[73] Come on let me change your ticket home

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Gedankenverloren lief ich den Gang hinunter und hielt an dessen Ende inne, um einen Blick zu unserem Tisch zu werfen.
Hailee war ebenfalls in sich gekehrt und hatte den Blick zu dem Fenster gerichtet, unter welchen die Lichter Londons aufleuchteten.
Völlig eingenommen von diesem Anblick, blieb ich eine Weile regungslos stehen.

Erst in diesem Moment schien ich zu realisieren, dass ich zusammen mit der Frau hier war, mit der ich so vieles durchstehen musste. Alles hatte sich verändert. Der Abend in der Bar kam mir noch länger her vor, als je zuvor. Geschweige denn unser Treffen in Dezember bei Louis, bei welchen noch alles anders gewesen war. Die Monate zogen an mir vorbei, als wäre ich in einer Zeitreise verwickelt worden. Die Bar, das Gespräch mit Greg, Louis' und mein Streit, die LGBT-Veranstaltung, das Grillen, all das prasselte auf mich ein und hinterließ eine Gänsehaut auf meinen Armen, als würde ich nach einem langen Winter im Sommerregen stehen.

Langsam kam ich zu ihr herübergelaufen. „Bin wieder da"
Ich schaltete mein Handy aus, hoffte, dass ich dies nicht bereuen musste, und ließ mich erneut gegenüber von Hailee an dem Tisch nieder.
Sie zuckte kurz zusammen, doch musste dann augenblicklich lächeln.
„Wer war das?", hakte sie nach und wandte sich von dem Fenster ab.
„Louis", erklärte ich schnell und fügte als Erklärung hinzu: „Harry meldet sich irgendwie nicht mehr. Aber das ist eigentlich nichts ungewöhnliches"

Hailee nickte, doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, stand auf einmal ein Kellner vor uns. Er hatte ein ähnliches Outfit wie der Mann zuvor, nur das er nun ein kleines Gerät bei sich hatte, um unsere Bestellung aufzunehmen.
„Haben Sie sich schon entschieden?", fragte er nun höflich und sah von Hailee zu mir.
Ich nickte und öffnete gleich darauf den Mund: „Nummer 36 bitte" Mit einem vielsagenden Blick in Hailees Richtung fügte ich hinzu: „Ein Teller für uns beide"

Sie sah mich skeptisch an und richtete ihr Misstrauen schließlich an die Speisekarte. Ich unterdrückte ein Auflachen, als sie zu begreifen schien, dass ich den Witz mit dem Hummer tatsächlich umgesetzt hatte.
Als erfahrende Schauspielerin ließ sie sich wenig davon anmerken. Dennoch war ich mir sicher, dass ich meine Standpauke bekommen würde, wenn der Kellner erst einmal außer Hörweite war.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie belustigt an.

„Und dazu eine Cola", meinte Hailee da und erwiderte kopfschüttelnd meinen Blick. „Zwei", fügte ich hinzu, ehe der Mann uns freundlich zu nickte.
„Vielen Dank" Hailee erwiderte das Lächeln des Kellerns, ehe er verschwand und sie sich mit einem entsetzten Gesichtsausdruck an mich wandte.

„Ich schaffe doch keinen halben Hummer! Außerdem sehen die total gruselig aus", sprudelte es aus ihr heraus, während ich sie im Stuhl zurückgelehnt amüsiert beobachtete. „Ich beschütze dich schon"
Lachend rieb ich mir über die Augen. Es dauerte nur geschlagene Sekunden, da prustete sie auf einmal ebenfalls los.
Dies hatte zur Folge, dass wir von der Frau und dem Mann abermals kopfschüttelnd gemustert wurden. Mit dem Unterschied, dass wir nun auch von zwei weiteren Tischen die Aufmerksamkeit auf uns gelenkt hatten.

„Manchmal muss man wohl etwas Neues wagen", hörte ich ihre Worte schließlich aus dem Lachen heraus, während sie mir in die Augen sah. So tief, dass ich einen Moment vollkommen vergaß weiter zu lachen oder zu denken oder zu atmen.

Auch ihr Lachen war verklungen. Ich konnte nicht sagen, wie lange wir einfach so dasaßen und nichts sagten. Ganz automatisch beugte ich mich leicht nach vorne und näherte mich mit meiner Hand ihrer, die auf der Tischdecke lag. Erst jetzt fiel mir ihr roter Nagellack auf, den sie anscheinend passend zum Kleid aufgetragen hatte.
Eine Wärme breitete sich an der Stelle in meinen Körper aus, an der sich ihr Handrücken und meine Handfläche berührten.
Wenn mich jetzt die Jungs sehen würden, würden sie mein Liebesleben endlich nicht mehr als Tragödie beschreiben.

Einige Zeit verging, dann zog ich meine Hand schlagartig zurück und räusperte mich leise.
„Ähm..", murmelte ich etwas verlegen und wusste selbst nicht, woher die plötzliche Unsicherheit gekommen war.
Vielleicht war es einfach noch ungewohnt plötzlich hier mit ihr auf einem Date zu sein. Ich kannte bisher nur Freundschaft und die Nacht, welche uns wohl immer verbinden würde. In der wir kaum gesprochen hatten, in der alles plötzlich selbstverständlich geworden war, in der wir uns einfach leiten lassen und unsere Köpfe augeschlatet hatten.
Nun hier mit ihr zu sitzen und Händchen zu halten war irgendwie seltsam und ungewohnt.
Es war nicht das eine und nicht das andere. Es war irgendetwas dazwischen. Etwas, das ich mir immer gewünscht hatte und mir doch noch immer Angst machte.

Nun zog auch Hailee ihre Hand ein Stück zurück und starrte auf ihren Handrücken. Wieder besuchte uns ein Schweigen und verweilte für einige Zeit in unserer Mitte.
Ich hatte schon die Befürchtung gehabt, dass es nicht nicht kompliziert werden würde. Schließlich brach ich die Stille und versuchte die lockere Atmosphäre wieder aufzubauen: „Es war eine dumme Idee ausgerechnet hier herzukommen, oder?"
Ich brachte ein Grinsen zustande und sah sie erwartungsvoll an.

„Na ja, ich sage es mal so: Die Leute halten uns für verrückt und du wirst gleich vollkommen überfordert mit dem ganzen Besteck sein", antworte sie, während sich auch ihr Grinsen zurück auf ihre Lippen schlich.
„Hey!", rief ich beleidigt und sah hinunter zu den Gabeln, Löffeln und Messern, die bereits auf mich warteten. „Es ist ja nicht so, dass ich öfter Essen und in Restaurants gehe"
„Ja ja", entgegnete Hailee bloß und konnte es anscheinend kaum erwarten mir beim Scheitern zuzusehen. Ihr würde ich es schon noch zeigen.

Gleich darauf kamen unsere Getränke und wenig später auch unser Essen. Es war ein riesiger Teller mit einem großen, rötlichen Tier. Es ware mit Zitronenscheiben dekoriert und sah leckerer aus, als ich erwartet hatte. Bis auf die Augen und die Scheren, die wie Hailee gesagt hatte, tatsächlich ein wenig gruselig aussahen.
„Oh man", meinte Hailee auf einmal und rührte das Essen weiterhin nicht an. „Wie sollen wir das schaffen?"

„Mhm", murmelte ich, während ich mich auf das Besteck konzentrierte. Jetzt durfte ich keinen falschen Zug machen, ansonsten würde ich womöglich lebenslang damit aufgezogen werden.
Warum zum Teufel benutzten Menschen auch so viel Verschiedenes zum Essen? Und warum hatte ich mir mit der Zeit nicht einfach gemerkt, wie es lief? Ich hatte schließlich vor etlicher Zeiten ein Seminar gehabt und immer hin kam es gar nicht so selten vor, dass ich mit meiner Familie, Bekannten oder Freunden essen ging. Trotz allem war ich durch Hailees Blicke so nervös, dass ich mir augenblicklich wie ein Kleinkind vorkam.

Irgendwann schaffte ich es doch noch mit ein bisschen Geschick den Hummer seine Scheren zu entfernen und das Fleisch mit Hilfe des Messers herauszuholen. „Hier" Ich reichte Hailee ein Stück.
Widerwillig verzog sie ihr Gesicht, was unglaublich süß aussah. Doch dann steckte sie sich die Gabel schließlich doch noch in den Mund, um zu probieren.

„Nicht so schlimm wie ich dachte", meinte sie nur und begann stumm die Kartoffeln zu essen.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Stimmung immer weiter kippte. Vermutlich war die Idee mit dem Resturant einfach nur bescheuert gewesen. Hier gab es noch nicht einmal Pizza oder Pommes ohne irgendwelche Delikatessen.
Zumal ich Bedenken hatte, dass Hailee und ich uns gleichermaßen unwohl fühlten, zwischen den ganzen Leuten, die uns ansahen, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank.

Nachdem ich einige Zeit mit dem Hummer und meinen Gedanken gekämpft hatte und von den Kartoffeln kaum etwas übrig geblieben war, ließ ich plötzlich Messer und Gabel fallen, sodass sie geräuschvoll auf den Teller fielen. Das war dem älteren Paar anscheint zu viel.

„Können Sie bitte ihre Lautstärke etwas reduzieren. Den ganzen Abend schon müssen wir das ertragen", rief der Mann mit den krausen Haar, während seine Frau ihm mit einem bekräftigenden Nicken zu stimmte.
„Keine Sorge, wir werden Sie nicht länger belästigen", entgegnete ich schroffer als geplant und trank den letzten Schluck Cola aus.

„Hast du Lust auf Pizza?", fragte ich an Hailee gewandt, die mich verwirrt ansah und scheinbar nicht mehr hinterherkam.
„Sei ehrlich, du bist total gelangweilt von diesem Date, hast Hunger und bist langsam aber sicher genervt von mir und dieser Situation", sprach ich die Tatsachen aus. Statt zu antworten, sah sie mich nur verlegen an. Eine ausgesprochene Bestätigung war nicht mehr nötig.

Ich erhob mich, rückte den Stuhl zurecht und wartete darauf, dass sie es mir gleich tat. Und das tat sie. Endlich konnte ich Vorfreude in ihren Augen aufblitzen sehen. Ohne länger darüber nachzudenken, griff ich nach ihrer Hand, lief zu Treppe und rannte mit ihr die Stufen herunter. Wir waren wohl der Blickpunkt aller, doch das war mir gleich.
Ich wollte einfach nur zahlen, nach Hause, Pizza bestellen und meine Jogginghose anziehen.
Hier war es ja nicht mehr auszuhalten.

Comeback (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt