Ezra beobachtete, wie Alexei sich unter ihrem und dem Blick des Mädchens niederließ. Ihr Blick wanderte zurück zu der Fremden. Sie wusste nicht genau, was sie davon halten sollte, dass sie nun hier war. Woher kam sie? Warum war sie hier?
Ihre Arme verschränkend lehnte sie sich wieder an die Wand und betrachtete weiterhin das Mädchen. Angespannt versuchte sie sich an ihre letzte Begegnung er erinnern, doch alles, an was sie sich erinnern konnte war die dunkle Straße und ein junges, großes und doch dünnes Mädchen.
Die Fremde richtete sich wieder an Alexei und fragte nach seinem Namen, doch Ezra hörte nicht richtig zu, denn sie konnte die Augen nicht vom Gesicht des Mädchens lassen. Wie lange sie wohl an diesem Ort geblieben war? Es konnten nicht mehr als ein paar Monate gewesen sein und doch schienen die Gesichtszüge des Mädchens in die Länge gezogen worden zu sein. Ihre Haare waren verfilzt, auch ihre Kleider waren dreckig. Auch wirkte sie größer als beim letzten Mal.
Die grünbraunen Augen des Mädchens wanderten zu Ezra. Warum hatte sie dann keine Augenringe? Und wie hatte sie wohl in dieser Eiseskälte überlebt? Ein Gedanke schoss dem Mädchen durch den Kopf. Doch nein, sie konnte nicht davon gewusst haben.
„Ezra?"
Die Stimme des Mädchens holte sie zurück in die Gegenwart. „Was?"
Sie blickte kurz zu Alexei und wieder zurück zu Samantha. Beide starrten sie an.
„Ist etwas?", fragte das Mädchen freundlich.
Ezra schüttelte den Kopf. „Nein, ich ..." Sie zögerte. „Doch. Ich hätte da eine Frage."
Die Augenbrauen des Mädchens zuckten kurz nach oben. Eine kurze Bewegung, sodass das Mädchen überlegte, ob sie es sich womöglich nur eingebildet hatte. „Natürlich. Was willst du wissen?"
Die Trägerin schluckte und ließ einen Augenblick verstreichen bevor sie antwortete, denn sie wollte nichts Falsches sagen. „Wie lange bist du schon hier?", fragte sie ruhig.
Die Augen des Mädchens blitzten. „Ein paar Monate."
Ezra nickte. „Beeindruckend."
„Wie meinst du das?"
Ezra richtete sich bei dem scharfen Unterton in ihrer Stimme leicht auf. „Monate lang in so einer Umgebung." Sie gestikulierte nach draußen und die Fremde blickte dem weißen Puder entgegen.
„Es war nicht immer so kalt", schloss das Mädchen knapp.
Wieder huschte Ezras Blick zum Schneegestöber draußen. „Was?", dachte sie verwirrt laut.
Samanthas Augen ruhten immer noch auf ihr, ihr Gesicht schien glatt und gleichgültig. In diesem Moment wirkte sie so viel älter als sie.
„Wie war es dann?"
Die Andere zuckte mit den Achseln. „Wärmer."
„Und was ..."
„Ist das denn so wichtig?", zischte die Fremde plötzlich und Ezra erstarrte.
„Nein", erwiderte die Trägerin doch Samantha schüttelte den Kopf.
Danach kehrte wieder Stille ein. Nach einer Weile ließ sich die Trägerin ebenfalls an der Wand auf den Boden sinken, doch keiner der drei sagte noch etwas. Ezra konnte nicht einschätzen wie viel Zeit verstrich, doch als es draußen heller wurde begann das Mädchen dem Licht entgegen zu starren und fragte sich, was wohl unter der weißen Decke legen mochte. In diesem Augenblick schien es ihr unmöglich, dass an diesem Ort etwas anderes herrschen würde, als Schnee und Eis.
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Zwischen Licht und Schatten
FantasyDie Welt ist gespalten zwischen vier Namen, vier Familien: Vertere, Travail, Prevoir und Pensee. Vier Familien, die das Land unter sich aufteilen und die Macht für sich beanspruchen. Weit davon entfernt wächst Alexei mit seiner Familie in einem kle...