Wieder in seinem Zuhause wieder aufzuwachen schien ihm beinahe befremdlich. So lange war er weg gewesen. So viel hatte er gesehen, dass er dachte, es wäre unmöglich, dass er alles vergessen und einfach zurückgehen konnte. Und doch war er wieder dort. Und beinahe alles schien wie zuvor. Beinahe.
Einerseits schien es seltsam, dass Ezra bei ihnen war. Als er es ihr angeboten hatte, hatte er größtenteils aus Mitleid gehandelt, immerhin konnte sie, wie sie selbst sagte, nicht nach Hause und er konnte sie verstehen.
Andererseits war er jedoch froh darüber, dass sie da war. Auch wenn bei ihr und Lucie zwei Welten aufeinanderprallten, die er nie gedacht hatte in diesem Haus zusammengepfercht zu sehen, brachte die Trägerin Abwechslung in ihren sonst schnell zurückkehrenden Alltag.
Auch wenn sein Vater am nächsten Tag immer noch nicht kam, verbrachten die drei die Zeit meist gemeinsam im Gastraum wo der Besuch ausblieb. Offenbar hatte seine Schwester auch in den letzten Tagen, da sie allein war niemanden mehr eingelassen.
Schnell bemerkte Alexei, dass Lucie weitere Antworten wollte und er wollte sie ihr geben, nur wusste er nicht wie. Jedes Mal, wenn er in ihre Augen sah konnte er ihre Fragen ablesen, doch was sollte er sagen? Wie enttäuscht er war? Wie wütend er war? Wenn er sich es eingestand war er nicht wütend. Er war traurig. Und er wollte nie wieder daran denken.
Und dies wollte er seiner Schwester ersparen. Diese jedoch schien nicht seine Intention zu verstehen, sondern zu denken, dass es allein Ezras schuld war, weshalb sie jedes Mal wenn sich die Gelegenheit ergab versuchte die Trägerin aus dem Raum zu werfen.
So auch am späten Nachmittag, als die drei gemeinsam an einem der Tische saßen und der Trägerin erklärten, wie man Karten spielte.
„Möchtest du nicht noch weitere holen?", fragte sie die Trägerin, als sie feststellten, dass sie nicht genug Spielkarten hatten.
Alexei warf seiner Schwester einen bösen Blick zu. „Ezra kann gar nicht wissen wo noch welche sind", entkräftete er ihre Aussage und Lucie erwiderte seinen Blick.
„Dann gehe eben ich", schnappe sie bissig, stand auf und schlug die Tür hart hinter sich zu.
Alexei nahm den Stapel vor sich und begann sie zu mischen. „Eigentlich witzig, dass du die Spiele nicht kennst", versuchte er die unangenehme Stille zu überbrücken. „Was machst du in deiner Freizeit?"
Ezra blickte kurz zu ihm. Es war wieder dieser resignierte Blick, den er nicht ganz deuten konnte. Die Trägerin zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht, aber in Nivie sind Glücksspiele selten."
Der Junge hielt kurz inne. „Was macht ihr dann?", fragte Alexei weiter und lächelte.
„Aber ich denke nicht, dass man mein Zuhause mit einem solchen Ort vergleichen kann", erklärte die Trägerin weiter und machte eine ausladende Geste. „Versteh das aber bitte nicht falsch", fügte sie noch hinzu.
Während er weiter den Stapel mischte beobachtete er sie für einen Moment bevor er weitersprach. Ihr Blick war auf die Tischplatte gerichtet, trotzdem saß sie da wie ein Streichholz. Wenn Lucie neben ihr saß erschien es dem Jungen als stamme die Trägerin aus einer ganz anderen Welt. Was sie wahrscheinlich auch tat, schoss es ihm durch den Kopf.
„Was macht ihr wenn euch langweilig ist?"
Sie zuckte mit den Achseln. „Meistens kämpfen wir. Nicht um wichtiges, es gibt in Nivie immer wieder Turniere bei denen sich aufstrebende Magier beweisen können", fügte sie auf seinen Fragenden Blick noch hinzu. „Ich war meistens in der Bibliothek oder draußen in Nivie in den Katakomben unterwegs", erklärte sie achselzuckend. „Alles, was nichts mit meinem Vater zu tun hat." Sie hielt kurz inne und biss sich auf die Lippe. „Auch wenn es ihm nie gefallen hat wenn ich das Haus verlassen habe."
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Zwischen Licht und Schatten
FantasyDie Welt ist gespalten zwischen vier Namen, vier Familien: Vertere, Travail, Prevoir und Pensee. Vier Familien, die das Land unter sich aufteilen und die Macht für sich beanspruchen. Weit davon entfernt wächst Alexei mit seiner Familie in einem kle...