Kapitel 39 - Amaria

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Zuerst verweilte sie noch eine Weile in der Menge vor dem Tor, dann jedoch verschwand sie wieder in den engen Gassen, zuerst in der Umgebung der Mauer, dann wagte sie sich wieder tiefer in die Stadt. Sicher würde er Stunden brauchen, bis er wieder zurückkam.

„Amaria."

Als sie die Stimme an ihrem Ohr hörte stieß sie einen verschluckten Schrei aus und wirbelte herum, ihre Gedanken galten immer noch dem Bild von Nox.

„Ruhig, ich bin es nur", beschwichtigte sie Lumen. Zwar war er nicht außer Atem, doch er schien gestresst und ausgezehrt. Amaria betrachtete ihn während er sprach nachdenklich. Wurden Geister müde? „Ich weiß wo sie sind", schloss er, bevor er sich ohne ein weiteres Wort umwandte und wieder losrannte.

„Lumen", rief sie aus, bevor der Befehl in ihren Beinen ankam und sie ihm folgte. Während sie dem anderen folgte blieb ihr Blick an einem älteren Mann hängen, der sie anstarrte, als sei sie verrückt. „Wo sind sie?",  sprach sie weiter und verstärkte damit das flaue Gefühl in ihrer Magengegend.

„Sie wurden in den Turm gebracht. Das heißt ich muss dich in den inneren Ring bringen, solange sie nicht weiter weg gebracht werden."

Amarias Herz machte einen Satz. Ob von der Bewegung oder angesichts dessen was sie vorhatte wusste sie nicht. „Wie lange haben wir Zeit?"

Sie konnte das Gesicht des Anderen nicht sehen, doch sein Ton schien seltsam trocken. „Ich weiß es nicht. Vielleich eine Stunde, vielleicht einen Monat. Je nachdem wie gnädig die Vertere sind."

Statt zu antworten konzentrierte sie sich darauf weiterzulaufen. Der Gedanke, dass Nox' Schicksal in den Händen von ein paar fremden Vertere lag gefiel ihr gar nicht. Doch sie konnte ihm vielleicht helfen. Sie würde ihm helfen. Und doch, schien es immer wieder von einer zischenden Stimme aus dem Hintersten ihres Gehirns zu kommen. Wie?

Sie versuchte die Gedanken beiseite zu drängen, indem sie sich auf ihre Beine konzentrierte, die gleichmäßig auf den Stein trommelten. Dann blickte sie nach oben und sah sich in ihrer Umgebung um, doch die Gebäude in ihrer Umgebung schienen so hoch, dass sie nicht einschätzen konnte was genau ihr Ziel war. Was hatte er gesagt, ein Turm? Sollte er sich nicht von den anderen Gebäuden abzeichnen?

Erst spät bemerkte sie, dass Lumen stehengeblieben war, also bremste sie instinktiv ab was jedoch ein jähes Schaben ihrer Schuhe auf dem Pflaster hervorrief. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie die Passanten in ihrer Umgebung sie verwirrt anstarrten, doch dieses Mal war es ihr egal. Sie würde die Stadt sowieso so schnell wie möglich verlassen.

Für einige Augenblicke blickte sie Lumen an, dann folgte sie seinem abschätzenden, überraschten Blick. „Es ist offen", stellte er scheinbar mehr zu sich selbst als zu ihr.

Was er meinte war das große Tor zum inneren Ring. Normalerweise gehütet wie einen Augapfel standen die Türen dieses Mal weit offen und ließen Menschen einströmen, die sich allesamt offenbar angeregt zu unterhalten schienen. Amarias Herz machte einen weiteren Satz. „Was hält uns dann noch auf?"

Lumens Augen zuckten kurz zu ihr. „Warum sollten sie es öffnen?"

Amaria zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht." Sie zögerte. „Du weißt, wie wir wieder rauskommen oder?"

Wieder schien sie der Blick des Jungen zu durchbohren, dann nickte er.

Noch bevor sie sprach setzte sie sich in Bewegung. „Dann folgen wir ihnen einfach." Sie blickte kurz zurück zu Lumen, er schien nicht überzeugt. „Es scheint eine Art Versammlung zu sein. Ich ... ich werde unter den anderen Vertere nicht auffallen, vielleicht haben wir ja Glück", sprach sie weiter um ihn, aber vor Allem auch sich selbst zu beruhigen. Sie wusste nicht warum sie es tat. Denn all ihre Vernunft wollte sie dazu bringen sich umzudrehen und einfach wegzugehen. Trotzdem setzte sie weiter stetig einen Fuß vor den anderen. Und Lumens Schweigen schien ihr ebenfalls recht zu geben.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt