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"Wohnst du hier in der Nähe oder soll ich dich wohin mitnehmen?", fragte er weiter. Reflexartig trat ich einen Schritt zurück. Denkt der ernsthaft ich sag dem zu? Mal abgesehen davon, dass jedes kleine Kind weiß, dass man nicht bei fremden ins Auto steigt, denkt der wirklich, dass ich das machen würde? Anscheinend ja schon ein bisschen, sonst würde er ja nicht fragen.
"Lasen Sie mich einfach in Ruhe", meinte ich, diesmal mit etwas festerer Stimme und wandte mich von ihm ab. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo ich rauskommen werde, aber da ich nirgends ein Schild gesehen habe von wegen Einbahnstraße oder so muss ich ja wenigstens von dem wegkommen. Meine Schritte beschleunigten sich, als ich hörte wie er mir hinterher ging. Wieso muss der mit mir reden? Warum nicht mit jemand anderem.
"Lassen Sie mich in Ruhe!", schnauzte ich ihn an und blieb abrupt stehen. Warum machte ich mir eigentlich noch die Mühe und sprach ihn mit 'Sie' an? Ich bin manchmal einfach zu höflich.
"Wieso denn kleines? Du magst mich doch auch", säuselte er und packte mich am Oberarm, nur um mich zu ihm her zu ziehen. Wieder zuckte ich heftig zusammen und begann zu zittern. Ich war plötzlich völlig gelähmt und auch wenn ich mich sehnlichst aus seinem Griff befreien wollte, hörte mein Körper kein Stück auf meinem Kopf. "Na siehste", fügte der Typ hinzu. Dass ich mich nicht wehren konnte, sah er anscheinend wie eine Bestätigung. Hilflos ließ ich meinen Blick durch die Umgebung schweifen. Ich glaub ich weiß endlich wieder, wo ich bin. Zwei Straßen von hier ist die Wache von Papa, wenn ich mich nicht irre. Das war der Hauptpunkt, in dem ich beschloss mich loszureissen. Garnicht so einfach, da er mich ziemlich fest im Griff hatte, aber mit kurzem Zähne zusammenbeißen und die Schmerzen ignorieren ging es ganz gut. Da er nicht damit gerechnet hatte verlief das ganze besser als ich gedacht hatte. Die anfängliche Verwirrtheit nutzte ich aus, um loszusprinten. Durch das Adrenalin, welches sich in meinem Körper ausbreitet e war ich zum Glück relativ schnell unterwegs. Trotzdem spürte ich genau, dass der Mann mir eng auf den Fersen lag. Umso größer war Erleichterung, als ich endlich die Wache sehen konnte.
Vielleicht etwas zu groß, denn das unbewusste verlangsamen meines Tempos wurde mir direkt zum Verhängnis. Das nutzte mein Verfolger schamlos aus und schon war ich wieder in seinem Griff.
Diesmal reagierte ich wenigstens besser und wehrte mich lautstark:"Lass mich in Ruhe." Dass das schreien seine Einstellung nicht ändern wird war mir sehr wohl klar. Meine Absicht war es nur andere Leute auf mich aufmerksam zu machen. Nach weiteren lauten Hilfeschreien konnte ich erkennen, dass mein Plan geklappt hatte, denn tatsächlich waren drei Leute auf uns aufmerksam geworden. Alex, Papa und ein weiterer Mann in Rettungskleidung, den ich nicht kannte. Ob Papa jetzt dabei war, war in einer gewissen Hinsicht auch nicht sonderlich gut, da man schon sehen konnte, welchen Hass er auf diesen Typ hatte. Als sie in schnellen Tempo näher kamen, ließ der besagte mich abrupt los und ergriff die Flucht. Ich rannte ebenso. Nur eben zu Papa, der mich direkt in die Arme schloss. Sofern ich es mitbekommen hatte, nahmen die andern zwei die Verfolgung auf.
Mit meinen Nerven war ich völlig am Ende. Wie die Schluchzer es auch deuten ließen.
Papas Versuche mich zu beruhigen, waren vorerst auch nur vergeblich. Der Schreck saß mir immernoch zu tief in den Knochen. "Komm wir gehen mal in die Wache", sprach er besorgt und ging mit mir Richtung genanntes Gebäude. Die Tränen liefen immernoch unaufhörlich über meine Wangen und wurden immer wieder von leisen Schluchzern kommentiert.
Auf einem der Stühlen geparkt wanderte die Hand meines Vaters direkt an mein Handgelenk. Auch eine Bewegung, die typisch für ihn war. "Leen, schau mich an", forderte er mich auf. Langsam hob ich meinen Kopf. Da meine Sicht durch die Tränen immernoch recht verschwommen war, musste ich erst ein paar mal blinzeln, um wieder scharf zu sehen. Ich musste mich echt kontrollieren nicht direkt wieder loszuweinen, bei dem Gedanken an das Geschehene vorhin. "Du musst dich beruhigen ja? Alles ist gut, du bist in Sicherheit", sprach er mit einer ruhigen Stimme und musterte mich besorgt.
Ich atmete tief ein. Ich bin in Sicherheit. Mir kann nichts passieren. Dennoch blieb die Angst vor diesem Mann.
Schreckhaft wie ich war, zuckte ich zusammen, als eine Person den Raum betrat. Meine zitternden Hände krallten sich ineinander, während ich hoch sah. Es war Alex. Der andere Kollege war anscheinend noch draußen. Auch Papa drehte seinen Kopf zu ihm. "Wie geht's ihr?", erkundigte sich der Notarzt, eher bei meinem Vater, anstatt bei mir. Als könnte ich selber nicht reden. Wobei ich das wahrscheinlich sowieso nicht getan hätte, also hat er schon den richtigen gefragt.
"Puls ist ein bisschen schnell, aber sonst", er legte eine Pause ein und wandte sich wieder zu mir und holte tief Luft, "Hat er dich irgendwo angefasst oder die wehgetan?" Meine Gedanken wanderten zu meine Armen. Ich spürte seine Hände dort immernoch mehr, als mir lieb war. Ob dort wirklich etwas war konnte ich nicht wirklich einschätzen. Vorsichtig schob ich den linken Ärmel meiner Jacke nach unten. Dort tat es etwas mehr weh, als auf der anderen Seite, obwohl der Unterschied nicht sehr groß war. Zum Vorschein kam ein großes Hämatom. So schlimm hatte ich es mir jetzt nicht vorgestellt. Auf der anderen Seite war ebenso eins, jedoch wie vermutet etwas kleiner. Dass das ganze sogar noch deutliche Spuren auf meine Haut hinterlassen hatte löste ein mulmiges Gefühl in mir aus. Am liebsten würde ich das alles schleunigst vergessen, aber allein durch die Blutergüsse werde ich bestimmt noch länger daran erinnert.

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Kennt ihr diesen 'Trend' wo man die Äderchen am Kinn platzen lässt? Ich bin ziemlich froh, dass ich das net ausprobiert hab haha. Meine Cousine hat voll des blaue Kinn dadurch 😂

Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//It's DifficultWo Geschichten leben. Entdecke jetzt