Kapitel 82: Ein tapferer Mann

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„Ich habe immer Recht", nuschelte er gespielt selbstverliebt, „wer wüsste das besser als du, Miss Granger."
Sie verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf, konnte sich allerdings ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen und tauchte wieder in die Welt voller verlorener Erinnerungen ein.
Sie las noch als Severus schon lange schlief, lachte und fieberte mit den Figuren mit, spürte den einen oder anderen Stich in ihrem Herzen und die nicht enden-wollende Hoffnung, dass es doch ein Happy End gab.
Nach weiteren Kapiteln nahm sie einen tiefen Atemzug und schluchzte so laut auf, dass es ihn aus seinen seligen Träumen riss, „was ist los?!", nuschelte er aufgeregt, sah sich panisch um, fand Hermine weinend neben sich, „Was ist denn?"
Sie schüttelte nur den Kopf, drückte ihm das Buch dann in die Hand und weinte weiter, schien gar kein Ende zu finden.
Er strich sich den Schlaf aus den Augen, setzte sich ein wenig aufrechter hin und las die Zeilen nach, die sie so aufgewühlt hatten.

Nach wenigen Minuten sah er zu ihr, sie hatte sich ein wenig beruhigt, ihre Augen tränten zwar immer noch, aber das Schluchzen hatte zum größten Teil aufgehört, „der Tod gehört zum Leben dazu, Hermine."
„Ich weiß... ich weiß... aber... was soll sie denn jetzt machen? Wie kann man denn ein normales Leben führen, wenn man nach so einer langen Zeit wieder alleine ist?", fragte sie betroffen, als wäre es ihre eigene Geschichte gewesen, Tränen rollten wieder über ihre Wangen, die Stimme erstickt.
„Normal wird das Leben nie wieder sein... aber, so, wie ich das hier lese hat sie doch noch Freunde und Enkel... allein ist sie bestimmt nicht."
„Allein vielleicht nicht, aber einsam.", ihr Blick schlug ihm tief in den Magen, er wusste, was sie meinte und es ängstigte ihn, dass sie bereits so bei einer erfundenen Geschichte fühlte.
„Sollen wir das Ende zusammenlesen?", fragte er aufmunternd, „Ich lese es dir vor... dann musst du da nicht allein durch."
Ein trauriges Lächeln erschien auf ihren Lippen, die sie ihm sogleich aufdrückte, dann legte sie sich nah an ihn, bettete den Kopf auf seiner Brust und strich sich nochmal über das Gesicht.
Severus schmiegte seinen Arm um ihren Rücken, streichelte sanft über sie und fing an mit seinem unnachahmlichen Bariton das Ende der Geschichte zu lesen.
Je mehr Severus las desto ruhiger wurde Hermine, die Trauer wurde von positiveren Gefühlen verdrängt, die er in ihr auslöste. Er las und las und zum Schluss war Hermine noch vor dem Ende eingeschlafen, sie nahm ruhige tiefe Atemzüge, der Arm war um seinen Bauch gelegt, Entspannung lag auf ihrem Gesicht.
Als er endete nahm er einen tiefen Atemzug, ein erleichtertes Lächeln legte sich auf seine Züge, er klappte das Buch zu, legte es auf den Nachttisch, sah dann nochmal über die schlafende Schönheit in seinen Armen, „Ende gut, alles gut.", rutschte dann wieder ins Bett und schloss die Augen für die letzten Stunden der Nacht.

Am Morgen wachte Hermine als erste auf, es war ihr ein wenig unangenehm, dass sie in der Nacht so emotional reagiert hatte, umso froher war sie, dass Severus so selbstverständlich für sie da war, dass er ihr sogar das Ende vorlas, auch wenn sie von dem eigentlichen Ende nicht viel mitbekam.
Sie löste sich vorsichtig von ihm, setzte sich auf und verließ so leise wie möglich das Bett, um sich im Badezimmer frisch zu machen.
Die Haare waren verwuschelt wie immer, die Augen wurden von leichten Ringen geziert, Schulterzuckend fing sie an sich zu waschen, warf sich kaltes Wasser ins Gesicht, putzte sich die Zähne, cremte sich ein und bändigte die weichen Locken zu einem Zopf. Als sie einigermaßen ansehnlich aussah, verließ sie das Badezimmer, „Guten Morgen", sie lächelte liebevoll, als sie ihn auf der Bettkante sitzen sah.
Mit schnellen Schritten war sie bei ihm und setzte sich neben ihn, streichelte sein Wange, um ihm danach einen Kuss zu geben.
„Geht es dir wieder besser?", fragte er besorgt, strich über ihren Kopf und den Rücken, „Du hast das Happy End verpasst", er schmunzelte leicht.
„Ich musste das Ende gar nicht hören", meinte sie, was ihm einen interessierten Blick entlockte, „es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.", senkte den Kopf dabei.
„Du kannst mich immer wecken", er drückte mit zwei Finger sanft ihr Kinn hoch, „vor allem, wenn es dir schlecht geht."
„Es ist mir ein wenig unangenehm... es ist nur eine Geschichte, aber ich hab mich so in sie hineinversetzt...", gestand sie leise.
„Glaubst du ich nehme es dir übel, wenn du traurig bist?", er zog sie zu sich in die Arme, legte seinen Kopf auf ihren, „Ich werde dich immer auffangen, egal weshalb du traurig bist... du wirst nie mehr alleine oder einsam sein.", versprach er.
Sie sah auf, suchte seinen Blick, „womit hab ich dich nur verdient?", strich über seine Brust und knöpfte langsam das Pyjamaoberteil auf und schob es ihm vom Körper.
„Die Frage gebe ich zurück", nuschelte er, zog sie dann auf seinen Schoß und ließ sich mit ihr vor der Brust ins Bett sinken.

*

Einige Tage später klopfte eine Eule an das Fenster seiner Kerkerräume, Severus, der sich an die Korrekturen einiger Aufsätze gewagt hatte, stand auf, nahm der Eule den Brief ab, der an Hermine gerichtet war.
Er gab ihr den Brief, setzte sich dann wieder an seinen Schreibtisch und strich weiter mit der Feder über die Zeilen und scheinbar unendlichen Fehler in diesen Aufsätzen.
Sie las aufmerksam die Zeilen durch, seufzte leicht, stand vom Bett auf und verschwand im Badezimmer, „Severus? Ich muss für eine Weile ins St.Mungos", rief sie durch das Schlafzimmer, während sie sich fertig machte, „Hast du gehört?", fragte sie, als er keine Antwort gab, „Severus...", verließ das Bad, um nachzusehen, warum er ihr nicht antwortete, sah ihn seelenruhig am Schreibtisch sitzen.
„Warum antwortest du mir nicht?", fragte sie fast schon anklagend.
„Dein Wunsch, mich zu verlassen, stößt bei mir auf taube Ohren.", säuselte er, sah dabei gespielt hochnäsig auf die Unterlagen vor sich.
„Der Wunsch dich zu verlassen...", sie lachte, ging zu ihm, lehnte sich an ihn und streichelte durch seine Haare, „dieser Wunsch wird nicht aufkommen.", versprach sie, strich über seine Brust.
Er seufzte leicht, ließ die Feder sinken und drehte sich zu ihr, sah ihr offen ins Gesicht, „wie soll ich diese unendlich langen Stunden nur aushalten ohne dich?"
„Du bist ein tapferer Mann, du wirst das schon schaffen.", sie nickte, drückte ihm ihre Lippen auf den Mund, was in einer leidenschaftlichen Knutscherei resultierte, „Ich muss wirklich los", nuschelte sie zwischen zwei Küssen, eiste sich dann von ihm los, band die wuscheligen Haare zu einem Zopf.
Sie rannte ins Schlafzimmer, zog sich eine Bluse an, nahm ihre Tasche mit und rannte wieder durch das Wohnzimmer, warf ihm noch, bevor sie seine Räume verließ, einen Handkuss zu.

Sie hatte sich angewöhnt die Geheimgänge zu nutzen, um schneller das Schloss betreten und verlassen zu können, was ihr an diesem Morgen sehr gelegen kam, denn sie wollte so schnell wie möglich wieder zurück.
Abgehetzt apparierte sie ins St.Mungos, lief in die Umkleide, zog ihren Kittel mit dem Namensschild an und nahm ihre Arbeit auf. Neben einer Studie, dessen Ergebnisse sie noch zusammenfassen musste, wurde sie einige Male zu Patienten gerufen, die bestimmte Salben benötigten für allerlei kleine Verletzungen, zum Teil durch fehlgeschlagene Zauber, zum anderen Teil durch Unfälle im Haushalt.
Sie hatte sich gerade an die Studie gesetzt, als eine Kollegin sie wieder aus der Konzentration zog, „kannst du kurz mitkommen? Wir haben in der Notaufnahme eine eiternde Wunde mit deutlichen Entzündungszeichen.."
Sie widerstand dem Drang die Augen zu verdrehen, schob die Unterlagen beiseite und folgte der dunkelhaarigen Hexe in die Notaufnahme.
Bevor sie den Patienten erreichte zog sie sich Handschuhe an, ließ einen Hocker zu sich gleiten, setzte sich auf das Polster und wandte sich dem Mann zu, „Guten Tag, ich bin- Matt? Was machst du denn hier?", erstaunt sah sie über den jungen Mann, den sie beinahe gänzlich vergessen hatte in den letzten Wochen und Monaten.

„Hermine", ein wenig perplex, aber durchaus glücklich musterte er sie, sah dann leidend auf sein Bein, „Ich wurde von einer verrückten Taube angegriffen... erst war es nur ein kleiner Kratzer, aber es heilt einfach nicht. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer...", er zeigte den mittlerweile stark entzündeten Kratzer, der sein Bein um ein Vielfaches hatte anschwellen lassen.
„Was war das denn für eine Eule?", fragte sie lachend, sah mitleidig auf sein Bein, säuberte die Wunde, öffnete eine kleine Kruste, um den angestauten Eiter abfließen zu lassen, der widerwärtig stank.
„Oh Gott", Matt sah angeekelt auf sein Bein, hielt sich die Hand vor den Mund, konzentrierte sich dann auf Hermine, die unbeirrt ihrer Arbeit nachging, vergas fast den Geruch und die Schmerzen, die sich beinahe schon in einen wohligen Druckabfall verwandelten.
Als sie darauf wartete, dass sein Bein sich entleerte, sah Hermine zu ihm, lächelte aufmunternd, „es wird dir gleich auf jeden Fall besser gehen... warum hast du nur so lange gewartet?"
Er zuckte nur mit den Schultern, „ich dachte es wird besser... naja so sehe ich dich wenigstens mal wieder", er lachte leicht, „du hast dich nicht gemeldet, Hermine... länger als üblich."
Hermine nahm einen tiefen Atemzug, „Matt... ich... es tut mir leid, dass ich-... ich glaub, da gibt es etwas, was ich dir sagen sollte. Ich hab dich wirklich gern, du bist ein guter Mann... aber-"
„Du bist wieder mit deinem Freund zusammen", sagte er, lächelte ein wenig traurig.
„Ja... bin ich."
„Im ersten Moment tat es wirklich weh... aber ihr passt gut zusammen. Ron und du ihr wart schon früher ein Traumpaar..", er hatte sie unzählige Male auf der Titelseite des Tagespropheten gesehen, es musste so kommen, Hermine und Ron hatten nun einmal unbestreitbar viel miteinander erlebt.
„Was? Ron und ich?", Hermine hielt inne.
„Ich muss gestehen, ich war vor ein paar Wochen an deinem Haus und wollte dir einen Strauß Blumen vorbei bringen, dich auf einen Kaffee einladen... als ich in die Straße eingebogen bin kam er aus deinem Haus. Bitte versteh mich nicht falsch, ich freue mich wirklich für dich."

Matrimonium - bis dass der Tod uns scheidetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt