Kapitel 21 - Amaria

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Immer, wenn sie die Augen schloss, konnte sie wieder das Holz des Anhängers riechen. Sie musste nur ihre Lieder zufallen lassen um wieder das rhythmische Geräusch der Räder auf dem Kiesweg zu hören und den Wald und die Erde zu riechen, die sie aber nie sehen würde. Sie brauchte sich nur wieder zusammenzurollen um die Verzweiflung und die Dunkelheit zu spüren.

Das Herz des Mädchens pochte heftig, als sie von ihrem Bett hochschreckte. Schwer atmend brauchte sie einige Augenblicke um etwas im dunklen Raum zu erkennen, doch kehrte die Erinnerung zurück. Und wie immer hätte sie sich gewünscht sie wäre ausgeblieben.

Während sich ihr Atem und Herz langsam wieder beruhigten zog das Mädchen die Beine an die Brust, sodass das dünne Laken vor ihr in einem kleinen Haufen zusammensackte. Der Raum in dem sie sich befand war so eng, dass sie, wenn sie beide Arme ausstreckte beide Wände berühren konnte. Abseits eines Betts, kahlen Wänden und einem mit Gitter versehenen Fensters hatte sie nur noch einen kleinen Tisch unter dem man unbeholfen einen Schrank angebracht, die jedoch allesamt leer waren.

Aus der Ferne war wieder ein Ruf zu vernehmen gefolgt von weiteren und schließlich jemand, der lautstark Stille befahl. Wie auf ein Kommando beschleunigte sich der Herzschlag des Mädchens wieder und sie kniff Augen und Ohren zusammen.

Auch wenn es sie nicht wunderte. Sie hatte den Überblick verloren wie viele Tage sie schon hier war. Manchmal kamen ihr die Stunden wie Wochen vor, manchmal wie Minuten. Eigentlich hätte man erwartet, sie hätte nichts Besseres zu tun als die Zeit verstreichen zu sehen, doch das Gegenteil trat ein. Und sie konnte nicht zählen wie oft sie schon von ihren Rufen aufgeschreckt und aufgewacht war. Von den anderen Patienten oder einem Aufseher, die wie Hunde durch die Gänge schlichen und sie bewachten, als wären sie Gefangene.

Dabei war sie in einem Irrenhaus. Nicht recht wissend warum breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie war in einem Irrenhaus.

Ein nicht weit entfernter weiterer Patient begann wieder etwas zu rufen und Amaria biss sich auf die Lippe um nicht laut zu antworten. Am liebsten wäre sie direkt aufgestanden und hätte Licht gemacht. Dummerweise musste sie schon am ersten Abend feststellen, dass in diesem Raum weder eine Lampe noch Kerzen zu finden waren.

Gleichwohl hatte sie ebenfalls auch keine Vorhänge, somit war sie einzig und allein auf das Tageslicht angewiesen. Noch während sie aufrecht im dem Bett saß fielen ihre Augen von ganz allein wieder zu. Sie wachte im Dämmerschlaf immer wieder von den Geräuschen aus den anderen Räumen auf, diese Male jedoch schaffte sie es sie abzuschirmen, sodass sie nur kurze Zeit später wieder einschlief.

Geweckt wurde sie von einem lauten Klopfen an ihrer Tür. Wie von der Tarantel gestochen fuhr sie wieder hoch und starrte dem dunklen Holz entgegen. Noch nie hatte sie jemand besucht. Unsicher rutschte sie noch ein Stück nach hinten und zog die Beine an ihre Brust. Schon seit sie an diesem Ort angekommen war konnte sie ihre magischen Kräfte nicht mehr einsetzten. Warum wusste sie nicht. Doch es war nicht das einzige, dass sie nicht verstand.

Wieder klopfte es und mit jedem Schlag gegen die Tür zuckte sie zusammen, dann öffnete sie sich plötzlich und ein hoch gewachsener Mann trat in den Raum. „Der Arzt ist nun bereit dich zu sehen", verkündete er in den Raum, drehte sich um und verschwand wieder.

Halb verärgert und halb unsicher, wie sie reagieren sollte starrte sie ihm einen Augenblick lang nach. Verärgert deswegen, weil er einfach eingetreten war. Warum sollte man sich dann überhaupt die Mühe machen zu klopfen?

Sich auf die Lippe beißend überlegte sie kurz einfach sitzenzubleiben und ihn zu ignorieren. Hatte er überhaupt in ihre Richtung geblickt? Dann dachte sie daran aufzustehen und die Tür hinter ihm zuzuschlagen.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt