Kapitel 55 - Alexei

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Die Worte fühlten sich immer noch seltsam an, als würde jedes Mal wenn er nur daran dachte ein bitterer Nachgeschmack auf seiner Zunge bleiben. Doch er hatte es ausgesprochen.

Das Mädchen, das vor ihm stand, Ezra, starrte ihn für einen Augenblick an, die Worte schienen denkbar lange zu brauchen, bis sie Distanz zwischen ihnen überwunden hatten. In den Sekunden bis sie eine Reaktion zeigte, erinnerte das Mädchen ihn an ihre Schwester, wie sie vor ihm gestanden hatte, als er erstmals vor dem Bild seiner Mutter gestanden hatte.

Der Junge erwartete zu sehen, wie Verständnis auf ihrem Gesicht einkehrte und er wurde nicht enttäuscht, doch als sie schließlich den Mund öffnete, antwortete sie nicht das, was er erwartete, denn statt es anzunehmen oder gar zu widersprechen lächelte sie einfach wissend und nickte. „Ja, ich weiß."

Angespannt schluckte der Junge seine Frage hinunter. Was?

Mit einem Mal schien jegliche Anspannung von der Trägerin vor ihm abzufallen und ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder. „Das ist wirklich sehr ..." Sie zögerte. „Edel von dir, doch meine Mutter ist schon vor Jahren gestorben."

Ein Stein schien durch Alexeis Hals in seinen Magen zu sinken. Das hatte er nicht erwartet. Was meinte sie damit?

„Es gibt also keinen Grund nach ihr zu suchen, ich glaube du hast da etwas falsch verstanden", sprach sie weiter und blickte dann auf die Taschenuhr. „Ich weiß nicht weshalb Uriah genau dich gebeten hat mich zu suchen, du musst wirklich talentiert sein, doch es gibt keinen Grund mehr für dich hier zu bleiben." Ihr Blick wanderte wieder nach oben und ihre braunen Augen kreuzten seine. „Geh nach Hause."

Alexei schluckte. Wie schaffte es dieses Mädchen nur solche Wärme auszustrahlen, wo sie ihn doch Minuten zuvor noch bedroht hatte?

Sie hob die Uhr etwas nach oben. „Wenn du nichts dagegen hast, werde ich die hier behalten." Den Kopf leicht neigend trat sie einen weiteren Schritt zurück. Der Andere hingegen folgte ihrer Bewegung. „Und du kannst gleich zu deiner Familie zurück. Es ist unnötig nach Nivie zu gehen, das werde ich selbst erledigen. Weißt du, ich -"

„Nein", rief er und ihre Augen zucken zu seinem Gesicht zurück.

Ezra hielt inne und starrte ihn für einige Sekunden an. „Was?", erwiderte sie dann leise, ihre Stimme beinahe bedrohlich. „Nun gut, wenn du meiner Bitte nicht nachkommen willst dann werde ich es anders formulieren. Ich befehle dir –"

„Das ist mir egal!" Wut schoss durch Alexeis Adern wie Gift und es war ihm egal, dass man seine Stimme in der ganzen Straße hörte, denn er hatte genug davon. Seit seiner Abreise war er nur anderen Magiern gefolgt oder hatte genau das getan, was diese von ihm verlangt hatten.

Der Gedanke an Lucie und seinen Vater brannte in seiner Erinnerung und er bereute bereits nicht zu ihnen zuerst gegangen zu sein. Niemand hätte ihn davon abgehalten. Niemand hätte es bemerkt. Doch er hatte das getan, worum ihn der Mann gebeten hatte. Er hatte die Hoffnung an seine Mutter nicht aufgegeben.

Auf seinen Ausruf hin stellte er zufrieden fest, wie die herablassende Miene auf ihrem Gesicht verschwand und von einem verwunderten, wenn nicht entsetzten Gesichtsausdruck ersetzt wurde. „Was?", stieß sie leise hervor.

Alexei konnte sein Lächeln nicht zurückhalten. „Es ist mir egal", wiederholte er, dieses Mal leiser. „Es ist mir egal, was du mir befiehlst. Ich gehöre ja nicht mal zu deinem Haus."

Der Blick des Mädchens huschte über seine dreckige und löchrige Kleidung.

„Warum trägst du dann die Farben meiner Familie?" Ihre Stimme war leise, sodass Alexei sie bei dem laut rauschenden Blut in seinen Ohren beinahe nicht verstanden hätte. Immer noch brannte Wut in seinen Adern, wie loderndes Feuer.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt