Der Abend verstrich ohne eine weitere Unterhaltung zwischen Alexei und seinem Vater und obwohl Alexei beobachtet hatte, wie sich seine Eltern mit ernsten Gesichtern in einer dunklen Ecke miteinander sprachen, bekam er von seiner Mutter nur sorgenvolle Blicke. Es hätte ihn gewundert, wenn sie ihn darauf angesprochen hätte, denn obwohl sie Magier ebenso scheute wie sein Vater, war sie um einiges zurückhaltender und sprach ihn nur selten darauf an. Sie ließ ihm stets mehr Freiheiten und schien auch, im Gegensatz zu seinem Vater verstehen, dass es sich bei den Gesprächen, die er mit den Magiern führte nur um harmlose Worte handelte.
Zugleich wusste Alexei, dass sein Vater am nächsten Tag die beiden Gestalten wahrscheinlich ohnehin vergessen haben würde, so ging er an diesem Abend früher als sonst zu Bett und verbrachte die übrigen Stunden auf seinem Bett sitzend in seinen brodelnden Gedanken vertieft.
Es war schon weit nach Mitternacht, als er hörte wie einige Zimmer weiter laute Stimmen die Ruhe der Nacht störten. Alexei hielt einen Moment inne und erkannte die gedämpften Stimmen seiner Eltern. Für einen Moment harrte er aus, angestrengt versuchend die Worte zu verstehen, doch das, was er vernahm enttäuschte seine Erwartungen, denn ihr Gespräch handelte nicht von den Besuchern oder Magiern, sondern davon, dass seine Mutter auf ihrer Reise einer Bekannten begegnet war. Alexei drehte sich zur Seite und löschte das Licht, die Stimmen ignorierend, die mit der Zeit immer mehr anschwollen.
Es schien, als hätte er kaum seine Augen geschlossen, da erwachte der Junge schon wieder. Verwirrt stand er auf und zog seine Vorhänge zurück. Die dunklen Häuser vor der vergilbten Scheibe wirkten so ruhig wie immer. Ihm schien, als hätte er einen lauten Knall gehört, doch hatte vielleicht nur davon geträumt?
Gerade als er sich wieder ins Bett gehen wollte, erschütterte ein weiterer Knall das Haus. Laute Rufe folgten, die Alexei allesamt nicht verstand und einige Paar Füße hastete deutlich durch den Gang und die Treppe hinunter. Alexei schluckte hart und trat auf den Flur. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn als er sein Zimmer verließ. Eins war sicher: irgendetwas stimmte nicht.
„Hallo?", fragte er in den leeren Raum hinein, der nur vom spärlichen Mondlicht erhellt wurde, das durch die Fenster drang. Seine befremdlich klingende Stimme verhallte in der Stille. Vorsichtig, darauf bedacht möglichst leise zu sein um niemanden zu wecken, tapste er langsam zum Zimmer seiner Schwester und öffnete die Tür, wobei er sich dumm vorkam, so hatten die anderen Personen offenbar so viel Lärm gemacht, dass jeder der nun noch nicht wach war auch nicht von seinen Schritten geweckt werden würde. Als er in den Raum spähte, erblickte er nur Lucie, die friedlich tief und fest schlief. Er schloss die Tür erneut und wandte sich zum Zimmer seiner Eltern um doch als er die Tür berührte bemerkte er, dass sie nur angelehnt war.
In diesem Moment rief jemand etwas im unteren Stockwerk und erneut wurde eine Tür zugeknallt. Alexei öffnete die Tür vor sich und erblickte einen leeren Raum, dann wandte er sich um und eilte zur Treppe.
„Bitte geh einfach wieder!"
Der Ruf seiner Mutter hallte zwischen den ihm so bekannten Wänden wieder und drang deutlich an seine Ohren. Augenblicklich schoss Panik durch Alexeis Venen und er war hellwach. „Mum", stieß er hervor, hastete so schnell er konnte die Treppen hinunter, den Gang entlang ohne nach links oder rechts zu sehen und noch ein Stockwerk nach unten. Schließlich stieß er die Tür zum Gastraum auf.
Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, doch nicht, dass er den Raum zwar hell erleuchtet, doch auch vollkommen ausgestorben vorfinden würde. Schwer atmend hielt er einen Moment inne und stolperte, als er einige Schritte in den Raum treten wollte.
Ein erneuter Knall ließ Alexei zusammenzucken und er blickte zum vermeintlichen Ursprung in der Küche. „Mum?", rief er und hastete zur Tür. Mit einem Schwung stieß er sie auf und betrat den anliegenden Raum. Für einen Moment erblickte er seine Mutter, die mit dem Rücken zur Theke dastand, wie eine Statue mit verschränkten Armen vor einer dunklen Gestalt, von der er nur den Rücken sehen konnte. Als seine Mutter ihn erblickte weiteten sich ihre Augen noch weiter, ihr Gesicht nahm einen seltsamen Gesichtsausdruck an, von dem Alexei sicher sagen konnte ihn noch nie zuvor gesehen zu haben.
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Zwischen Licht und Schatten
خيال (فانتازيا)Die Welt ist gespalten zwischen vier Namen, vier Familien: Vertere, Travail, Prevoir und Pensee. Vier Familien, die das Land unter sich aufteilen und die Macht für sich beanspruchen. Weit davon entfernt wächst Alexei mit seiner Familie in einem kle...