[69] I see you with me

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Es war wirklich demütigend, wie meine Freunde vor mir auf dem Sofa saßen und sich über mich lustig machten. Es war ja nicht so, dass ich mich an einem Wendepunkt von Freundschaft zu Liebe befand und gerade jetzt ihre Beziehungstipps gebraucht hätte.

Noch immer durchflutete eine unendliche Wärme meinen Körper, wenn ich an letzte Nacht dachte. Doch konnte ich nicht vermeiden, dass mich eine Angst aufsuchte. Die Angst, dass es etwas Einmaliges bleiben würde.
Dass es hiermit vorbei war.
Wie das Ende einer nie vollendeten Geschichte. War es denn wirklich richtig gewesen sich von den Gefühlen derart leiten zu lassen und den Kopf dabei komplett ausgeschaltet zu haben?

„Niall, guck nicht so besorgt. Das wird schon alles werden“, riss mich Harry auf einmal aus den Gedanken. Er sah mich aus seinen grünen Augen aufmunternd an und bekam als ein Zuspruch ein bekräftigendes Nicken von seinem Freund.

„Ich ziehe mir kurz was über“, nuschelte ich jedoch und erhob mich langsam von dem Sessel. Ohne meine Gäste noch eines Blickes zu würdigen, lief ich an ihnen vorbei zur Treppe und stieg die Stufen empor.
„Ach Mensch, sonst war er es doch immer, der uns wegen unseren ganzen Dramen aufgezogen hat“, erreichte noch Liams nachdenkliche Stimme mein Ohr, ehe ich den zweiten Stock erreichte und die Badezimmertür geräuschvoll hinter mir zu zog.

Seufzend fuhr ich mir durch mein Gesicht und tigerte eine Weile auf den kalten Fliesen auf und ab. Meine Gedanken trieben mich noch in den Wahnsinn.
Schließlich unterbrach ich mein hin und her Rennen, griff nach meinem T-Shirt, zog mir dieses über und wollte mich gerade wieder auf den Weg nach unten machen, um meine Besucher entweder zur Vernunft zu bringen oder sie raus zu schmeißen, als die Tür auf einmal von alleine aufging.

Erschrocken sprang ich zurück und sah in zwei braune Augen. „Erschrecke mich doch nicht so!“, beschwerte ich mich, während mein Puls sich allmählich wieder beruhigte. „Das war keine Absicht“, entgegnete Liam und lehnte sich mit verschränkten Armen an dem Türrahmen zurück, sodass er mir den Weg nach draußen versperrte.

Ungeduldig sah ich ihn an. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe haben und mir nicht anhören müssen, dass ich kindisch, vorschnell oder naiv war, das wusste ich auch so.
„Hör zu Niall“, fing Liam an und sah mich aus seinen Augen ernst an. „Wie ich dir gesagt habe, du musst entweder loslassen oder festhalten. Du hast dich entschieden. Also bleibe auch bei der Entscheidung und lasse nicht schon wieder los!“

Ich machte den Mund auf, doch wusste so schnell nichts zu erwidern.
„Wenn du mich fragst, hast du gute Chancen bei ihr. Und indem ihr den Schritt gewagt habt und über euer Wir-sind-doch-nur-Freunde-Ding hinausgegangen seid, habt ihr euch doch schon längst bewiesen, dass ihr beide mehr wollt“, fügte er hinzu und sah mich noch immer mit diesem fürsorglichen Blick an, den niemand so gut drauf hatte, wie er.

„Wie schaffst du es nur immer das zu sagen, was ich gerade hören muss?“, fragte ich nach, während ein Schmunzeln über meine Lippen huschte. Liam zuckte mit den Schultern und brachte ebenfalls ein Lächeln zustande. Eine Weile blieben wir beide schweigend voreinander stehen und hingen jeder unseren eigenen Gedanken nach.

Irgendwann machte ich Anstalten aus dem Bad zu treten und nickte auch Liam auffordernd zu.
Doch zu meiner Überraschung blieb er an Ort und Stelle stehen und rührte sich nicht von der Stelle. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, während mir Bewusst wurde, dass das Gespräch aus seinen Augen noch nicht abgeschlossen war.

„Danke Niall“, meinte er schließlich und sah mich ernst an. „Wofür?“, hakte ich irritiert nach und kratzte mich am Kinn. Ich konnte mir kein Reim aus seinen Worten machen.
„Dafür, dass du über die Sache mit dem Alkohol geschwiegen hast“, erklärte Liam und ich spürte, wie viel Scham bei diesen Worten in ihm aufkam. Er sog die Luft ein. „Ich habe die Flaschen entsorgt und bin seit einiger Zeit trocken“

In diesem Moment schien all das Drama, was sich noch eben vor mir aufgebäumt hatte, verschwunden zu sein. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, während ich Liam stolz ansah. Ich hatte ihn an seinen dunkelsten Tagen erlebt.
Wenn einer es verdient hatte glücklich zu werden, dann ja wohl er.

Ohne Vorwarnung, drückte ich ihn einen Augenblick an mich. Und obwohl wir ausgewachsene Männer waren, schienen wir in diesen Moment zu schrumpfen. Vielleicht färbten sich meine Haare nun auch blond, während seine wuchsen.
Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass sich diese Szene schon damals abgespielt hatte. Nur, dass es in früheren Zeiten Liam schlechter ergangen war und die Umarmung ihm Trost schenken sollte.

„Lass mal runter zu den anderen“, meinte er auf einmal und schob mich leicht von sich weg, ehe er sich umdrehte und zur Treppe lief. Vermutlich wollte er keine große Sache daraus machen und war einfach froh, es Jemanden erzählen zu können.

„Was habt ihr so lange da oben getrieben?“, hörte ich Louis’ Stimme von unten rufen. Sein Lachen ertönte, was mich augenblicklich die Augen verdrehen ließ.
Ich straffte meine Schultern, dann lief ich nach unten. Ich wollte nicht unhöflich sein, doch nichts wollte ich nun lieber als Alleinsein.

„Meine Herren“, fing ich an und sah in die Runde. „Ich bitte Sie nun mir die Ruhe zu gewähren und mein Eigentum zu verlassen“
„Na komm Ad, lassen wir den verwirrten Iren allein“, grinste Harry Aiden zu und kam noch einmal zur Treppe auf mich zu gelaufen.

„Tut mir echt leid, das die anderen jetzt auch Bescheid wissen…“
„Ich hätte mich doch sowieso irgendwann verraten“, nuschelte ich und versuchte mir dieses Argument selbst noch einzureden, um die Wut auf diese ganze Situation zu vergessen.

„Das hättest du“, bestätigte nun auch Louis, der sich glücklicherweise ebenfalls vom Sofa erhob und in den Flur trat. Eine Weile suchte uns ein Schweigen auf. Eine innere Stimme sagte mir, dass ich meine Gäste vielleicht doch noch nicht ausladen sollte, damit ich nicht mit den Konsequenzen meiner Gedanken alleine war. Doch da liefen sie auch schon allesamt zur Tür.

„Du schaffst das“, meinte Harry da, als hätte er soeben meine Gedanken gelesen.
„Ich hoffe es“, murmelte ich gedankenverloren und sah von einem zum nächsten. Das erste Mal heute verspürte ich so etwas wie Dankbarkeit, dass sie extra den Weg auf sich genommen hatten hier her zu kommen. Beste Freunde respektierten eben manchmal nicht ein Nein, wenn sie wussten, dass man eigentlich ein Ja meinte.

Trotz diesen Gedanken war ich froh, als ich kurze Zeit später abermals das Bad aufsuchte und schließlich das warme Wasser über meine Haut lief.
Es schien als würden all die Zweifel abgespült werden und im Abfluss verschwinden. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, während das Wasser noch immer auf mich einprasselte.
Eins stand fest: Ich würde mich noch vor Ende Mai bei Hailee melden.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt