Kapitel 93 - Nox

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„Tut mir leid, Alexei", sagte er leise und blickte auf die zusammengesunkene Gestalt herab, die ihn nicht mehr hören konnte. Der Griff der Waffe mit der er zugeschlagen hatte wog schwer in seiner Hand als er den Jungen für einen Moment anstarrte, sich nicht sicher, was er tun sollte. Konnte er ihn hier einfach liegen lassen?

Es sich anders überlegend schüttelte er dann mit dem Kopf. Hier zu bleiben war sicherer als sich vor Amaria zu stellen. Oder was von ihr noch übrig war.

Still hatte er sie ein Stück verfolgt, wie sie hinter der Trägerin her gerannt war, den Blick starr nach vorn gerichtet. In ihrem starren Tunnelblick hatte sie Alexei nicht gesehen; erst als es zu spät gewesen war. Genauso wie sie ihn nicht bemerkt hatte.

Sein Ziel wieder aufnehmend horchte er in die Nacht hinein und versuchte so die Richtung auszumachen in die er musste. Dann, als er dachte etwas zu hören rannte er wieder los, immer in die Richtung aus der das Geräusch kam.

Gleich nach seiner Ankunft hatte er sich umgesehen und nach ihr gesucht, wobei er festgestellt hatte, dass die hohen Tore nach draußen versperrt waren. Sie konnten also nicht weit gekommen sein.

So schnell wie es ihm möglich war suchte er die Straßen ab, doch überall wohin er kam fand er nur gähnende Leere.

Ein Fluch rutschte ihm über die Lippen, als er zum dritten Mal vor einer Sackgasse stand. Mit halbem Kopf schieb er der Trägerin zu dass sie Glück hatte, dass sie sich in dieser Stadt so gut auskannte.

Es war schon seltsam ... Wenn er ehrlich war wollte er die Trägerin gar nicht retten; trotzdem würde Amaria ihn dafür verurteilen. Aber alles was er wollte war sie. Nicht das jetzige Mädchen. Er wollte die Amaria zurück, die ihn für sein Verhalten bei den Travail tadelte. Die Amaria, die immer zu ihm stand. Die Amaria, die ihn verlassen hatte um zu ihrer Familie zu gehen.

Mit schwerem Herzen dachte er an ihren Abend in Raviar zurück, an dem sie ständig auf eines der Häuser klettern wollte. „Aber von oben hat man eine viel bessere Aussicht."

Nox schluckte, sein Blick blieb an der Häuserfassade rechts von ihm hängen. Mit schief gelegtem Kopf blickte er nach oben. Vielleicht hatte sie ja doch nicht so unrecht.

Einige Schritte zurücktretend nahm er Anlauf und kletterte dann an der Fassade hoch. Kurz bevor er den Rand des Dachs erreichte sah er nach unten und rutschte leicht ab, fing sich aber gleich wieder und drückte sich dann über die Dachkante. Die kalte Nachtluft füllte seine Lungen und ein Windstoß ließ sein Herz wieder höher schlagen, doch statt die Situation zu genießen sah er sich um.

Und tatsächlich. Nicht weit von ihm entfernt konnte er sie sehen. Seine alte Freundin.

Sie genau im Blick behaltend sprintete er los und sprang über den schmalen Spalt zwischen den Häusern. Gut, dass die Gebäude so eng zusammen standen. Er rannte und rannte weiter. Er war schon immer schneller als sie gewesen, wenn er an die Zeit bei den Travail zurückdachte musste er immer noch lächeln.

Doch nun war sie nicht mehr wie das Mädchen mit dem er um die Wette gelaufen war, einfach um sie zu ärgern. Nun war sie eine andere Amaria, eine die sich suchend nach der Trägerin umwandte, die sie verloren hatte nachdem sie auf Alexei getroffen war.

Offenbar hatte Alexei erreicht, was er bezwecken wollte. Nun war Nox an der Reihe.

Kurz bevor er die Straße erreichte bremste er nochmals ab, dann lugte er die Dachkante hinunter. Mit stark pochendem Herzen starrte er auf das Mädchen herab und stellte fest, dass er nicht den unbemerkten Auftritt bekommen würde, den er sich erhofft hatte, denn sie erwiderte seinen Blick.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt