XLVII

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Kennt ihr diese unbehagliche Stille? Wenn man nicht weiß was man sprechen soll. Sich dauernd darüber Gedanken macht was man sagen könnte, es aber nicht tut. Tja, so ging es mir die ganzen 75 Minuten Autofahrt. Zwar wollte ich kein Gespräch beginnen, aber ich hätte es schon angenehm gefunden wenn er mich etwas gefragt hätte. Nur eine Kleinigkeit. Oder vielleicht wo genau wir hinfahren würden. Doch er schwieg oder redete wenn dann nur mit dem Fahrer. 

Das machte mich ganz nervös. Während er gelassen zurückgelehnt im Sitz saß, drehten sich meine Gedanke um das Wohin. Wie sehr ich auch meinen Kopf darüber zerbrach welche Schlüsselwörter möglicherweise gefallen waren, um mir dies zu verraten, es half alles nichts.

Nur mein innerster Geist, der meine Unruhe war, versuchte mich zu beruhigen. Fieberhaft arbeitete mein Verstand, doch je mehr ich darüber nachdachte um so heftiger raste mein Herz. Meine Hände wurden schwitzig. Beruhige dich. Er wird dich schon nicht durch die Gegend kutschieren um dich dann umzubringen. Schon gar nicht in diesem Kleid. Das muss ihn viel zu viel gekostet haben, als das er es für solch einen Anlass verschwenden würde. Versuchte ich mir selbst etwas die Nervosität zu nehmen. Nun, es glückte mir nicht besonders gut. Meine Hände schwitzten immer noch. 

Vorsichtig lugte ich zu Ace hinüber, der in einer schwarzen Mappe las. Hastig wischte ich mir die Hände unauffällig an dem Stoff des Sitzes ab. Das Kleid war mir persönlich dafür zu schade. Anschließend rutschte ich vorsichtig in seine Richtung. Nur ein paar cm, denn ich wollte unbedingt wissen was genau er sich da ansah. Ich konnte nur ein bisschen das Papier überfliegen. Vor allem die Dick gedruckte Schrift war gut aus dieser Entfernung zu entziffern.  Vielleicht gab mir etwas davon Aufschluss darüber wo wir hinfuhren. #76 Versammlung: Notfallsitzung. Eine Notfallsitzung? So etwas machten sie? Und was sollte das bedeuten? Versammlung? Hieß das dort trafen sich ganze Meuten die eventuell über den Tot von Menschen deputierten. Vorgehen gegen Verstöße der Vereinbarung vom 6 Juli 134 v.Chr. Meine Augen wurden größer. Sehr interessant. Denn das würde bedeuten das Werwölfe bereits eine halbe Ewigkeit existierten. Nachdenklich musterte ich weiter das Papier. Ob wir Jäger auch schon so lange existierten? Im verborgenen gegen diese Monster gekämpft hatten? Datum des Verstoßes: 13.03.2020, Marduh T. Art des Verstoßes: Mord an menschlichen Wesen. Nun musste ich wirklich hart schlucken. Ein Werwolf hatte Menschen ermordet, dass war soweit nichts neues. Das taten sie doch ständig. Was mich zum schlucken brachte war, dass diese Person eine Bestrafung erhalten sollte. Und diese Bestrafung war...der Tot? Verwirrt versuchte ich mehr zu erkennen und zu lesen, doch er hielt das Blatt so ungünstig geknickt, das ich nichts weiter lesen konnte. Das ließ mich nachdenken. Sie mordeten doch dauernd. Unter anderem meine Mutter... Doch wieso wurde dieser hier bestraft. Sollten sie doch eine Struktur in ihrem Leben haben? Eine strukturierte Gesellschaft sein? Unsinn! Ich schüttelte meinen Kopf und wollte weiter lesen, doch da klappte er das Heft mit einer schnellen Bewegung zu. 

"Du hast keinerlei Anstand! Ließ nicht einfach Dinge die dich nichts angehen!" zischte er sauer und ließ das Heft abrupt verschwinden. Das er mir gerade eine kleine Standpauke zu halten versuchte störte mich nicht weiter. Ich wollte wissen was das zu beuteten hatte, was ich gelesen hatte. "Wer ist dieser Marduh?" hackte ich nach und stotterte mir einen ab, da ich nicht so recht wusste wie dieser komische Name auszusprechen war. "Ich wüsste nicht was dich das angeht!" knurrte er leise und wandte seinen Blick aus dem Fenster. "Einer von euch?" bohrte ich weiter. "Was hat er schon getan, dass ihr ihn töten wollt? Nur weil er ein paar wertlose Menschen ermordet hat? Das kann ja nicht alles sein." provozierte ich ihn weiter. "Ein Menschenleben ist in eueren Augen doch nichts wert. Ihr seit doch alle dafür wenn..."

"Sei endlich still. Du weißt ja gar nicht wovon du sprichst!" sein Kiefer zuckte kaum merklich während er sprach. "Dann klär mich auf." forderte ich. Wer weiß, vielleicht würden mir diese Informationen ja helfen diese Welt mehr zu verstehen. Genervt sah er mich an. "Alles was du wissen musst ist, das Marduh der Beta Wolf eines mächtigen Alpha war. Dieser trieb sein Rudel, seine Sippe in die Dunkelheit." murmelte er und ich konnte Hass darüber in seinen Augen erkennen. "Marduh tötete auf den Befehl und aus freiem Willen hin unzählige Menschen." Oh. Unzählige....,  ich empfand plötzlich eine tiefe Trauer, welche ich glaubte von den angehörigen der Opfer zu spüren. "Er töte und quälte. Und er läuft immer noch hier irgendwo herum." Das hätte er nun wirklich nicht noch hinzu fügen müssen. Die Unruhe in mir stieg drastisch an. Er schien das zu bemerken und ein fieses grinsen huschte über sein Gesicht. "Keine Sorge, blieb bei mir und dir geschieht nichts schlimmeres."  Ich zog eine Augenbraue  nach oben. Hatte er wirklich gerade gesagt, nichts schlimmeres? Er wusste also selbst das ich es nicht wirklich angenehm mit ihm hatte. Das brachte mich dann doch dazu das ich leise lachen musste. Immerhin zeigte er Einsicht und das war ja wohl der erste Weg zur Besserung. Schmunzelnd sah ich ihm ins Gesicht. Was mich gleich noch mehr in lachen ausbrechen ließ. Ich kann dieses Gesicht gar nicht genau beschreiben. Er schien... verwirrt oder überrascht zu sein. Geschockt darüber das ich lachte? Oder geschockt über seine eigene Selbsteinschätzung. Unterdessen stiegen mir die Tränen in die Augen und ich konnte erkennen wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte und er leicht zu schmunzeln begann. Waren wir schräg? Wir lachten bei solch einem Thema. Nun ich durfte es wohl, aber er wirkte sonst immer so ernst. Dieser Gesichtsausdruck war angenehm. 

Ich räusperte mich hastig. "Gut zu wissen." sagte ich leise und wendete mich etwas ab, damit ich aus dem Fenster blicken konnte. Das war das Ende des Gespräches. Die restliche Zeit der Autofahrt schwiegen wir uns wieder an. Doch ich hatte den Eindruck das die Spannung in der Luft geringer geworden war. Meine Hände schwitzten weniger und ich konnte es kaum erwarten aus dem Auto zu steigen. Als ich zwischenzeitlich zu ihm herüber schielte, bemerkte ich das seine Haltung weniger aggressiv und angespannt war. Wir machten wohl Tippel schritte in Richtung Besserung. 

Als er mich das nächste Mal ansprach, drängte er mich aus dem Auto zu steigen. Dabei hatte seine sonst so gebieterische Stimme einen sanfteren Nachdruck als ich es gewohnt war. "Wir sind da."

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