[78] Just two ghosts

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Ende Mai rückte immer näher und somit auch das Ende der Tourpause. Bald würden wir zurück in den Alltag eines Sängers finden und die Städte Kopenhagen, Oslo und Stockholm eine nach der anderen besuchen, um auch in diesen Ländern unsere Musik zurück zu bringen. Dass es stressig wurde, war zu erwarten. Und doch machte sich ein warmes Gefühl in mir breit.
Es war einfach schon zu lange her, dass wir das letzte Mal auf der Bühne gestanden hatten.

Obwohl seitdem gerade einmal vier Wochen vergangen waren, hatte sich seit Berlin so vieles verändert. Vieles zum Positiven, manches jedoch auch zum Negativen. So spielte wohl das Leben.
Und da mich Harrys erwarteter Anruf durch seine Verschwiegenheit keineswegs beruhigte, war ich umso erleichterter zu wissen ihn bald wieder persönlich zu sehen, um mit ihm in Ruhe darüber zu sprechen. Doch vorerst musste ich abwarten und Tee trinken. Na ja, sagen wir eher abwarten und Kaffee trinken.

1. Juni 2019

„Niall", quietschte eine laute Stimme in mein Ohr, als plötzlich Hailee hinter mir auftauchte. Sie schloss mich stürmisch in die Arme, während ihre Haare in meinem Gesicht kitzelten.
„Na?", fragte ich glücklich nach. Ehe ich mich versah, waren wir auch schon in einen langen Kuss vertieft, der unser Vermissen mehr als verdeutlichte. Und dieses war scheinbar noch größer, als ich gedacht hatte.

Dass wir mitten im Gang zum Backstagebereich der Konzerthalle in Kopenhagen standen, schien uns nicht im Geringsten zu stören. Ebenso wenig Louis, der sich bemüht an uns vorbei schieben wollte. Als Hailee und ich uns schließlich voneinander lösten, tauchte hinter ihm auch Eleanor auf.
Ich hatte nie geglaubt dieses Bild je in meinem Leben zu Gesicht zu bekommen, aber Eleanor Calder sah durch ihre Schwangeschaft tatsächlich dicklich aus. Das waren zwei Dinge die einfach nicht zusammen passten.

„Du siehst richtig...", Ich suchte nach den richtigen Worten, ehe auch Hailee sich neugierig zu ihr umdrehte.
„...Schwanger aus?", beendete Eleanor fragend den Satz und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Ich freue mich so für euch, Süße", rief Hailee nun ein paar Oktaven zu hoch und ein paar Zentimeter zu nah an mein Ohr.

Ich spürte, dass sie ein wenig aufgeregt war. Zwar kannte sie Eleanor aus ihrem Freundeskreis und war auch den anderen Jungs durch mich als Verbindung dieser Welten schon begegnet, doch konnte sie sich wohl denken, dass ich in letzter Zeit nicht ausschließlich Gutes über sie erzählt hatte.
Zumal es ein Unterschied machte, ob eine beste Freundin oder eine feste Freundin an der Seite von einen war. Komischerweise hatten die Menschen meistens an Pärchen viel mehr Interesse, als an einfachen Freunden. Freundschaft litt in dieser Welt echt an Vernachlässigung.

Während sich Eleanor und Hailee so fest in die Arme schlossen, als hätten sie gerade eine Schlacht hinter sich gebracht und diese mit Ach und Krach überlebt, wechselten Louis und ich belustigende Blicke aus.
„Es hat scheinbar auch ohne Briefchen funktioniert", meinte er plötzlich gedämpft in mein Ohr. Ich legte die Stirn in Falten und konnte mir im ersten Moment keinen Reim aus seinen Worten machen, dann jedoch viel es mir wieder ein. Seine Bemerkung mit dem Ja-Nein-Vielleicht-Brief war mir glatt entfallen. Ich gab ein Grummeln von mir, während Louis nur still in sich hinein lachte.

Nachdem unser Begrüßrungsprozess abgeschlossen war, liefen wir gemeinsam den Gang herunter und erreichten schon bald die schwarze Tür, hinter der sich Aiden, Harry und Liam aufhalten mussten. Ich versuchte Louis' Blicke aufzufangen, um ihm stumm zu fragen, was er alles von Harry wusste, doch bemerkte er es scheinbar nicht und trat unbeirrt in den Raum.
Kurz darauf sah ich auch schon die drei in der Mitte des Zimmers stehen und sich unterhalten. Wobei dieses Verb nicht unbedingt passend gewesen wäre. Vielmehr schien Liam die beiden zu zulabern, während sich Aiden und Harry Kilometer weit von hier wegbefanden. An welchen Orten ihre Gedanken auch immer zu sein schienen, es waren offensichtlich zwei verschiedene.

„Hey", sagte Louis da und ließ alle drei zusamenfahren.
„Hey", erwiderte Liam schnell und kam auf uns zu gelaufen. Sein Blick blieb ebenfalls an Eleanors Bauch hängen, wodurch Louis schützend seine Hände auf ihr Top legte. „Könnt ihr mal aufhören sie so anzustarrten, als wäre sie eine Außerirdische?"
Ich lachte auf, doch verstummte als ich Harrys Blick auffing. Scheinbar war er noch immer nicht auf dem Weg zur Besserung. Ob es die anderen nicht bemerkten oder es bewusst ignorierten, wusste ich nicht so genau, doch viel es mir schwer ihr Verhalten nachzuahmen.

Da uns noch kurz Zeit vor dem Soundcheck blieb, entstanden ein paar vereinzelnde Gespräche.
Mir entging allerdings nicht, dass sich Aiden etwas abseits an die Wand gelehnt und seine Kopfhörer in die Ohren gesteckt hatte.
Eine Schuhsohle an der Wand, die andere auf den Boden, sah er aus leeren Augen geradeaus. Erst zögerte ich, dann allerdings gab ich mir doch einen Ruck. Mit einen kurzen Seitenblick von Hailee machte ich mich auf den Weg zu Harrys Freund.

Erst als ich fast vor ihm stand, schien er mich zu bemerken. Schnell zog er seine Kopfhörer heraus und pausierte das Lied. Was sich bei einem flüchtigen Blick auf sein Handy als eins aus meinem Album herausstellte. Too much to ask. Ich wusste wohl mit am Besten, dass das in Hinsicht auf sein Gefühlsleben kein gutes Zeichen war.
Ich sah von meinem Gesicht auf dem Handybildschirm zu Aidens.
Kurz tauschten wir schmunzelnde Blicke aus, die auf den Song zurück zu führen waren, dann wurden wir gleich darauf ernst.

„Ist alles nicht so leicht, mhm?", fragte ich vorsichtig nach, da ich noch immer nicht ganz wusste, wie nah ich ihm treten durfte.
Er nickte leicht und sah kurz zu seinem Freund herüber. Mein Blick folgte seinem.
Kurz traf das leere Grün auf meine Augen, dann drehte Harry sich nervös auf der Unterlippe kauend wieder weg.
„Wenn du mal mit mir reden möchtest, lass es mich wissen", sagte ich schließlich an Aiden gewandt. Er nickte dankend. Ich erwiderte es. Dann umhüllte uns ein Schweigen.

Dieses wurde plötzlich von seinem unterdrückten Schluchzen unterbrochen. Tränen schimmerten in seinen Augen, während er abermals zaghaft zu Harry sah. Es schien als würde ihn dieses Bild mehr und mehr zerreißen.
Unsicher legte ich ihm den Arm um und strich über seinen Oberarm. Ich wünschte, dass ich ihm irgendwie hätte helfen können, doch wusste ich, dass das nicht der Fall war.
Geräuschvoll atmete Aiden aus. „Es hat sich so vieles verändert", sagte er leise und legte anschließend seinen Handrücken auf seinen Mund, um sich zu beruhigen.
Ich nickte, da ich nicht wusste, was die richtigen Worte gewesen wären.

„Ich weiß einfach nicht, ob ich..." Weiter kam Aiden jedoch nicht, da wir im nächsten Moment von unseren Manager unterbrochen wurden. Er rief Harry, Louis', Liams und meinen Namen und winkte uns zu sich.
Entschuldigend schenkte ich Aiden einen letzten Blick. Ich hatte ihn noch nie zuvor derart traurig gesehen. Sonst hatte er immer so eine Ruhe ausgestrahlt. Nun allerdings schien er von Schwermut und dunklen Gedanken eingehüllt zu sein. Dieses neue Bild gefiel mir ganz und gar nicht.

Nur hatte ich keine andere Wahl, als den Anweisungen nachzugehen und ihn einfach alleine stehen zu lassen.
„Niall", sagte Aiden gerade bevor ich die anderen erreicht hatte. Fragend drehte ich mich noch einmal zu ihm um.
„Ich freue mich für dich" Er nickte herüber zu Hailee, die noch immer in ein Gespräch mit Eleanor vertieft war, indem es mit großer Wahrscheinlichkeit um die Gründe für Eleanors dicken Bauch ging. Ich lächelte meine Freundin an, dann schenkte ich diesen Ausdruck erneut Aiden.
„Danke", antwortete ich fast tonlos und setzte meinen Weg fort.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt