Nach einer Weile drehte er sich wieder um. Angestrengt versuchte er sie in der Ferne ein letztes Mal auszumachen, irgendwo musste sie noch zu sehen sein, doch sein Versuch blieb vergebens. Er wollte nicht, dass sich ihre Wege trennten, denn Amaria war ihm während ihrer gemeinsamen Zeit immer mehr ans Herz gewachsen, sie hatte ihm mehr geholfen, als sie ahnen konnte.
Anfangs hatte er sich gescheut, stets an die Worte seiner Mutter erinnert, dass er auf sich aufpassen sollte und sich nicht von anderen ausnutzen lassen sollte. Einerseits hatte er ihre Vorsicht stets verstanden, denn auch den Fluch, der ihr letztendlich ihr Leben kostete, hatte sie ihrer Mitgliedschaft bei den Travail zu verdanken.
Und doch war das Haus die einzige Bestimmung, die er finden konnte, so hatte er in der Zeit nach dem Ableben seiner Mutter stets nach einer neuen Berufung gesucht, doch nichts schien zu ihm zu passen, also zog er von Heim zu Heim, von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf.
Jedoch blieb er bei niemandem lange, denn er fühlte stets, dass er sein Zuhause verloren hatte. Sein Frohsinn und all seine Hoffnungen waren eben dem Moment aus seinem Leben verschwunden, da er das Packet mit eben dem Buch erhielt, das nun sicher verstaut in seiner Tasche lag. Sie wurden begraben, an eben dem kalten Wintertag, den er nie vergessen würde.
Er hatte es nicht übers Herz gebracht ihr das Buch seiner Mutter zu geben, es schien ihm einfach falsch zu sein, doch auch wollte er nicht, dass es ein Abschied für immer war, denn während seiner Zeit allein hatte er zunehmend vergessen was es hieß auf jemanden vertrauen zu können und jemanden zu haben, der einem zuhörte.
Obwohl er allein war sah er sich einmal kurz um und atmete tief ein. Er hatte sich bis zuletzt noch überlegt, ob er sie nicht begleiten sollte, doch ihr Vorschlag war halbherzig gewesen und er wollte nicht einen neuen Versuch starten sich verzweifelt in ein fremdes Umfeld einzuleben, gleichzeitig jedoch wusste er, dass er nicht willkommen war und er bezweifelte, dass er in einem kleinen Dorf im Wald, das zugegebenermaßen abgelegen war, einen Platz finden würde.
Zudem schienen doch diese Menschen die einzigen zu sein, die die Magie noch scheuten. Lange hatte er mit dem Gedanken gespielt ihr eben das zu sagen, doch sicher wäre es ihr erschienen als wollte er sie dazu bringen ihn zu begleiten und eben das wollte er nicht damit erreichen.
Immerhin hatten sie es ihm zu verdanken, dass sie verbannt wurden, Amaria wäre allein gar nicht auf die Idee gekommen nachts nach geheimen Höhlen zu suchen, denn obwohl er sie als mindestens genauso neugierig einschätzte wie ihn selbst, hatte sie nicht seinen Hang die Regeln zu missachten.
Aber vielleicht war es ja gar nicht so schlecht für sie, schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht war das Leben dort nichts für sie.
Kopfschüttelnd nahm er seine Tasche und warf sie kurzerhand über seine andere Schulter. Nein, das stimmte nicht, immerhin war er es gewesen der sich stets über die Arbeit beschwert hatte. Doch die leise Stimme in seinem Kopf verstummte nicht und er realisierte, dass es vielleicht doch mehr der Wahrheit entsprach, als er erstmals dachte. Immer wieder hatte sie ihm doch von ihrem Zuhause erzählt, ihrer Mutter und wie sie dort aufgewachsen war. So war auch nach dem Tod ihres Vaters, der sich zugegebenermaßen wie ein Schatten über ihre Kindheit warf, ihr Leben dort friedlich gewesen.
Er im Gegenzug hatte sich stets in seiner Rolle als Magier wohlgefühlt. Im Haus hatte er ein Zuhause gefunden, den dort hatte er neu anfangen können. Die allgegenwärtige Frage nach seiner Familie blieb, doch ihm war es wie ein Neuanfang vorgekommen, wie eine zweite Chance, die man ihm geschenkt hatte. Eine zweite Chance, sich selbst einen Namen zu machen. Eine Chance, die er sich nun selbst verspielt hatte. Natürlich, er wollte nicht wieder stundenlang in einem Garten Unkraut zupfen, doch er wollte auch nicht seinen Platz dort verlieren.
Er würde, er musste sich anstrengen erneut dort aufgenommen zu werden, denn es schien der einzige Platz zu sein, den er wollte, den er einnehmen konnte und dazu musste er zuerst die Kugel finden, eine Kugel wie die, die Amaria wegen ihm zerstört hatte. Und eine weitere Chance würde er wohl nicht bekommen.
Seufzend streckte er sich beim laufen kurz und sah sich dann um. Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren und er entdeckte ein Stück entfernt einen Mann, der auf einem großen Wagen saß. „Kann ich dich mitnehmen?", rief er dem Jungen entgegen, und Nox musste grinsen.
Vielleicht würde sich der Tag doch noch zum positiven wenden. Trotzdem würde es noch einige Zeit dauern, bis er in Ilona ankommen würde. Tatsächlich war er in all der Zeit, in der er unterwegs war nur einmal in einem Waisenhaus in der Großstadt gewesen, doch kaum war er angekommen wurde er schon wieder weggeschickt, sodass er kaum etwas von der Stadt sah.
Vielleicht konnte er also dieses Mal die große Stadt genauer erkunden. Mit einem schmalen, gleichsam traurigen wie frohen Lächeln streckte er die Hand nach seiner Tasche aus, fest entschlossen sein Vorhaben so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen und zufrieden damit wieder eine richtige Aufgabe zu haben.
DU LIEST GERADE
Zwischen Licht und Schatten
FantasyDie Welt ist gespalten zwischen vier Namen, vier Familien: Vertere, Travail, Prevoir und Pensee. Vier Familien, die das Land unter sich aufteilen und die Macht für sich beanspruchen. Weit davon entfernt wächst Alexei mit seiner Familie in einem kle...