[48] Lyin', cryin', always fightin'

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„Niall, es geht los“ Liam nickte in Richtung Tür, während ich ihm folgte. Schon jetzt konnte man die dutzenden Fans hören, die voller Vorfreude ihre Stimmen bereits vor dem ersten Song strapazierten.
Wie schon so oft fühlte ich mich mit jedem Schritt, mit dem ich der Bühne näher kam, befreiter.
Louis machte jedoch einen großen Bogen um mich, sodass mein Lächeln für einen Moment erlosch.

Für Außenstehende war Louis' Kummer unsichtbar. Doch wir kannten nun die Wahrheit über seine überspielende Art. Und war ich mir ziemlich sicher, dass ein paar der alteingesessenen Fans unter uns ihn ebenfalls durchschauten. Er alberte mit Liam herum, tuschelte mit Harry und lachte sein Everything is fucking great-Lachen.
Ich machte mir Sorgen. Nur wusste ich, dass ich ihm nicht helfen konnte und meine Vorwürfe über seine angeblichen Affären es nicht besser gemacht hatte.

„Hallo Deutschland!“, riss mich Harry plötzlich mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke aus den Gedanken. Nervös fingerte er an seinem Mikrofon herum und ließ seinen Blick über die vielen Gesichter schweifen, die mit einem strahlenden Gesichtsausdruck zu uns herauf sahen.
Harrys Nervosität galt wohl Aiden, von dem wir wussten, dass er ebenfalls zuhörte. Ich konnte es gut nachvollziehen. Es brauchte nur ein einziger aus der Familie unter den vielen Leuten im Publikum zu geben und die Aufregung stieg drastisch an.

Damals als wir auf Tour waren und unsere Eltern das erste Mal live bei einem unserer Konzerte zugesehen hatten, waren wir so nervös gewesen, dass im Backstagebereich eine Menge schief gelaufen war.
Vermutlich lag es daran, dass man Angst hatte sie zu enttäuschen. Sie hatten so stolz ausgesehen, wie nur Eltern ihre Kinder ansehen konnten.
Nicht dass meine Eltern mir je Druck oder dergleichen gemacht hatten.
Ganz im Gegenteil: Vermutlich hätten sie mich gerne Zuhause festgehalten, damit ich eine Auszeit von dem ganzen Stress bekam.
Doch wollte ich trotzdem (und besonders dann, wenn sie da waren) alles geben.

Da wurde ich plötzlich durch die ersten Takten von History aus den Gedanken gerissen.
Noch immer unter Jubelschreien klatschten die Fans mit. Liam tat es ihnen gleich und kurze Zeit später stimmte auch ich mit ein.
Als Harrys Stimme durch die Halle schallte, wehten erneut Schreie zu uns herüber.
Diesmal noch lauter und euphorischer als zuvor. Es war schon seltsam, wie nur durch unsere alleinige Anwesenheit etwas so großes bewegt wurde. Das war wohl etwas, dass ich mein Leben lang nicht verstehen würde und dass mir doch noch in Jahren den Atem rauben würde.

Die Fans schienen noch jeden unserer Texte auswendig zu können, da sie bei jedem einzelnen Song begeistert mit sangen.
Erst als wir unseren letzten Song Second History anstimmten, verstummte einer nach den anderen.
Es war das erste Mal, dass wir es in Deutschland sangen. Sie hatten es eventuell auf YouTube oder bei der James Corden Show gehört, aber nicht live auf einem Konzert.
Gebannt hingen sie an unseren Lippen. Es herrschte nicht nur im Publikumsraum eine unglaubliche Atmosphäre, sondern auch auf der Bühne lockerte sich die Stimmung.

„Ich liebe es!“, hauchte Liam, nachdem der letzte Part des Liedes meine Lippen verlassen hatte. Ich nickte zustimmend, während wir dicht an dicht nebeneinander standen und zu den glücklichen Gesichtern sahen.

„Danke!“, rief Louis und dieses Mal war es ein echtes Lächeln, welches für wenige Sekunden sein Gesicht schmückte.
Noch eine Weile ließen wir diesen Moment ausklingen und standen regungslos da, während wir von Applaus und Rufen überschüttet wurden.
„Wie kann es sein, dass nach so vielen Konzerten jedes einzelne etwas so besonderes ist?“, fragte ich mich im Stillen, als wir die Bühne langsam verließen.

„Wow“, rief Aiden sofort, als wir die Tür geöffnet hatten, und fiel Harry um den Hals. „Das war unglaublich!“
Lachend fuhr sich Harry durch die verschwitzten Haare, ehe er ihm seine Arme umlegte und ihn liebevoll küsste.
„Die Beiden sind so verdammt süß“, rief ich, während meine Stimmlage ein paar Oktaven nach oben ging. Ich drehte mich zu Louis und Liam um, um von ihnen die Bestätigung zu bekommen, dass ich Recht hatte.
Doch Louis war wie vom Erdboden verschluckt und Liam hatte sich eine Wasserflasche geschnappt und sich damit auf dem Sofa niedergelassen.

„Es tut mir Leid, dass ich so doof reagiert habe“, hörte ich plötzlich Harrys Stimme hinter mir. Verwirrt wandte ich mich von Liam zu ihm. „Ich hätte nur erwartet, dass du uns Bescheid sagst, wenn du dich mit Zayn triffst“
„Sorry“, murmelte ich geknickt. Und fügte nach einer Weile hinzu: „Warum hast du mir nicht erzählt, dass Zayn auch von der Sache mit Louis weiß?“

Aiden löste seinen Blick von Harry und sah mich irritiert an.
„Welche Sache mit Louis?“, fragte nun auch Liam hinter uns.
Augenblick stieg mir die Röte in die Wangen. Scheiße.

Harry und ich tauschten hilfesuchende Blicke. Ich hatte nicht die Absicht gehabt Liam und Aiden in die Larry-Sache mit einzuweihen oder ein solches Missverständnis in die Welt zu setzen.
„Harry?“, fragte Aiden skeptisch und warf seinem Freund durchdringende Blicke zu.

„Es liegt schon Jahre zurück“, versuchte ich die Situation zu entschärfen. Schließlich war es allein meine Schuld.
„Was?“, forschte Liam nun nach und kam zu uns herüber gelaufen.
„Nichts“, winkte ich ab und warf Harry einen entschuldigenden Blick zu. Warum passierte es ausgerechnet immer mir, dass ich Dinge aussprach und erst hinterher über ihre Folgen nachdachte?
Liam und Aiden schienen mit dieser Aussage noch immer nicht zufrieden zu sein und löcherten uns weiterhin mit durchdringen Blicken.

„Es ist alles gut“, brach Harry schließlich die angespannte Stille und sah Aiden bittend an. Dieser nickte zögerlich und hauchte schließlich: „Ich vertraue dir“
Erleichtert atmete ich aus.
„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als das selbe zu tun“, murrte Liam beleidigt.
Er war von unserer Geheimnistuerei nicht gerade begeistert. Eigentlich hätte ich ihm auch liebend gerne die Wahrheit erzählt. Doch war es Harrys Entscheidung, wer über seine Vergangenheit Bescheid wissen durfte und wer nicht.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn es an die Öffentlichkeit geraten würde…

18. April 2019

Am Tag darauf fuhren wir weiter nach Berlin, da wir am Abend noch ein weiteres Konzert geben würden. So freute ich mich umso mehr auf die Pause, die wir anschließend bekamen. Einen knappen Monat hatten wir keine Auftritte mehr und konnten zu uns nach Hause zurück kehren.

So konnten wir Jeder die vergangen Wochen verdauen und ein wenig Abstand gewinnen.
Nicht, dass ich die Jungs nicht vermissen würde. Nur hatte ich das Gefühl, dass uns der Freiraum ganz gut tun wird. Seit unseren ersten Konzert in London war einiges passiert. Zu viel, um es in Mitten von Konzerten, Reisen und Stress verarbeiten zu können.

Die Pause kam uns gerade Recht. Harry würde mehr Zeit haben für seinen Freund, Louis konnte in aller Ruhe den Kontaktabbruch von Eleanor auf den Grund gehen. Und Liam… Liam schien es ebenfalls ziemlich nötig zu haben, wie ich noch vor dem Konzert herausfand.

Gerade als ich von den Toiletten kam und zurück zu den anderen in den Backstagebereich zurückkehren wollte, hörte ich plötzlich Liams laute Stimme aus einer der angelehnten Türen dringen: „Verdammt, ich weiß es doch auch nicht!“

Langsam blieb ich stehen und lehnte mich gegen die Tür, um noch besser mit hören zu können.
„Du trägst nicht allein die Verantwortung!“, wehte nun erneut seine Stimme zu mir herüber. Doch eine Antwort hörte ich nicht.
Leichtsinnig öffnete ich mit einem leichten Stoß die Tür und sah durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen in den Raum. Liam tigerte mit seinem Handy am Ohr hektisch hin und her und fuhr sich im Sekundentakt durch die Haare.

In mir kam ein ungutes Gefühl auf. Louis hatte Recht.
Er hing seit Wochen durch und starrte andauernd auf sein Handy. Egal wann man ihn sah, er hatte sein Smartphone bei sich und schrieb irgendwelche Nachrichten.
„Ich...“, fing er erneut an. Jedoch schien er unterbrochen worden zu sein, da er verstummte. Zögerlich trat ich einen weiteren Schritt in den Raum.
„Lass mich doch einmal ausreden! Ich möchte doch nur...“, schrie Liam noch lauter. Erschrocken zuckte ich zusammen.

„Verdammt!“, entfuhr es ihm nun, während er sein Handy in seiner Jackentasche verschwinden ließ und sich dem Fenster zu wandte.
Er vergrub seinen Kopf in den Händen und fuhr sich über die Schläfen. Es versetzte mir einen Stich ihn so zu sehen.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt