[79] I'm (not) scared of the dark

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Der laute Geräuschpegel stieg immer weiter an, während wir nacheinander auf die Bühne traten und das schreiende Meer aus Gesichtern mit einem Lächeln entgegennahmen.
Der Gedanke, dass Hailee nach so langer Zeit mal wieder auf ein Konzert von uns war, begleitete mich auf Schritt und Tritt und ließ eine positive Nervosität in mir auf kommen.

„Wie geht es euch, Dänemark?", rief Louis motiviert in die Runde. Seine Stimme hallte an den hohen Wänden wider und erreichte so die dutzenden Menschen unter uns, die als Antwort nur noch lauter schrien.
Wieder machte sich ein warmes Gefühl in meinem Körper breit. Nach Irland war die Bühne mein nächstes Zuhause. Ein Zuhause, in dem ich mich immer willkommen fühlte, ich ich selbst sein konnte und immer das tat, was mein Herz höher schlagen ließ: Singen.

Doch leider schien es auch auf der Bühne den Boden der Tatsachen zu geben, ganz davon abgesehen wie schwerelos man sich hier oben fühlte. Ganz egal, wie schön es auch sein mochte. Ganz egal, wie oft man seine Sorgen im Backstagebereich ließ.
Liam schien es zuerst bemerkt zu haben, denn die Freude wich augenblicklich aus seinem Gesicht, während sich seine Hände zu Fäusten ballten.

Ich versuchte die Richtung auszumachen, welche ihm zu diesem Sinneswandel gebracht hatte.
Tatsächlich musste ich nicht lange suchen, um die Ursache zu finden. Diese war quadratisch, beschrieben und wurde von zwei Mädchen getragen, welche ich im schwachen Licht kaum ausmachen konnte. Dafür aber den Schriftzug, der auf dem Plakat zu sehen war: Aiden verpiss dich!

Wieder spürte ich die ungezügelte Wut in mir aufkommen, während ich gleichzeitig Aiden vor mir sah mit seinem schwermütigen Ausdruck auf dem Gesicht.
Am liebsten hätte ich irgendetwas getan, doch war man hier oben völlig machtlos.
Vorsichtig sah ich zu Harry. Natürlich war das Plakat ihm nicht entgangen. Allein der Name von einem wichtigen Menschen konnte eine anziehende Kraft haben und den Blick direkt auf sich lenken.
Ob es diese Kraft gewesen war, geschweige denn ob ich sie nicht gerade erst erfunden hatte, war egal. Es zählte nur die Tatsache, dass Harry einen weiteren Schlag ins Gesicht abbekommen hatte.

Sein Blick war weiterhin seriös und völlig neutral, doch spürte ich, wie sich etwas in ihm aufstaute.
Dieses etwas begann er nun in den ersten Song Drag me down zu verpacken. „I've got fire for a heart, I'm not scared of the dark, You've never seen it look so easy"
Im Gegensatz zu seinem Ausdruck waren seine Worte ungezügelt. In ihnen klang so viel Wut und Trauer mit, dass es schien, als würde jeder in der Halle die Luft anhalten.

Diese Welle an Gefühlen in seiner Stimme überschwemmte erneut die Halle, als wir schließlich beim Refrain angelangt waren. Selbstbewusster denn je stand er vorne am Bühnenrand und sang bestimmt: „All these lights, they can't blind me. With your love nobody can drag us down"
Dass er dem Ende zu dem Text nicht vollständig treu geblieben war, ließ ein anerkennedes Lächeln auf meinen Lippen erscheinen. Musik machte Harry immer wieder stark.
Da trat auch Louis vor und funkelte die Plakatträger in den ersten Reihen vielsagend an: „Nobody, nobody"
Ich nickte meinen Kumpels zustimmend zu und trat ebenfalls einen Schritt vor, das Mikrofon in den Händen.

Dieses Konzert war anders als die anderen. Ob es daran lag, dass es so lange her war, dass wir das letzte Mal auf einer Bühne gestanden hatten oder doch unser Privatleben daran Schuld war, konnte ich mir nicht erschließen. Immer wieder dachte ich an Hailee, die in dieser Sekunde unsere Stimmen live hören konnte, die hier bei mir war und auch noch den Weg nach Norwegen mit uns einschlagen würde, da sie erst einmal vom Geschäftlichen erlöst war.

Immer wieder wurde ich von Harrys stillen Gedanken zurück geholt, die noch viel größer waren, als er es zugeben wollte. Dann gab es da noch Louis, der immer wieder zu Harry herüber sah und ihm Dinge zu flüsterte.
Und zu guter Letzt Liam, dessen Gesicht zwar von einer Besorgnis geziert war, aber der erholter und gesünder aussah, als in den vergangenen Wochen. Alle diese Eindrücke erschwerten mir das konzentrierte Singen, aber zumindest erwies sich mein Unterbewusst als gute Stützte und kannte die Texte und die Einsätze auch ohne meine volle Aufmerksamkeit.

Als sich das Konzert dem Ende zu neigte, wusste ich nicht, ob es mir lang oder kurz vorgekommen war. Ich hatte jegliche Orientierung verloren.
Wir alle schienen etwas neben der Spur zu sein, als wir in den Backstage traten. Kurze Zeit später kamen auch Hailee, Eleanor und Aiden durch die Tür zu uns herüber gelaufen.
„Harry", hörte ich Aidens Stimme. Ich drehte mich um und sah wie der Angesprochene seine Wasserflasche abstellte, ehe sein Freund mit Nachdruck hinzufügte:„Können wir kurz reden?"
Harry zögerte, das spürte ich.

Bevor ich die beiden weiter beobachten konnte, versperrte mir auf einmal Hailee unbewusst die Sicht.
„Ach Mensch, das letzte Mal das ich dich live auf der Bühne gesehen habe, war auf deiner Flickertour", meinte sie da und strahlte. „Du weißt gar nicht, wie ich damals bei Flicker geheult habe"
Einen Moment schien sie in ihren Gedanken weit weg zu sein, dann holte ich sie wieder ins Hier und Jetzt: „Ich höre dir gerne später weiter zu, wie ich dich zum Heulen bringe, aber ich müsste mal kurz weg"

Hailee sah mich fragend an. Ich nickte Richtung Aiden und Harry, die das Zimmer verließen.
Etwas irritiert nickte sie und blieb bei den anderen stehen, während ich nun den Raum verließ und mir vornahm die Sache endlich zu besprechen.
Doch als ich nach draußen trat, war der Gang vollkommen ausgestorben. Es brauchte einige Zeit, ehe ich zwei Zimmer weiter Aidens Stimme vernahm: „Es bringt nichts das alles einfach zu ignorieren, Harry!"

Langsam kam ich ein paar Schritte näher und blieb schließlich vor den Türspalt stehen. Die beiden standen sich gegenüber in dem kleinen Zimmer, beide die Arme vor der Brust verschränkt.
Eigentlich wusste ich, dass das der Zeitpunkt war, an dem ich gehen sollte. An dem ich die beiden das in Ruhe klären lassen sollte, doch konnte ich meine Beine nicht zum Zurückgehen zwingen.

„Was soll ich denn tun?", fragte Harry in den Moment verzweifelt nach, als plötzlich die anderen vier aus dem Raum kamen und mit fragender Mimik auf mich zu liefen.
„Was ist los, Niall?", fragte Louis alarmiert nach. Schnelles Schrittes kam er näher und folgte schließlich meinen Blick. Aiden und Harry waren so mit ihren Gespräch beschäftigt, dass sie uns nicht bemerkten.

„Du hast keine Ahnung, wie das ist", rief Aiden auf einmal. Ich hatte seine warme Stimme noch nie so kalt gehört. „Du weißt gar nicht, was du für ein Glück mit Anne hast!"
„Ich weiß...", hauchte Harry leise und fuhr sich durch die Haare.
Langsam drehte ich mich zu den anderen um. Wir beschwerten uns immer über Stalker, dabei waren wir selbst auch nicht viel besser.

Eleanor verdeutlichte Louis und mir stumm endlich von der Tür wegzukommen. Sie formte ein „Louis" mit den Lippen und winkte ihn zu sich.
„Mein ganzes Leben wurde ich dafür verurteilt wer ich bin und wurde beschimpft. Und jetzt, wo ich dachte endlich angekommen zu sein, fängt es wieder an. Ich habe verdammt Angst!" Aidens Stimme begann zu zittern.

„Das... das brauchst du nicht. Ich kann dir einen Bodyguard besorgen und wir gehen nur noch getrennt raus. Aber ist es denn zu viel verlangt dich nach einem Jahr mal nicht nur hinter zu gezogenen Fenstern treffen zu wollen?"
Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Harrys Worte verdeutlichten so vieles, das ich zwar wusste, doch durch die Tatsache des Aussprechens noch einmal eine ganze andere Bedeutung bekam.
Ich drehte mich erneut um. Hailee sah nun ebenfalls ziemlich mit genommen aus und wusste offenbar nicht so recht, was sie tun sollte.

Bevor ich mich dazu entscheiden konnte auf sie zu kommen, zog Aiden erneut seine Aufmerksamkeit auf sich: „Nenn mich feige, aber ich komme mit deinem Leben einfach nicht klar. Am liebsten würde ich dich mit zu mir nach Amerika nehmen und mein Leben mit dir teilen. Aber diese Möglichkeit wird es nie wieder geben"
„Es tut mir so leid" Harrys Stimme begann zu brechen.

„Ich kann das nicht..." Kurz herrsche Stille, dann fügte Aiden hinzu: „Unsere Leben haben noch nie zusammen gepasst. Ich meine, ich verstehe ja noch nicht einmal, weshalb du dich überhaupt auf Jemanden wie mich eingelassen hast. Ich kann dir nichts bieten"

„Aiden! Höre verdammt noch mal auf so über dich zu sprechen"
Abermals folgte ein Schweigen, welches in meinen Ohren rauschte.
Dann völlig unvorbereitet folgten Aidens leise Worte, die das dunkle Gefühl in mir aufkommen ließen, dass die beiden uns noch viel mehr verschwiegen, als ich befürchtet hatte: „Ich glaube es ist besser, wenn ich zurück fliege. Ich schaffe es nicht noch einmal das durchzustehen, was ich damals erlebt habe"

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