Kapitel 28 - Amaria

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Wie lange kann man still in einem Raum sitzen ohne sich wirklich zu bewegen? Hätte Amaria vor einigen Monaten jemand diese Frage gestellt hätte sie gesagt, dass sie dazu bei weitem nicht geduldig war. Nicht einmal für zehn Minuten.

Nun wusste sie es besser. Nun wusste sie, dass wenn man die richtigen Gedanken im Sinn hatte stundenlang dasitzen und geradeaus an die Wand starren konnte. Nun saß sie schon seit Stunden, Tagen im Gemeinschaftsraum und beobachtete die anderen Patienten.

Lumen war dieses Mal nicht da, trotzdem schien die Zeit hier um einiges schneller zu vergehen als an allen anderen Orten im Gebäude. Unsicher warf sie einen Blick zum Fenster. Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, doch die Häuser die sie von hier aus erkennen konnte leuchteten allesamt in tiefroter Farbe.

Vor zwei Tagen hatte sie sich nochmals im Haus umgesehen, dieses Mal genauer. Jedoch war sie danach nicht wie erwartet mit einem Fluchtplan zurück in ihr Zimmer gekommen sondern größtenteils deprimiert. Im Erdgeschoss hatte man alle Fenster mit einem Gitter versehen, die Türen waren abgeschlossen. Im ersten Stock dasselbe. Und der zweite Stock erschien viel zu hoch. Ohne ihre magischen Kräfte würde sie keinen Weg aus dem Gebäude finden ohne größeres Aufsehen zu erregen.

Als sie Lumen nach ihren Kräften gefragt hatte, hatte er ihr erklärt, dass jeder Patient mit Runen versehen wurde, die seine Kräfte blockierten. „Und warum kann ich dich dann noch sehen?", hatte sie ihn daraufhin wütend weiter gelöchert. Darauf jedoch hatte er keine Antwort gehabt.

„Woher können sie das eigentlich?"

Lumen hatte gelacht. „Hast du nicht das Wappen über der Tür gesehen? Ich denke die Vertere sind da die besten Ansprechpartner."

Ein trockenes Lachen kam ihr über die Lippen. Natürlich. Die Vertere hatten die Fähigkeit anderen Magiern die Kräfte zu nehmen. Bei all den Dingen die passierten war es seltsam an etwas zurückzudenken, was der Amaria die eine aufstrebende Travail werden wollte, so selbstverständlich gewesen war.

Gestern hatte sie dann versucht in Johns Büro zu kommen um sich dort nach den Büchern umzusehen, doch auch seine Tür schien unantastbar zu sein. Jedoch würde sie nicht ohne die Bücher gehen.

Später am Tag hatte sie Lumen in ihre Pläne eingeweiht. Nicht besonders überrascht hatte er sie gefragt warum sie bisher so gezögert hatte. Daraufhin hatte sie ihm von den Büchern berichtet.

„Die müssen dir aber sehr wichtig sein." Selbst jetzt wenn sie nur daran zurückdachte versetzte sein Gesichtsausdruck ihr einen Stich in den Magen.

Danach war Lumen verschwunden. Seit ihrem Gespräch hatte sie ihn nicht mehr gesehen, weder auf den Gängen, noch im Gemeinschaftsraum in dem sie die letzten Stunden verbracht hatte.

Seufzend atmete sie einmal tief ein und stand dann auf. Als sie Anstalten machte den Raum wieder zu verlassen blickten sie wieder alle an. Nachdem sie den ganzen Tag die neugierigen Blicke der Anderen ertragen hatte, sollten sie sie eigentlich nicht mehr stören. Trotzdem schienen sie ihre Wut anzustacheln. Lumen hätte etwas sagen können. Er hätte etwas sagen sollen.

In ihrem Zimmer war schon größtenteils die Dunkelheit der Nacht eingekehrt, als sie es langsam betrat und die Tür schloss. Mit einem weiteren Seufzer ließ sie sich auf das Bett fallen und starrte geradeheraus an die langweilige Decke. Wie viele Tage würde sie hier noch verbringen? Wie viele Stunden? Der Gedanke an nur eine weitere Sekunde schien ihren Kopf kirre zu machen. Vielleicht würde sie ja doch noch verrückt.

„Na na, nicht gleich so motiviert", kam es plötzlich von der Tür.

Binnen Sekunden saß Amaria aufrecht im Bett und starrte dem Jungen entgegen. „Wo warst du?", fragte sie vorwurfsvoll und funkelte Lumen entgegen.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt