Kapitel 96 - Alexei

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Nach so langer Zeit wieder in einen ruhigen Raum zu treten erschien dem Jungen beinahe wie ein deplatzierter Traum. Das Zimmer, das er betrat war dunkel, nicht einmal an ein Fenster hatte man gedacht.

Gleichwohl, schoss es ihm durch den Kopf. Im Grunde war es verständlich.

Die letzten Tage waren für ihn in einer Mischung aus Gesprächen und Stress vergangen, sodass es Alexei vorkam als hätte er erst ein paar Sekunden hier verbracht. Überall schien ihn Ana mitzuschleppen. Überall fragte er nur nach einem: Lucies Schutz.

Besonders jetzt nachdem Ezra wie vom Erdboden verschluckt worden war. Im einen Moment war sie noch in Nivie, im nächsten schien sie wie verschwunden. Niemand hatte sie gefunden. Niemand hatte sie auch nur gesehen.

Es war ihm egal was sie Anderen über ihn dachten. Das einzig wichtige war, dass er Lucie in Sicherheit wusste. Und ohne die Hilfe der Trägerin würde dies schwer genug werden.

Die Nächte, die er bei ihr in Ezras Zimmer verbracht hatte war sie still gewesen. Trotzdem hatte sie de zugestimmt, auch noch nachdem er ihr alles erzählt hatte. Selbst jetzt wenn er daran zurückdachte wie er ihr alles berichtet hatte was er wusste konnte er es nicht fassen wie ruhig sie gewesen war. Sie hatte einfach genickt, als würde er ihr von seinem Tag erzählen.

Dann war ihm jedoch in den Sinn gekommen, was, wenn für sie gar nicht alles neu war? Was, wenn sie schon vor ihm von ihrer Mutter gewusst hatte? Was, wenn sie so viel mehr von der Geschichte kannte als er?

Gleich an dem Tag nach Ezras Verschwinden hatte man Lucie und ihn einberufen und getestet, ob sie eine Trägerin war. Und es hatte sich herausgestellt, dass Ezra recht behielt. Lucie hatte die Kräfte ihrer Mutter geerbt. Leider machte das die Sache für Alexei nicht einfacher.

Erst wieder vor einigen Minuten hatte er sie gefragt was sie von all dem dachte. Alles was sie dazu gesagt hatte war, dass alles gut werden würde. Als würde sie es wissen. Warum hatte er dann das Gefühl, dass sie log?

Als die Flamme hoch züngelte und er die Lampe damit entzündete erhellte sich ein kleines Stück des Raums vor ihm und zeigte ihm Gerätschaften und Gegenstände die gleichermaßen gefährlich wie faszinierend aussahen.

Lucie hatte ihm angeboten mit herzukommen, wenn er es wünschte, genauso wie Ana, doch er hatte verneint. Er wollte sie nicht hier haben. Keinen von beiden. Außerdem wusste keiner der Anderen warum er wirklich hier war.

Zu Ana hatte er gesagt er wollte mit Lucie herkommen. Zu Lucie hatte er gesagt mit der Anderen. Er wusste, dass Lucie Ana nicht besonders mochte, worin er ihr nicht ganz zustimmen konnte. Denn Ana schien sich als einziges noch ein Wenig dafür zu interessieren, was mit ihm und Lucie geschah. Alle anderen waren scheinbar nur daran interessiert, wie sie die Situation am besten zu ihrem Vorteil nutzen konnten.

Außerdem erinnerte Ana ihn am ehesten von allen hier noch an Ezra.

Sich weiter in den Raum vortastend blieb sein Blick mal hier, mal an einem anderen Ort hängen, während seine Gedanken wieder zu wandern begannen. Gestern hatte er eine Nachricht an seinen Vater geschickt.

Als er bei Ana nach ihm gefragt hatte, hatte sie ihm erzählt, dass sein Vater vor langer Zeit aus Nivie verbannt wurde und deshalb die Stadt nicht betreten konnte, dass sie aber für ihn und Lucie wohl eine Ausnahme machen konnten. Besonders weil sie Alexei dazu angehalten hatten nicht mit Lucie außerhalb des Hauses oder gar Nivie herumzuspazieren.

Jedoch wusste Alexei nicht, ob er ihn überhaupt sehen wollte. Er hatte seit so langer Zeit nicht mehr mit ihm gesprochen, dass es ihm vorkam er wüsste nicht was er sagen sollte. Was er sagen konnte. Doch der Moment ihres Treffens war unvermeidlich. Er würde ihm nicht ewig aus dem Weg gehen können. Ezra hatte es ja auch nicht geschafft.

Den Gegenstand findend nach dem er gesucht hatte stellte er die Lampe neben sich ab und trat nach vorn. Seine zitternde Hand glitt in seine Tasche und er zog den kleinen undefinierbaren Gegenstand hervor, den er auf der Straße vor dem Mädchen gefunden hatte. Der Gegenstand, der dem, den Ezra ihm gezeigt hatte als sie von den Kräften ihres Vaters gesprochen hatte gefährlich ähnlich sah.

Ein dumpfes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Konnte es sein? Der Gedanke daran war ihm so oft wie kein anderer in den letzten Tagen durch den Kopf gegangen. Und die Antwort schien alles zu verändern. Sollte sein Leben ein weiteres Mal auf den Kopf gestellt werden? Gleichwohl es bedeuten würde, dass er wirklich etwas in der Hand hatte, was für Lucies Schutz sorgen konnte hoffte er mehr als alles Andere, dass er sich irrte.

Mit angehaltenem Atem ließ er das Etwas wieder in seine Tasche gleiten und trat nach vorn. Die Sphäre lag ruhig vor ihm, als würde sie nur auf ihn warten. Er schluckte, dann schlossen sich seine Hände um die Kugel.

Für einen Augenblick schien sich nichts zu regen, dann begann im Inneren der Kugel ein kleines Licht zu glühen, wie der Funken eines bevorstehenden Infernos. Ganz langsam breitete sich das warme Licht immer weiter aus, bis es ihn vollkommen umhüllte und sich mit dem dumpfen Gefühl in seinem Magen mischte.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt