[51] Seeing blind

524 32 19
                                    

Kurz darauf flog die Tür erneut auf und Anne trat dicht gefolgt von Gemma ein. So langsam wurde es in diesem gefühlt Abstellkammer-großem Zimmer ziemlich eng.
„Oh Harry, ich bin so stolz auf dich. Ich weiß gar... Oh, du musst Aiden sein", redete Anne drauf los und wandte sich von Harry zu seinem Freund. Dieser nickte lächelnd und reichte ihr die Hand. Doch dies lehnte Anne lachend ab und schloss ihn sofort in die Arme. „Nicht so förmlich, mein Guter. Wir sind doch eine Familie"
Kurz darauf steckten wir uns alle bei ihrem Lachen an. Anne hatte schon immer durch ihr alleiniges Eintreten eine gute Atmosphäre schaffen können.

„Na? Was denkst du?", fragte Gemma da ihren vor sich hin lächelnden Bruder, während ich mich zu ihnen gesellte und Harry ebenfalls neugierig ansah.
„Ich weiß nicht..." Harry fuhr sich durch die Haare. „Ich bin gerade irgendwie sprachlos"
„Na so lange du da oben stehst und was sagst, ist alles gut", grinste ich uns stieß ihm in die Seite.
Er lachte kopfschüttelnd und holte dann seine Karteikarten heraus, die er für seine Rede vorbereitet hatte.

Eine halbe Stunde später saßen wir auf unseren reservierten Plätzen, die sich etwas abseits befanden. Dennoch hatte man einen guten Überblick auf die kleine Bühne.
Über der kleinen Erhöhung hing eine große LGBT-Flagge. Sie passte perfekt ins Bild und wirkte kein bisschen übertrieben oder gestellt.
Da trat plötzlich ein Mann ins Licht und begrüßte die Anwesenden.

„Ich kann gar nicht sagen, wie viel Respekt ich vor Harry habe, dass er das hier macht", flüsterte Liam plötzlich in mein linkes Ohr und sah sich ebenfalls neugierig um.
„Da ist wahr" Louis nickte gedankenverloren, während er noch immer Eleanors Hand umschlossen hatte. Sie sah ihn liebevoll an und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Manchmal wurde einen erst Bewusst wie sehr man Jemand liebte, wenn man Angst hatte diesen Jemand zu verlieren.

„Niall", holte mich eine Stimme zurück in das Hier und Jetzt. Verwirrt wandte ich meinen Blick von den beiden ab und sah vor mich. „Kannst du mir ein Gefallen tun?"
Harry wirkte noch gestresster als zuvor. An seinem Haaransatz hatten sich Schweißperlen gebildet und seine altbekannte Sorgenfalte zeichnete sich zwischen seinen Augenbrauen ab.

„Was immer du willst" Ich sah ihn fragend an.
„Kannst du die schnell nehmen?" Er hielt mir seine Karteikarten entgegen.
„Aber hier ist... ist doch deine Rede", stotterte ich verwirrt und hielt ihm die Karten unter die Nase. Hatte er es sich plötzlich doch anders überlegt?
„Ich glaube nicht, dass da steht, was ich sagen möchte", meinte Harry, während er nervös auf und ab ging und schließlich schnelles Schrittes auf die Bühne zu lief.

„Und nun ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung eines Mannes, die er schon seit einigen Jahren in diese Organisation steckt. Und für seine heutige Rede, die nun folgen wird. Ein Dankeschön an Harry Styles", rief der Mann auf der Bühne und sah mit Brillengläsern umrahmten Augen in das Publikum.
Da trat auch schon Harry die wenigen Stufen hoch, stellte sich in die Mitte der Fläche und griff nach dem Mikrofon.
Anne, die drei Plätze rechts von mir saß, sog geräuschvoll die Luft ein. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, während sie mit schimmernden Augen zu ihrem Sohn aufsah.

„Ich danke für die Möglichkeit heute hier vorne zu stehen", zog Harrys vertraute Stimme meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
„Ich habe lange darüber nachgedacht, mit welchen Worten ich meine Gedanke zusammenfassen kann. Meine Freunde mussten in letzter Zeit vieles anhören und durchstehen"

Er zwinkerte mir zu. Ich nickte lächelnd, als Zeichen, dass ich verstand.
„Aber jetzt stehe ich hier und bin ehrlich mit dem was ich sage", sprach Harry weiter und atmete einmal tief durch. Sein Blick schweifte kurz zu Aiden, der ihn mit einer solchen Bewunderung und Liebe ansah, dass ich eine Gänsehaut bekam.

Da ergriff Harry abermals das Wort: „Liebe ist stark, leidenschaftlich, kämpferisch, gutherzig und doch so zerbrechlich wie nichts anderes auf dieser Welt. Sie ist es, die uns zusammen hält. Ein Leben ohne Liebe, wäre wie ein Sänger ohne Musik"
Leises Lachen erfüllte den Raum und auch ich musste bei seinem Worten schmunzeln. Ich spürte mein Herz gegen in meiner Brust schlagen. Ich war so stolz auf Harry.

„Menschen sagen, dass Liebe blind macht. Doch was sie vergessen, ist, dass sie nicht nur blind macht, sondern es auch selbst ist.
Ein Auge kann ein Geschlecht erkennen, unterscheiden und verstehen, nicht aber das Herz. Das Herz sieht einzig und allein einen Menschen, den es nie wieder vergessen wird. Es liebt ungezähmt und entschlossen. Und kein Gesetz, keine Vorschrift und keine unverschämten Widersprüche würde es je davon abhalten können, den Menschen zu lieben, den es fest hält. Und so bitte ich jeden von euch, dies zu berücksichtigen. Lieben und lieben lassen, das ist es, was die Welt dort draußen wirklich tun sollte!"

Harrys Stimme wurde von Mal zu Mal lauter und entschlossener. Ich hatte das Gefühl, dass viele aufgestaute Gedanken in ihn aufkamen und ihn überrollten, die er nach langem Warten endlich aussprechen konnte.
Einen Moment schien es, als würden die versammelten Menschen den Atem anhalten.
Seine Worten waren so wahr. Ich wusste, dass er ein kluger und weiser Mann war. Nur hatte er mir heute ganz von neuem wortwörtlich den Atem geraubt. Eine Weile war noch die Stille auf das Publikum gelegt, während Harry die Augen schloss und seinen Kopf senkte. Zu gerne hätte ich gewusst, was ihm nun durch den Kopf ging.

Dann begannen einzelne zu klatschen, bis eine Welle des Applauses durch die Reihen ging und jeden einzelnen mitriss. Auch die Fotografen befreiten sich aus ihren Starren und ließen Harry in blitzendem Licht aufgehen.
Im Augenwinkel sah ich, wie Gemma Anne ein Taschentuch reichte und sie in den Arm nahm.
Aiden hätte dies anscheinend ebenfalls gebraucht. Ich beugte mich über Liam herüber und strich Harrys Freund beruhigend über den Arm. Erschrocken drehte er sich zu mir um, doch erwiderte mein Lächeln schließlich.

Da räusperte sich Harry auf einmal. Es war erstaunlich wie schnell er die Leute zum Verstummen brachte. Nur noch ein leises Raunen ging umher. Anscheinend konnte sich keiner erklären, was nun folgen würde.
„Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und würde Sie bitten sie noch einen Moment beizubehalten" Harrys Stimme begann zu zittern. Man konnte ihm ansehen, dass er nach den richtigen Worten suchte. „Ich...", fing er mit rauer Stimme an. Seine Augen schimmerten in dem Scheinwerferlicht.
„Ich würde die Gelegenheit gerne nutzen, um etwas mitzuteilen, dass mir schon länger auf dem Herzen liegt"

Mir entging nicht, dass Aiden auf seinem Stuhl unruhig hin und her rutschte.
Abermals räusperte sich Harry und fuhr sich über das Gesicht.
„Ich würde...", fing er an, doch brach schließlich ab. Einen Moment atmete er tief durch und blinzelte seine Tränen weg.
Ich warf ihm aufmunternde Blicke zu, obwohl ich heute das zweite Mal wegen meiner Freunde zu Tränen gerührt war.

„Als ich davon sprach, dass das Herz nichts davon abhalten würde, einen Menschen zu lieben, habe ich größtenteils aus eigener Erfahrung gesprochen. Manche dieser Erfahrungen waren schmerzhaft"
Er legte eine Pause ein und dieses Mal konnte ich aus seinen grünen Augen ablesen, an was oder besser gesagt an wen er dachte: Louis.

Dann sprach Harry mit fester Stimme weiter: „Aber manche dieser Erfahrungen sind mit das schönste, das ich je erleben durfte. Etwas, das ich wohl nie begreifen werde und wofür ich doch sehr dankbar bin"

Ein Schniefen erreichte mein linkes Ohr. Langsam drehte ich mich zu Liam um, der konzentriert geradeaus sah und mit den Tränen kämpfte.
„Das ist wunderschön, was?", flüsterte ich ihm leise zu, ehe ich mich wieder an Harry.

„Und so möchte ich Ihnen nun endlich sagen, dass ich einen wunderbaren Mann getroffen habe, den ich so sehr liebe wie nichts anderes auf dieser Welt"

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt