Niall", entgegnete Zayn mit rauer Stimme. Er sah anders aus, als es seine Instagramfotos vermuten ließen. Selbst seine Haare hatten nach verschiedensten Varianten wieder seine Naturhaarfarbe angenommen.
Nur sein Grinsen, mit welchem er mich nun musterte, war ein Teil seiner Veränderungen, den ich nicht für gut heißen ließ.
Es wirkte irgendwie gestellt und unecht. Und hatte kaum Ähnlichkeit mit seinem charmanten, frechen und zugleich schüchternen Lächeln von damals.

Zudem strömte ähnlich wie bei Liam in letzter Zeit ein starker Männer-Deo Geruch in meine Nase, gefolgt von Rauch und etwas, das ich nicht ganz zuordnen konnte.
Erst jetzt wurde mir klar, dass ich ihn regelrecht angestarrt haben musste. So riss mich von dem Anblick meines alten Freundes los.

„Was möchtest du?", fragte ich nun mit einem schärferen Ton als beabsichtigt, während er sich erhob, den dunklen Weg hinunter nickte und sich in Bewegung setzte. Zögerlich folgte ich ihm.
„Ich wollte einfach nur mal sehen, wie es meinen Freunden nach ihrem Comeback geht", entgegnete Zayn und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

Aus irgendeinen Grund klang Ironie in seinen Worten mit. Jedoch versuchte ich diese Tatsache zu ignorieren. Meine Vorurteile mussten nicht alle der Wahrheit entsprechen. Es war nur fair, wenn ich ihm eine Chance gab.

Einen Moment liefen wir still den Weg entlang, während jeder in seinen eigenen Gedanken versunken war.
„Und warum hast du ausgerechnet mich angeschrieben? Und nicht Louis, Harry oder Liam?", stellte ich die nächste Frage, die mir auf dem Herzen lag.

„Du warst der Einzige, bei dem ich mir sicher war, das er antworten würde"
Er warf mir einen Seitenblick zu, den ich verunsichert erwiderte.
Da könnte er Recht haben. Zumindest bei Harry und Louis war ich mir sehr sicher, dass sie ihm keine Antwort gegeben hätten.
Wobei es bei mir auch eher ein Missgeschick war.

„Also wolltest du mich nicht treffen, weil du Heimweh bekommen hast?", fragte ich schließlich nach, wobei es eher eine Feststellung, als eine Frage war.
„Wir passen musikalisch einfach nicht mehr zusammen, Niall", meinte er und sah einen Moment zu Boden. Ich machte es ihm nach.

Wir beide wussten, dass das nur eine Ausrede war.
Wir passten nicht nur musikalisch nicht mehr zusammen, sondern auch wegen vielen anderen Faktoren. Die Zeit war eine Sache, die alles möglich machte. Sie trieb Menschen zusammen oder trennte sie. Und sie veränderte einen. Ob man wollte oder nicht.

„Ihr habt euch verändert", bestätigte er plötzlich meine Gedanke.
In einem scharfen Ton hakte ich nach: „Und das kannst gerade du beurteilen?"
„Das Selbe denkst du doch auch über mich, obwohl wir uns so lange nicht mehr gesprochen haben! Und du weißt genauso gut wie ich, dass wir beide Recht haben"

Darauf folgte eine Stille, die unsere Worte mit jeder Sekunde mehr bestätigte. Freunde schwiegen sich an, wenn sie beide wussten, was der andere dachte. Fremde wiederum schwiegen sich an, wenn sie nicht wussten, was sie sagen sollten.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt