Kapitel 2 - Alexei

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Während seine Mutter im ersten Stock mit Lucie ihre Tasche auspackte, begann sich das Lokal langsam zu füllen, sodass Alexei als sie wieder herunterkam gerade mit den Gästen beschäftigt war und nicht weiter mit ihr reden konnte. Zum ersten Mal seit langem wünschte er sich, das Gasthaus würde an diesem Abend einfach leer bleiben, sodass er und seine Familie sich gemütlich vor dem Kamin zusammensetzen konnten, wie das eine Mal, als sein Vater eine schwere Erkältung gehabt hatte.

Doch sein Wunsch würde an diesem Abend wohl unerfüllt bleiben und in Erinnerungen zu schwelgen brachte ihn in seiner Arbeit auch nicht weiter, dachte er sich als er gerade eine neue Runde Getränke bei einigen Besuchern aus dem Dorf verteilte. Jedes Mal, wenn er sie an ihrem Tisch beobachtete fragte er sich, wie sie es schafften, dass die Spielkarten so sauber blieben, da sie doch beinahe täglich darauf aßen oder Getränke verschütteten.

„Willst du dich nicht zu uns setzten?", fragte sein Freund, als er ihm das Getränk vor die Nase stellte. „Du könntest ein paar Runden mitspielen."

Alexei hingegen fischte gerade nach dem leeren Glas und ließ es fallen, doch der Junge fing es gekonnt und reichte es ihm. „Danke, Nick", erwiderte Alexei, „nett, dass du fragst, aber ich kann heute nicht."

„Ach komm", lachte Nick zurück. „Nur eine Runde, geht doch immer."

Alexei schüttelte den Kopf. „Heute nicht, morgen wieder."

„Wie du meinst", meinte Nick noch, doch Alexei war schon wieder auf dem Weg zur Küche um die leeren Gläser abzustellen.

Im Nebenraum war das Summen der Gespräche deutlich gedämpft. Der Junge stellte die Gläser bei der Spüle ab und hielt einen Moment inne, da nach dem er eine Weile im lauten Gastraum gewesen war, die Stille seltsam statisch wirkte. Sie drückte beinahe auf seine Ohren, gleichzeitig fühlte sein Kopf sich seltsam frei an, was davon unterstützt wurde, dass es hier um einiges kühler war als im überhitzten Gastraum.

„Brauchst du Hilfe?", kam es aus einer Ecke des Raumes und Alexei wirbelte herum.

Am Tisch entdeckte er seine Mutter und Schwester, die gemeinsam vor Lucies Buch saßen. Alexei spürte wie es ihm einen leichten Stich versetzte, doch er ignorierte es und lächelte stattdessen. „Nein, Dad und ich schaffen das schon."

Lucie sah von ihm zu ihrer Mutter und wieder zurück. Als sie wieder zu lesen begann drehte er sich weg und stapelte die dreckigen Gläser auf der Spüle zu einem Turm. Die Geschichte, die Lucie gerade vortrug war eine der, die er am Nachmittag gehört hatte. Wie üblich handelte es sich um eine Art Märchen, sie schieb oft von fremden Welten mit Drachen, Prinzessinnen und Königen.

Er wusste nicht woher sie die Inspiration dafür nahm, manchmal handelten sie von mutigen Helden, die sich gegen das aufstrebende Böse wehrten um einen König zu stürzen, manchmal von verbotener Liebe und erbarmungslosen Patriarchen. Diese drehte sich um ein Mädchen aus einem edlen Haus, das sich in den Feind verliebte, schließlich jedoch einem Helden begegnete, der sie vor der Verdammnis rettete. Auch in diesen verliebte sie sich später.

Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Der Junge ging hinüber zum Schrank und machte sich mit den neuen Gläsern auf den Weg zurück zu den Gästen. Er mochte ihre Geschichten, auch wenn sie oft unlogisch und aufgesetzt schienen, so hatten sie doch stets einen wahren Kern.

Kaum trat er wieder durch die Tür schwoll der Lautstärkepegel wieder an. Alexei schlängelte sich durch das Gewirr von Tischen und Stühlen, die scheinbar alle unordentlich im Raum standen zurück zum Tisch an dem Nick und einige aus dem Dorf saßen. Gerade als er fertig war sah er wie eine Person nahe der Tür die Hand hob und ihn zu sich winkte.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt