Kapitel 5 - Ezra

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Die beiden Magier, die sie verfolgt hatten waren noch Anfänger, dass konnte sie schon auf den ersten Blick erkennen. Zuerst hatte sie gedacht, die beiden würden sie nicht einmal bemerken, doch dann hatte der Junge sie doch entdeckt. Offenbar hatte er gute Augen und Ohren obwohl sie deutlich sehen konnte, dass das Mädchen die Begabtere der beiden war.

Die beiden passierten den kleinen Torbogen und Ezra entspannte sich. Vorsichtig, damit sie nicht von dem Ast fiel, auf den sie geflüchtet war, hielt sie sich am Baumstamm ein und ließ ihre Beine herunterbaumeln. Nachdenklich betrachtete die Beiden wie sie aus ihrer Sicht verschwanden und ein schmales Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. So gute Augen und doch hatten sie nicht daran gedacht nach oben zu blicken.

Seufzend lehnte sie sich gegen den Baum und richtete ihren Blick auf den Marmorbau in der Ferne, dann sprang sie mit einem einzigen Satz gekonnt von der Trauerweide und landete im weichen Gras. Sie hatte keine Angst vor den Personen, die ihr hier begegnen konnten, zumindest vor den meisten.

Sie war auch nur vor den beiden weggerannt, da sie dachte Michael gesehen zu haben. Dieser Junge sah dem Mann mit seinen verfilzten schwarzen Haaren wirklich erstaunlich ähnlich und wenn Michael sie gesehen hätte, wäre sicherlich auch Gabriel Travail bald erschienen und diesem wollte sie keinesfalls begegnen. Doch sie hätte schon auf die Entfernung erahnen können, dass es nicht Michael war. Der Junge trug die einheitliche Travailkleidung, genauso wie die zahllosen Magier in Nivie, die für sie schon immer zu einer namenlosen Masse verschwommen waren.

Früher hatte sie keine Angst vor den Travail gehabt, doch seit ihrer letzten Begegnung war sie nicht mehr auf seinem Grundstück erschienen und wollte eine Begegnung um jeden Preis meiden. Außerdem hatte sie sich schließlich vorgenommen sich in die Angelegenheiten der Häuser nicht mehr einzumischen. Vor allem jetzt nicht ...

Sie wusste, dass sie ihrem alten Leben und vor allem ihrer Familie nicht für immer fliehen konnte, doch vorerst erschien es ihr am besten, wenn sie sich abseits von ihnen bewegte und ihnen aus dem Weg ging.

Es war eine schlechte Idee hierher zu kommen, zischte die vernünftige Stimme in ihrem Kopf, die schon von Anfang an dagegen gewesen war ins Anwesen der Travail einzudringen. Am besten sollte sie jetzt gehen.

Langsam drehte sie sich noch einmal um und blickte die große Trauerweide hinauf. Sie verstand warum ihre Beine sie hierhergetragen hatten, dies war stets ein Ort der Zuflucht für sie gewesen. Eine Heimat; mehr als die Stadt in der sie aufgewachsen war. Und die Tatsache, dass nichts mehr war wie in den schönen Stunden, die sie hier verbracht hatte, schmerzte. Allein, dass sie wieder hier war, trieb ihr beinahe die Tränen in die Augen und fühlte sich an, als würde man ihr Dolche ins Herz bohren. Oder ein langes Schwert.

Ezra schluckte einmal um den Kloß in ihrem Hals zu verdrängen, dann ging sie in Richtung Ausgang davon. Die Nachtluft brachte eine klare Kälte mit sich, die den ganzen Tag über in der Sonne ausgeblieben war. Während sie im vorbeigehen die zahllosen Pflanzen am Wegrand betrachtete, die im Schatten, in dem sie sich bewegte zu einem dunklen Feld verschwammen, dachte sie daran, wie feucht die Luft im Vergleich zu, der im Süden war.

Als sie den Ausgang erreichte, stellte sie erleichtert fest, dass weit und breit niemand zu sehen war, so konnte sie ungestört an der Außenwand entlang zum Eingang sparzieren, ohne entdeckt zu werden. Das Haus war zu weit entfernt, um sie zu identifizieren, auf die Entfernung konnte ein jemand, selbst wenn er sie trotz der eingebrochenen Dunkelheit sah, nicht ausmachen, ob sie nicht doch eine der Angestellten war. Wenn man sie überhaupt ausmachen konnte.

Beim Tor blieb sie noch einmal stehen und sah sich einmal ausgiebig um; betrachtete das Anwesen, das sich vor ihr wie ein Kunstwerk, sauber und gepflegt, erstreckte. Sie blickte über den gewundenen Weg hinauf zum Haus und dachte daran, warum sie ursprünglich hergekommen war.

Alle Travail waren ihr egal. Sie schätzte Gabriel nicht, ihrer Meinung nach war er eingebildet und arrogant, genauso wie seine Frau. Nur dass der Leiter des Hauses zudem noch eine erschreckende Ähnlichkeit mit ihrem Vater aufwies.

Und dann war da noch sein Sohn. Die Person, die sie sehen wollte war die einzige der sich bei ihrem Anblick wohl nicht die Haare aufstellen würden. Doch sie hatte keine Gelegenheit gehabt Jamie auf sich aufmerksam zu machen. Sie hatte gedacht ihn laufen zu sehen. Weg von ihrem sicheren Versteck. Ob er die Höhle heute besucht hatte?

Trotzdem hatte sie ihn verpasst. Und er war nicht zurückgekommen ...

Ihre Gendanken wanderten zu dem versteckten Eingang im hinteren Teil des Gartens und ihre Unzufriedenheit wuchs noch weiter. Sie hätte die Höhle vielleicht überprüfen sollen. Doch nun war es zu spät. Genauso wie es zu spät war zu ihrer Familie zurückzukehren. Vielleicht war es besser so wie es jetzt war.

Als in einem der Fenster ein Licht erschien drehte sie sich weg und kletterte über das Tor, die Schutzzauber ignorierend, die die Familie um ihr Anwesen gewirkt hatten, denn es hatte schon vor langer Zeit jemand dafür gesorgt, dass sie jederzeit herkommen konnte wann sie wollte, doch das wussten Gabriel und seine Lakaien natürlich nicht. Und wenn es nach ihr ging würden sie es nie erfahren.

Einen letzten Blick auf das Gebäude in der Ferne gerichtet ging sie ein paar Schritte rückwärts den Berg hinab. Sie würde nicht wieder zurückkommen. Es war töricht gewesen; töricht, dumm und vor allem unnötig. Sie brachte sich damit nur in Gefahr. Genauso wie Jamie. Ein bitteres Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, dann verschwand das Mädchen in der Nacht.


Nächstes Update kommt Mittwoch, den 29.08.2018

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