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"Hast du alles was du brauchst?", fragte Papa und nahm seine Autoschlüssel in die Hand. Die Koffer waren bereits im Auto und die restlichen Kartons müssen die nächste Zeit wohl in der Abstellkammer verbringen. Seufzend sah ich ihn an. Ich bin zwar schon dreimal durch mein Zimmer gegangen nur um immer wieder festzustellen, dass ich wirklich alles eingepackt hatte, was ich brauche, aber ich will noch einmal schauen. Einfach um diesen Raum noch ein letztes mal anzusehen. Das wird vorerst dann das letzte mal sein. "Ich schau lieber nochmal", meinte ich kurz und sprintete erneut die Treppen nach oben. Dass ich das schon so oft getan hatte heute weiß Papa, aber ich zieh nicht alle Tage um, also muss ich da einfach nochmal schauen. Mein Zimmer sah echt leer aus, ohne die ganze Deko und die Bilder. Es tat so weh zu wissen, dass ich hier nicht mehr wohnen werde. Zumindest nicht in den Umständen, die vorher waren. Auch wenn es heißt man solle Sachen loslassen, kann ich das bei unserer Familie nicht. In einer gewissen Hinsicht hab ich noch Hoffnung, dass das irgendwann alles wieder wird. Dann werden wir wieder glücklich zusammen leben. Eventuell ja auch wieder hier. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man immer und was ist denn falsch daran zu hoffen?
"Leen, Kommst du?", rief Papa von unten und unterbrach meine Gedanken. Mit einem letzten Blick sah ich durch das Zimmer und ging dann Richtung unten. Kurz vor der Treppe, fiel mir das Hochzeitsbild meiner Eltern auf.
Mit einem schnell gefällten Entschluss hängte ich das Bild ab und nahm es aus dem Bilderrahmen. Genau das gleiche steht auch im Schlafzimmer, deshalb wird auch das nicht allzu schlimm sein. Das  Foto steckte ich in meine Jackentasche. In Köln werde ich es dann in einen neuen Bilderrahmen packen. "Bereit?", erkundigte sich Papa, meiner Meinung nach viel zu motiviert. Wortlos nickte ich und nahm den kleinen Korb, mit etwas essen. Er hat darauf bestanden Snacks für die Fahrt mitzunehmen. Obwohl wir ja nur höchstens andertalb Stunden fahren müssen. Nachdenklich sah ich meiner Heimatstadt beim vorbeiziehen zu. Ich glaube kaum, dass Köln so etwas ersetzen kann. Nach einer Weile war ich wohl eingeschlafen, denn das nächste was ich mitbekam, war eine Hand auf meiner Schulter. Schreckhaft wie ich war zuckte ich erstmal heftigst zusammen. Bei dem Blick zu Papa, der Ursache des ganzen, bemerkte ich, dass das Auto garnicht mehr fuhr. Meine Hand legte sich auf mein herz, welches dachte es muss auf vollen Tempo schlagen. "Alles okay?", schmunzelte er und sah mich leicht belustigend an. Jaja, echt lustig mir einen halben Herzinfarkt zu verpassen.
"Wir sind übrigens da", sagte er noch kurz, bevor er dann Ausstieg. Erst jetzt nahm ich meine Umgebung so wirklich wahr. In der Stadtmitte waren wir definitv nicht. Es erinnerte mich ein bisschen an den Stadtteil in Dortmund, in dem wir gewöhnt haben, da hier anstatt Mehrfamilienhäuser einzelne standen. Ich vermisse mein Zuhause ja jetzt schon. Aus dem Auto draußen musste ich gefühlt erst alle meine Glieder wieder einrenken. So langes fahren war ich absolut nicht mehr gewohnt. Papa, der inzwischen auch schon bei dem Haus, wovor wir geparkt haben geklingelt hatte, öffnete inzwischen schon den Kofferraum und entlud diesen. Das öffnen der Haustür ließ mich nervös werden. In letzter Zeit war es immer schwerer für mich geworden, fremde Menschen kennenzulernen.
"Hi Phil, schön dich mal wieder zu sehen!", wurde Papa von einem Mann freundlich begrüßt. Er hat ja gesagt, dass sie gute Freunde waren damals. "Ich bin dir echt was schuldig, ohne dich wären wir aufgeschmissen gewesen.", erwiderte Papa. Wir hätten ja nicht umziehen müssen. Jetzt hatte der Mann auch mich bemerkt und streckte mir seine Hand hin:"Hi, ich bin Alex" Zögerlich schüttelte ich diese. "Marleen", murmelte ich leise. Auch wenn er ganz sympathisch schien, fühlte ich mich einfach nicht wohl hier. Ich will doch einfach wieder nachhause.
"Lass uns doch erstmal reingehen, die andern haben noch Dienst, kommen aber spätestens in einer Stunde auch Heim", beschloss Alex und ging voran. Die anderen? Ich dachte er wohnt allein. Mein dezent verwirrter Blick fiel auf keinen Vater, der mir den Vortritt ließ. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich hier draußen stehen bleib. Beim reingehen konnte ich einen flüchtigen Blick auf das Klingelschild werfen. Tatsächlich standen dort noch zwei andere Namen. Ein einziges Fragezeichen schwirrte durch meinen Kopf. "Wieso wohnen hier noch andere?", wendete ich mich flüsternd an Papa, welcher kurz nachzudenken schien.
"Hab ich dir das nicht erzählt?", stellte er die Gegenfrage. Kann er nicht einfach sagen was hier los ist? Diese doofe Fragerei von ihm bringt auch nichts, außer meine Laune nochmehr in den Keller zu schieben. Anstatt zu antworten durchbohrte ich ihn mit einem erwartungsvollen Blick. "Alex wohnt in ner Art WG. Mit zwei andern, die du noch kennenlernen wirst. Auch alte Freunde von mir.", erklärte er mir dann. Noch mehr unbekannte Menschen? Kann ich wieder gehen? "Die Koffer könnt ihr erstmal im Eingangsbereich stehen lassen. Habt ihr Hunger oder Durst?", meldete sich Alex wieder zu Wort und sah uns nacheinander an. Ich schüttelte vorsichtig den Kopf. Ich kam mir so unwohl vor bei irgendeinem Fremden im Haus. Letztendlich wurden wir in die Küche geführt, wo Alex meinem Vater erstmal Kaffe servierte. Die beiden waren längst in einem Gespräch versunken. Ich konzentrierte mich nur darauf nicht los zu weinen vor lauter Überforderung. Mein Fingernägel bohrten sich in meine Hautoberfläche. Der Schmerz lenkte mich momentan ganz gut ab. Wie soll ich das denn aushalten die nächste Woche? Wenn ich mir nach gerade mal 10 Minuten schon wieder sehnlichst wünsche nach Hause zu gehen.

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Sooo, da sich viele doch eine WG gewünscht haben hehe

Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//It's DifficultWo Geschichten leben. Entdecke jetzt