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"Wie du gesagt hast, Alex. Dehydrierung. Du solltest definitiv mehr trinken, Marleen.", erklärte Frederik meinen Zusammenbruch und sah mich eindringlich an. Ich nickte einfach nur. Meine Gedanken waren die ganze Zeit eigentlich nur bei Papa. Er lag hier irgendwo und ich wollte zu ihm.
"Hast du mir zugehört?", riss mich der Arzt aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich hoch. Anscheinend hatte er irgendwas gesagt, was ich durch meinen abwesenden Gedankengang natürlich nicht mitbekommen hatte. "Die Werte von deinem Papa haben sich verbessert. Wir werden ihn morgen oder übermorgen wecken.", wiederholte er den Satz, den er vermutlich eben schon gesprochen hat. Schlagartig erhellte sich mein Gesichtsausdruck. Ich war unglaublich froh, sowas zu hören. Immerhin musste ich mir so keine großen Sorgen mehr machen. An der Aussage, dass er es schafft, was alle gesagt haben, war wohl doch etwas dran. "Kann ich zu ihm?", erkundigte ich mich aufgeregt. Frederik schien zu überlegen und sah zu Alex. Dieser nickte nur. Heißt das ich kann?
"Aber nur kurz. Und davor trinkst du bitte noch was", gab er mir die Zusage und schaute mich erwartungsvoll an. Hastig nickte ich und stand von der Liege, auf der ich saß, auf. Nachdem ich dann erstmal zwei Becher Wasser getrunken hatte ging ich gemeinsam mit Alex zur Intensivstation. Er wusste anscheinend schon genau, wo Papa lag. Wahrscheinlich war er auch schon hier gewesen, im Gegensatz zu mir. Ich verbringe ja lieber den ganzen Tag auf der Polizeiwache. Was war denn jetzt eigentlich mit dem Typen vorhin? Mitbekommen hab ich da ja garnichts mehr. Naja, darüber kann ich mir auch nachher noch Gedanken machen. Alex war stehengeblieben und durch ein Fenster konnte ich in den Raum sehen.
"Soll ich hier draußen warten?", bot er mir an. Unsicher sah ich zu ihm und nickte dann langsam. Jetzt war das ganze irgendwie doch anders. Ihn so zu sehen war nicht wirklich einfach. Er wird wieder gesund und er wird bald Aufwachen. Während ich mir diese Sätze zurück ins Gedächtnis rief, öffnete ich die Tür und ging vorsichtig auf das Bett zu. Ich fühlte mich unwohl und war einfach nur komplett überfordert mit dem Anblick, den ich vor mir hatte. Er war so hilflos und verletzlich. Es machte mir einfach Angst. Ohne den Blick von meinem Vater zu nehmen setzte ich mich auf den stuhl, der neben dem Bett war und nahm seine Hand. Es heißt ja immer man soll den Komapatienten was erzählen und vielleicht hören sie einen, aber meine Kraft und Energie, die ich vor wenigen Minuten noch hatte war wie weggeblasen. Und dieser Anblick machte es mir noch schwerer überhaupt ein Wort zu sagen. Stumm saß ich da und ließ die Tränen zu, die über meine Wangen liefen.
Die ganze Zeit hab ich mich darüber aufgeregt, wie über fürsorglich er immer ist. Mir wäre das um vieles lieber, als ihn so zu sehen. Und alles nur wegen irgendeinem Fremden, der seine Wut an Papa ausgelassen hat. Hoffentlich haben sie wenigstens den inzwischen identifizieren können. Die Hand, die sich auf meine Schulter legte ließ mich heftigst zusammenzucken. Durch den schnellen Blick zur Seite erkannte ich Alex. "Kommst du?", fragte er leise. Auch er hatte, genau wie Papa, etwas beruhigendes an sich. Außerdem hat er wahrscheinlich Recht. Wenn ich hier noch länger sitze, erleide ich noch 'nen Nervenzusammenbruch oder sonst was. Mit einem letzten Blick auf meinen Vater stand ich auf. Dieses Bild wird sich definitiv in mein Hirn einprägen. Was ich nicht verstehe ist, dass ich obwohl ich es absolut nicht ertragen konnte dennoch lange genug dort gesessen bin.
"Alles in Ordnung?", fragte Alex, als wir das Zimmer wieder verlassen hatten. Schulterzuckend sah ich zu ihm. Nicht wirklich. Ich musste das ganze wohl erstmal verdauen.

Als wir wieder Zuhause waren, wollte ich eigentlich direkt nach oben in mein Zimmer, aber Alex hielt mich auf:"Warte Mal" Fragend drehte ich mich um und wartete darauf, dass er sagte, was er wollte. "Gehst du morgen zur Schule oder sollen wir dich gleich daheim behalten?", wollte er, unerwarteter Weise, von mir wissen. Wenn ich mich nicht irre hab ich da einen leicht strengen Unterton rausgehört. Eigentlich war ich der gleichen Meinung, wie gestern. Mehr Fehltage konnte ich mir, unter anderem durch die Aktion heute, nicht leisten. "Ich geh", meinte ich leise. Mit ihm darüber zu reden war komisch. Natürlich waren er und die andern zwei mir schon ans Herz gewachsen, aber sowas war eigentlich immer der Job von Papa. "Aber dann geh auch wirklich okay? Und wenn du reden willst, kannst du immer zu uns kommen weißt du ja. Schule schwänzen ist da eher keine Lösung"
Ich war froh, dass er nicht sauer war oder mich schimpfte. Hastig nickte ich und setzte meinen ursprünglichen Plan, nach oben zu gehen, fort. Ich hab irgendwie Angst vor dem Tag morgen in der schule. Werden Finja und Jessy auch da sein? Und wie wird die Schule reagieren wenn raus kommt, dass ich geschwänzt hab. Von mir hätte sich das bestimmt auch niemand gedacht. Ich sollte meine Freundschaft zu den beiden vielleicht nochmal überdenken. Guter Umgang sind die beiden nämlich nicht wirklich.

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Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//It's DifficultWo Geschichten leben. Entdecke jetzt