Kapitel 3: Ein Horkrux der Grausamkeit

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Sie war kein Mensch, der still über seinen Teller gebeugt war und den anderen am Tisch ignorierte, sie brauchte Konversation und Kontakt, auch wenn es Kontakt und Konversation mit Snape war, es war besser als nichts.
„Haben Sie gut geschlafen?", fragte sie unbeholfen, errötete bei der Frage, obwohl sie völlig harmlos war.
„Das soll nicht Ihre Sorge sein.", gab er murrend zurück, sah sie immer noch nicht an.
„Verstehe... und... was haben Sie heute vor?"

Das war zu viel, er riss die Zeitung beinahe auseinander, zerknitterte sie vollkommen, als er sie wutentbrannt von seinem Gesicht riss und sie mit einem Blick der fiesesten Sorte strafte, „Was verstehen Sie daran nicht, dass ich nicht mit Ihnen reden will? Ich habe kein Interesse daran mich mit Ihnen zu unterhalten, Sie über meine Pläne zu informieren und meine Sorgen mit Ihnen zu besprechen. Kommt das an? Gehen Sie wohin Sie wollen, leben Sie Ihr Leben. Nur weil wir leider durch dieses hirnrissige Gesetz gezwungen wurden einander das Ja-Wort zu geben bedeutet das nicht, dass ich meine Leben mit Freude mit Ihnen teile, verstehen Sie das? Sie bedeuten mir nichts und Sie werden mir nichts bedeuten.", er endete mit einem Schnauben, riss dann die Hände wieder hoch und versenkte seinen Blick in die Zeilen des Schundblattes.

Wie vom Donner gerührt saß sie auf ihrem Stuhl, spürte wie sich die Hitze auf ihr Gesicht und ihr Dekolleté legte, wie die Tränen wieder über ihre Wangen liefen und in den weiten Wollkragenpulli fielen, mit einem plötzlichen Ruck stand sie auf, rannte aus der Küche nach oben auf ihr Zimmer, verfluchte den Mann unten gedanklich und verkroch sich unter der Bettdecke.

Was hatte Kingsley ihr damit nur angetan?
Und warum war er so abscheulich?

Der Krieg war vorbei, er musste niemandem mehr dienen, für niemanden mehr lügen, sich für niemanden in Gefahr bringen. Er konnte gut und nett sein, frei sein.
Vielleicht war er nie gut und nett... und vielleicht wird er es nie sein... du solltest dir keine Mühe geben mit ihm, das ist er nicht wert..., versuchte sie sich selbst einzureden, kam über diese böse Art einfach nicht hinweg.
Mit Dumbledore war er zum Teil noch einigermaßen respektvoll, aber vielleicht war jeglicher Respekt mit Dumbledore gestorben, vielleicht hatte er sich damit seinen eigenen Horkrux der Grausamkeit erstellt und war an ihn gebunden, wurde immer wieder an seine Schuld erinnert, an all das Schlimme, was er erlebt und getan hatte in all den Jahren als Doppelspion.
Der Hunger war wie weggeblasen, zumindest redete sie sich das ein, auch wenn ihr Magen immer noch knurrte.

Der erste Tag des neuen Zusammenlebens begann mit einer Katastrophe, welche kein gutes Omen war.
Sie entschied sich dazu ihn erstmal in Ruhe zu lassen, für ihn war es genauso eine Umstellung und dass er und sie noch nie Freunde waren, das wusste jeder.
Warum hätte er nicht einfach ihr Professor sein können?
Eine Figur in ihrem Leben, die eine wirklich große Rolle spielte, aber mehr auch nicht. Es musste eine Möglichkeit geben diese Ehe anzufechten, es konnte nicht rechtens sein, dass eine Schülerin ihren ehemaligen Professor heiraten musste.
Es konnte sowieso nicht rechtens sein, dass irgendwer gezwungen wurde irgendwen zu heiraten!

Ein paar Stunden später huschte sie leise über die obere Etage nach unten, sie hatte immer noch Hunger, was vermutlich daran lag, dass sie bis auf einen kleinen Schluck Kaffee nichts in sich hatte und stand vor dem nächsten Problem: sie konnte nicht einfach in die Küche, oder?
Es fühlte sich sehr merkwürdig an, einfach durch sein Haus zu laufen und die Schränke zu durchwühlen.
Vorsichtig ging sie ins Wohnzimmer, er stand vor seinem Bücherregal, schien nach irgendeinem Buch zu suchen, sah kurz über die Schulter zu ihr, als er ihre Präsenz spürte, „Haben Sie sich ein Buch genommen?", fragte er streng, suchte jeden Zentimeter der Regale ab.
„Nein, wann denn?"
Er drehte sich zu ihr, „in der Nacht", zog eine Augenbraue nach oben, allein die Art wie sie vor ihm stand machte ihn sauer.
Sie schüttelte den Kopf, „ich... wollte nur fragen, ob ich die Küche benutzen darf", sie kam sich wirklich dumm dabei vor.
„Wenn Sie sie danach wieder aufräumen", es war ihm relativ egal, was sie machte, Hauptsache er müsste nicht dabei sein.
Sie wollte gerade das Wohnzimmer verlassen, als er sie ansprach, „Miss Granger, wenn ich das Buch bei Ihnen finde, dann gibt es Ärger, verstanden?", eingeschüchtert nickte sie, ging dann schnell in die Küche, um sich wenigstens ein Brot zu schmieren, fand zu ihrem Erstaunen sogar einiges an Obst und entschied sich für ein paar Trauben und eine Nektarine neben dem Brot, eine Flasche Wasser würde den Durst stillen.
Sie nahm alles mit nach oben in ihr Zimmer, sie aß lieber für sich allein als seine Abneigung immer im Nacken zu spüren, hatte allerdings die Befürchtung, dass sie auch dafür Ärger bekommen würde.

Ärger bekommen... du bist doch kein kleines Kind mehr..., motzte die Kopfstimme, als sie ganz allein ihren Magen füllte und sich dabei ziemlich jämmerlich vorkam.
Allemal besser als mit Snape, redete sie sich ein, der Groll auf ihn wuchs minütlich weiter.
Bei Snape zu wohnen glich einer strikten Diät, als könnte sie nur einmal am Tag essen weil sie ihn so wenig wie möglich sehen wollte und dafür nahm sie einen knurrenden Magen am Abend auch gerne in Kauf.
Neben dem Hunger drückte vor allem die Langeweile auf ihre Stimmung.
Der Fuchsbau war, trotz der Trauer um Fred, immer lebendig. Ginny, George und Ron hielten Arthur und Molly jeden Tag auf Trab, zusammen mit Harry und Hermine gaben sie den beiden gar nicht die Chance Trübsal zu blasen. Auch wenn Hermine die Ruhe mochte, die Ruhe in diesem Haus glich der eines Friedhofs und Snape persönlich war der Totengräber.

Der Tag zog sich unendlich lange hin, Hermine machte drei Kreuze als die Nacht hereinbrach, sie sich in dem schäbigen Badezimmer für das Bett fertig machen und sich unter der kratzigen Decke ihres Schlafgemachs verkriechen konnte.

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Die Nacht war kurz, wirklich geschlafen hatte sie wieder nicht, das Bett war einfach furchtbar unbequem, sie stand auf, der Rücken knackte und das erste was sie spürte waren unerträgliche Kopfschmerzen, die vom Nacken ausstrahlten.
Schlecht gelaunt zog sie sich die weite Strickjacke über den Schlafanzug und trottete nach unten, betete, dass ein schwarzer Kaffee die Schmerzen eindämmen würde, ansonsten müsste sie Snape nach einem Schmerztrank fragen und das würde wieder in einer Katastrophe enden.
Sie band sich die wuscheligen Haare zu einem Dutt, ging dann nach unten, er saß bereits an seinem Platz, die Zeitung vor seinem Gesicht.

„Guten Morgen", nuschelte sie leise, holte sich eine Tasse mit schwarzem Kaffee und bereitete sich direkt ein Brot zu, bevor er sie wieder vom Tisch jagen konnte.
Als sie sich an den Tisch setzte lugte er leicht hinter der Zeitung hervor, musterte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue, „Sie sind den zweiten Tag hier und lassen sich dermaßen gehen... das kann ja was werden.", kommentierte er, wandte dann leicht angeekelt den Blick ab.
„Ich hab Kopfschmerzen, mein Nacken tut weh, ich fühl mich als wäre ich um 20 Jahre gealtert", stöhnte sie leise, dachte dann nochmal über ihre Worte nach, in 20 Jahren wäre sie 39, ein wenig älter als Snape, du hast ihm gerade quasi gesagt, dass er furchtbar alt ist..., schüchtern sah sie nach oben, sah geradewegs in sein böses Gesicht.
„Das sollte nicht heißen, dass Sie alt sind", versuchte sie ihn zu beruhigen.
„Hören Sie auf zu jammern wie ein Baby. Das ist wirklich widerwärtig.", schnauzte er sie an, zerknitterte die Zeitung als er sie unsanft zusammenlegte, auf den Tisch warf und aus dem Raum stürmte.

Egal was sie sagte oder tat es war einfach alles falsch.
Warum sprach sie überhaupt noch mit ihm?
Sie versuchte nicht mehr daran zu denken, trank den Kaffee, aß ihr Brot, stellte dann das Geschirr in die Spüle und streckte ihren Nacken rechts und links, dass es schauderlich knackte.
Es knackte so laut, dass Snape sich wieder einmal einen Kommentar nicht schenken konnte, „Genickbruch wäre eine Option... aber nicht in meinem Haus."
„Kann der nicht einmal seine Klappe halten?", nuschelte sie aufgebracht, als sie das Geschirr abspülte.
„Kann er nicht", hörte sie vom Wohnzimmer.
Ohren wie eine Fledermaus, dachte sie, einen weiteren Kommentar wollte sie wirklich nicht riskieren.
Angefressen ging sie wieder nach oben, versuchte mit ein paar Dehnübungen die Schmerzen aus ihrem Körper zu bekommen, der Kaffee half nur mittelprächtig.

Als sie die Schmerzen am Mittag ein wenig unter Kontrolle hatte, verließ sie ihr Zimmer erneut, ging zum Eingangsflur, zog sich ihre Jacke und Schuhe an, dachte kurz nach, sie sollte ihm wenigstens Bescheid sagen, dass sie gehen würde, vorsichtig ging sie in Richtung Wohnzimmer.
Er saß nachdenklich in seinem Sessel, den bösen Blick auf den Kamin gerichtet, sie klopfte leise an die Tür, fing sich direkt einen Todesblick von ihm ein.
„Ich gehe für ein paar Stunden zu Ginny und Harry.", meinte sie leise, wandte sich schon zum Gehen um, als er sie ansprach, „es ist mir egal, was Sie machen."

Matrimonium - bis dass der Tod uns scheidetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt