Kapitel 62: Reflektion der Gegenwart?

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Hermine nahm einen tiefen Atemzug, schluckte, stand dann auf, stellte sich vor ihn, sie war so nervös bis sie den Blick hob und in seine Augen sah.
Es machte alles Sinn, alles was Harry gesagt und sie hatte sehen lassen; sie wollte ihn, „ist das nicht offensichtlich?", ein kleines unsicheres Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Sie ging noch einen Schritt zu ihm, hob vorsichtig die Hand, streichelte durch seine Haare.
Severus schloss die Augen, es fühlte sich so gut an, er spürte die Wärme an seinem Gesicht, das Pochen ihres Herzens, ihren Atem an seiner Haut, als er die Augen wieder öffnete war ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, die Lippen greifbar nah.
Da war wieder diese Stimme und Sehnsucht in ihm, die wollte, dass sie sich genauso nah waren wie früher, so uneingeschränkt nah.
In seinem Kopf ratterte es, eigentlich wollte er nichts mehr als diese Lippen zu kosten, die ihn so liebevoll anlächelten und beinahe schon verführten, bis er ihre Stimme in seinem Kopf wieder hörte, „ich könnte es nicht ertragen noch einmal so zu fühlen"

Er schluckte, „ich glaube... das geht ein wenig zu schnell", hauchte er samten, legte seine Finger langsam an ihren Hals, steckte ihr eine Strähne hinter das Ohr.
„Du willst nicht", ihr Herz rutschte ihr in die Hose, der aufgebrachte Mut hatte nichts gebracht, außer Schmach.
Ein nervöses Lachen drang aus ihrem Mund, „Entschuldige, ich dachte...", sie löste sich von ihm, versuchte nicht allzu gekränkt auszusehen, „ich hab falsch gedacht.", Tränen der Scham und der Zurückweisung drangen in ihre Augen, die sie versuchte wegzublinzeln, zwang sich zu einem Lächeln, sah ihm kurz in die Augen und wandte sich dann ab.

Severus hielt ihren Arm fest, zog sie sanft zu sich zurück, sie vermied es ihn anzusehen, ließ ihre Haare tief ins Gesicht fallen, „ich könnte es mir nie verzeihen, dir noch einmal wehzutun... bitte, sieh mich an.", flehte er samten.
Hermine hob den Blick, das Rehbraun schien durch die Tränen förmlich zu strahlen, ihre Lippen zitterten leicht, sie versuchte stark zu sein, „ich denke, wir brauchen ein wenig Abstand voneinander, um das alles sacken zu lassen... verstehst du? Die Vergangenheit aufzuarbeiten... das kann manchmal den Eindruck vermitteln, dass Gefühle existieren, die es so gar nicht gibt...weil man sich an die guten Zeiten erinnert."
Sie nickte, spürte seine Arme um ihren Körper, dann seinen Oberkörper an ihrem, er hatte sie in eine tröstende Umarmung gezogen, lehnte seinen Kopf an ihren, strich über ihren Rücken, „Bitte sei mir nicht böse... du bist gerade wieder in mein Leben getreten, da kann ich dich nicht wegen... übereilten Impulsivitäten verlieren. Das musst du verstehen.", bat er eindringlich, aber nicht böse oder anklagend, es tat ihm leid.

Vielleicht war ihr Gefühl genau richtig gewesen, hatte er nicht am Morgen nach der gemeinsamen Nacht genauso gedacht?
Er hatte sich wieder und wieder eingeredet, dass es nur eine Einbildung war, der alten Zeiten wegen, der Intimität wegen, die sie einst geteilt hatten; aber das war keine Reflektion der Gegenwart.
Oder?

Als sie sich löste, suchte er ihren Blick, kniff ihr leicht in die Wange und lächelte aufmunternd, „Omnia tempus habent", was nicht wirklich nach einem Nein klang, nur danach, dass er ein wenig Zeit benötigte, zumindest redete sie sich das in diesem Moment ein.
„Es tut mir leid, dass ich dich immer wieder in solche... Miseren treibe...", Schuld durchzog ihre Stimme.
„Von dir erzeugte Miseren sind beileibe die Schönsten", er schmunzelte leicht.
„Dann... bleiben wir weiterhin in Kontakt?", ein kleiner Hoffnungsschimmer blitzte in ihren Augen.
Er zog sie wieder zu sich, „was für eine Frage."

*

Wochen vergingen und Hermine wartete jeden Tag auf eine Eule oder sonst irgendein Lebenszeichen von ihm, aber nichts erreichte sie, nichts zeigte ihr an, dass er wirklich noch Kontakt wollte.
Sie hätte sich die Haare raufen können, sie hätte sich ohrfeigen können.
Warum hatte sie sich nicht einfach zurückhalten können?
Warum hatte sie nicht einfach den Mund gehalten? Sie hatte alles aufs Spiel gesetzt und wofür?
Für eine eingebildete Schwärmerei?
Aufgewühlt sprang sie aus dem Bett, rannte nach unten, nahm sich ihre Jacke und apparierte zu dem einzigen Menschen, der ihr in dieser Situation helfen könnte.

Ginny öffnete die Tür, musterte ihr Gesicht, seufzte dann, „komm rein..."
„Ginny... ich... hab einfach alles versemmlt.", sie zuckte mit den Schultern, fing schon im Flur an zu Schluchzen, „Alles... ich bin so dumm."
„Was ist passiert?"
„Ich hab ihm gesagt, dass ich mit ihm zusammen sein möchte... eigentlich hab ich gesagt, dass mir die gemeinsam verbrachte Nacht gefallen hat und ich am liebsten immer mit ihm einschlafen und aufwachen möchte... und dann..."
„Dann was?", Ginny sah sie böse an, wie konnte sie jetzt eine Pause machen?
„Dann...", sie seufzte.
„SAG SCHON", brüllte die Rothaarige.
„Dann wollte ich ihn küssen.", gab sie zu.
„Du wolltest? Hast du nicht?"
„Er hat mich aufgehalten", Hermine senkte den Kopf.

Ginny sah sie einfach nur an, sie verstand weder das eine noch das andere.
Hermine wollte Severus küssen und dieser hatte den Kuss abgelehnt, was würde noch alles passieren?
McGonagall würde Filch seine Liebe gestehen und Sprout ihren geliebten Kräutergarten abfackeln?
„Das kann ich nicht glauben", die roten Haare flogen nur so durch die Luft, „das glaube ich einfach nicht!"
„Ich habs wirklich versaut... ich dachte ich könnte es nicht noch mehr versauen als damals.", sie lachte ungläubig auf.
„Warte mal, warum hast du es versaut? Ich meine... was ist danach passiert?"
„Ich hab mich entschuldigt und ihn gefragt, ob wir noch in Kontakt bleiben, was er bestätigt hat...aber..."
„Ich schwöre dir, Hermine, wenn du weiter diese Pausen machst, dann kann Severus zu deiner Beerdigung kommen", giftete sie.
Ein wenig verschreckt sah Hermine über Ginny, schluckte leicht und fuhr fort, „Aber er hat sich bis heute nicht mehr gemeldet... keine Eule, keine Nachricht, nichts..."
Wieder starrte Ginny sie nur an, „Moment... verstehe ich das richtig: du denkst, dass du keine Chancen bei Severus hast, weil er sich ein paar Tage nicht meldet?"
„Ich hab alles kaputt gemacht...", jammerte sie.
„Reiß dich zusammen!", motzte Ginny, „Das ist doch ganz einfach... Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten."
„Du meinst... ich soll einfach zu ihm? Nach Hogwarts?", fragte sie, kam sich dabei ein wenig dümmlich vor.
Ginny zuckte mit den Schultern, „den Weg zum Schloss findest du wohl noch, oder?"

„Warum bist du eigentlich so giftig? Hat Harry irgendetwas vergessen?"
„Ich bin nicht giftig...", sah sie anklagend dabei an, „ich hab tierischen Hunger", lief dann wie von der Tarantel gestochen in die Küche kramte nach etwas Essbaren, dass Harry gerade zur Tür nachhause kam, interessierte sie eher wenig.
„Mine", Harry begrüßte sie freundlich, sah dann leicht besorgt in Richtung Küche, lächelte nervös, „sie hat Hunger, mh?"
„Sie wirkt total durchgeknallt", meinte Hermine, wenn sie ehrlich war machte Ginny ihr mächtig Angst.
„Shhh...", zischte Harry anklagend, versuchte etwas in der Küche auszumachen, setzte sich dann zu ihr, „seit sie aufgehört hat Quidditch zu spielen... ich glaub sie muss das erstmal verkraften."
„HARRY JAMES POTTER", schrie sie plötzlich.
„Ja, Schatz?"
„SAG HERMINE SIE SOLL VERDAMMT NOCHMAL NACH HOGWARTS UND ZWAR JETZT!"
„Wow... ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber Molly ist dagegen leise...", flüsterte Hermine, sah mitfühlend zu ihrem besten Freund und befolgte dann den Befehl ihrer Freundin.

*

Es war bereits Abend, als es an Severus Tür klopfte, er sah von den Aufsätzen auf, legte die Feder beiseite, ging mit einer skeptischen Miene zur Tür, öffnete sie, wollte gerade fragen, ob alle guten Geister aus dem Klopfenden entwichen waren, als er innehielt.
„Hallo, Severus", begrüßte ihn eine weibliche sanfte Stimme, „darf ich reinkommen?"
„Hermine... was für eine Überraschung...", er musterte sie, sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, „natürlich.", er trat zur Seite, schloss dann leise die Tür, „Gegessen habe ich leider schon.", entschuldigte er.
„Ich auch.", sie winkte ab.
„Was machst du hier?", fragte er interessiert, musterte sie, sie sah sehr schick aus, als hätte sie sich extra schön gemacht, was nicht bedeute, dass sie nicht immer wunderschön war.
Sie sagte zuerst nichts, sah ihn einfach nur an, nahm einen tiefen Atemzug, „ich musste dich sehen.", lief ein wenig nervös durch sein Wohnzimmer, sah sich um, „Hier hat sich nichts verändert...", kam zur Couch, „Darf ich?"
„Bitte", er nickte, ging zu ihr, setzte sich mit einem kleinen Abstand zu ihr, sie lehnte sich in die Couch, knabberte nervös an ihrer Unterlippe.
„Möchtest du etwas mit mir besprechen?", fragte er vorsichtig, ihre Formulierung löste leichte Sorge in ihm aus.

Matrimonium - bis dass der Tod uns scheidetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt