LXIX

3.5K 166 13
                                    

Meine Schritten knirschten laut über den Boden, unüberhörbar. Ich gab mir aber auch keine große Mühe sie abzudämpfen. Mein Körper hatte so viel mitgemacht in letzter Zeit, er durfte laut sein.
Während man mich also trampeln hörte, schlich Ace auf leisen Sohlen durch die Gegend. Es war beängstigend zu sehen wie er sich bewegte ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben. Er musste sich nicht einmal anstrengen. Er war von der Natur so geschaffen worden, sich problemlos an alles heranschleichen zu können ohne einen laut zu machen. Und das machte mir Angst. Wenn sie alle so unglaublich leise waren, wie konnte ich mir sicher sein, daß ich sie im Wald nicht übersehen hatte? Das sie nicht hier in der Nähe lauerten und uns beobachteten?
Jeder Zweig der im Wind raschelte, ließ mich ein klein wenig zusammen zucken. Mein Blick huschte überprüfend durch die Gegend.

"Wieso so nervös?" Mein Blick hing an einem der Bäume fest. "Bin ich doch gar nicht."

"Verstehe." Er blieb vor einem Haus stehen, in dessen Vorgarten bereits mehrere Leute auf Liegestühlen lagen und sich unterhielten. Obwohl sie uns vermutlich kommen hörten, reagierten sie nicht auf uns. Sie wirkten jung, etwa in meinem Alter. Oder seinem, aber definitiv nicht über die dreißiger. Und je genauer ich sie mir betrachtete, umso mehr bekam ich das Gefühl in einer Realty Show für Models reinzuplatzen. Ihre Gesichter und Körper schienen wie Bögen elegant und stark zu sein. Ähnlich dem von Ace, auch wenn ich gerne sah das dieser noch ein paar mehr Muskeln aufzuweisen hatte, als die anderen Männer.
Während ich mir seine Freunde etwas genauer besah, wand er sich von ihnen ab. Mit einer schnellen Handbewegung stoppte er auch mich im gehen. "Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn es das ist." Angst, dieses Wort kenne ich doch gar nicht. Wie kommt er nur darauf?

"Das ist es aber nicht." Zerknirscht blickte ich ihn an. Abwartend das ich erklärte was es dann war, blickte er mich an. "Ich habe nur erkannt wie gefährlich du bist." Ich dachte er würde mich auslachen oder arrogant ansehen, doch stattdessen blickte er mich nur mit einem undurchsichtigen Blick an. Als würde er meinen Worten zustimmen. "Jetzt erst?" Blitzschnell machte er einen Schritt auf mich zu, schnappte meine Hände und hielt sie vor meinem Bauch zusammen. "Diese Erkenntnis kommt reichlich spät." Der Druck an meinen Händen wurde schmerzhafter während er sprach. "Was hast du gedacht was ich bin? Ein kleiner Stoffbär?" Nun lachte er doch.

"Nein, aber ich dachte als Jä...Mensch hätten wir doch noch irgendwo eine Chance euch zu besiegen. Aber ich habe bemerkt das ihr langsam erst ernst macht." Seufzend zerrte ich meine Hände wieder hervor und rieb sie mir. Seine Sinne, seine Geschwindigkeit, es kam mir vor als hätten die Wölfe die wir damals gejagt hatten, all dies nicht besessen. Ich konnte mich an keinen Eintrag in einem Buch, keinen Bericht oder eine eigene Erfahrung erinnern, in denen die Jäger von derartigen Vorteilen eines Werwolfes berichtet hätten. In diesem Moment nahm ich an das unmöglich alle Werwölfe diesbezüglich gleich sein konnten. Es gab Abstufungen in einem Rudel, das wusste ich schon. Aber es musste auch Abstufungen der selben Ränge geben. So konnten unmöglich Alle Alphas gleichermaßen Stark sein. Oder die Betas und diese anderen. Zu gerne wüsste ich ob Ace eher einer der stärkeren oder schwächeren Alphas war. Vielleicht lag er auch dazwischen. Doch leider fehlten mir die Erfahrungen um dies klassifizieren zu können. Was vermutlich auch gar nicht so schlecht war. Wer wollte schon Bekanntschaft mit diesen Kreaturen machen? Seufzend rieb ich mir erneut über das Handgelenk. "Das tat weh du Idiot!" Er überging meine Beleidigung und blickte die Gruppe der Leute nachdenklich an. "Ich kann ja schlecht meine Mate mit allem was ich aufzubieten habe angreifen." Was habe ich gerade noch gesagt? Ich hatte es geahnt.  Also hatte er noch deutlich mehr zu bieten. Das weckte mein Interesse. Ich wollte es die ganze Zeit schon wissen, was er alles drauf hatte. Wie stark er war, wie er sich verwandelte, alles. Das wären nützliche Informationen. 

"Warum nicht?" Fragte ich deswegen herausfordernd. Verwirrt sah er mich an. "Was meinst du?"

"Warum zeigst du es mir nicht? Ich will es sehen."  Einen Moment schien er es für einen Scherz zu halten, doch als er in meine Augen blickte ebbte sein Lachen ab. "Du meinst es ernst." Stellte er nun endlich fest. "Blitzmerker. Warum auch nicht oder? Ich sollte wissen worauf oder eher auf wen ich mich einlasse." Ace atmete tief ein, offenbar musste er schwer nachdenken. "Na schön. Später." Später. Ich musste grinsen. Dann würde ich endlich mal sehen was Sache war. "Komm jetzt. Ich stell dich vor."

"Wieso?" Darauf war ich nicht unbedingt scharf. "Muss das sein?" Missbilligend besah ich mir die Gruppe. "Wer sind die?"

"Nun, ob du es mir glaubst oder nicht, aber ich habe auch einige Freunde." Langsam setzte er sich wieder in Gang und zog mich dabei unfreiwillig mit. Wir kamen im Garten an, standen im Eingang. "Du hast recht, ich glaub dir nicht." Murmelte ich leise. Forschend betrachtete ich alle Gesichter und versuchte sofort zu entschlüsseln was ihre Absichten waren. Doch zu meinem Entsetzen grinsten sie uns fröhlich entgegen. Wie ganz normale Menschen. Und es sah tatsächlich ehrlich aus. Irritiert blickte ich zurück. Ein lächeln konnte ich nicht zustande bringen. Wollte ich auch nicht. Außerdem konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen das er Freunde hatte. Diese Vorstellung trieb mein Hirn an die Grenze. Während Ace sie alle begrüßte und sich in Erzählungen verstrickte, torkelte ich etwas unsicher hinterher. Am Rande bekam ich mit wie er mich allen als seine Mate vorstellte und Dinge über mich ausplauderte, für die ich ihm die Zunge heraus reißen wollte.
Ich hielt mich bedeckt und reagierte nur auf die paar Höflichkeitsfragen seiner Freunde. Ich wollte keinen Kontakt, erst recht nicht wenn man bedachte was ich vor hatte.
Wir blieben nicht lange, man bot uns Getränke an doch Ace schlug sie aus, da er offenbar noch woanders mit mir hin wollte. Juhu. Ich beobachtete ihn haargenau, wie er da stand und sich mit diesen Leuten unterhielt. Er wirkte locker und entspannt. Auch das fand ich skurril zu beobachten.
In Gedanken versunken bemerkte ich erst nicht das ich angesprochen wurde. Es dauerte einen Moment bis ich reagierte. "Hi. Alicia? Richtig? Hi." Okay, ich mag deine Stimme nicht, bitte lass mich in ruhe und geh zu den anderen zurück. Murrte ich leise in mich hinein. "Es freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Cassy." Was soll das hier werden? Hatte Ace sie dazu angestiftet? Wollte er das ich hier sowas wie Freunde fand? Und tatsächlich: "Ace meinte das wir vielleicht des öfteren mal was gemeinsam unternehmen könnten." Meine Augen wurden schmal, meinen Mund presste ich zusammen. "Ich dachte da an ein Coffeeshop. Wir könnten was trinken? Oder besser einen Mädels Abend? Filme, Snacks und Gequatsche." Was denkt er sich dabei jemanden auf mich anzusetzen? Zornig warf ich einen Blick in seine Richtung. Er bohrte sich lediglich in seinen Rücken. Der konnte was erleben! Aber zuerst einmal wand ich mich dieser Cassandra, oder wie sie noch gleich hieß zu. "Nur um das klar zustellen:" unterbrach ich sie "Ich habe keinerlei Interesse an einer Bekanntschaft mit dir ." Einen Moment war es totenstill. Sämtliche Personen schienen die Luft anzuhalten. Dann hörte ich Gelächter aus vielen verschiedenen Mündern. Aus meinem eigenen drang nur ein seltsam harter kehliger Laut, der definitiv Verachtung ausdrücken sollte. Ich war keine Person die auf diese albernen Freundschaftsangebote einging, geschweige denn das ich so etwas für angebracht hielt. Ich suchte mir die Leute mit denen ich Kontakt haben wollte selbst aus, wenn ich denn überhaupt mit jemanden sprechen wollte. Ace war eine der wenigen Ausnahmen, auf die ich zu Beginn keine Lust gehabt hatte, beziehungsweise zu deren Kontakt ich genötigt worden war. Das ich nun weitere Kontakte von solch aufdringlichen Personen vermeiden wollte, war nur natürlich. Im Nachhinein betrachtet hätte ich es allerdings etwas freundlicher formulieren können, denn jedes Handeln hatte seine Konsequenz. Meines in diesem Fall eine besonders schlimme, das wusste ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Die Frau vor mir stand mit offenem Mund und erschütterndem Blick da, betrachtete mich als wäre die unhöflichste Person auf diesem Planeten. Bis sie beschloss nur noch freundlich zu nicken und dann mit eingezogenem Kopf von dannen zu schleichen. 

WolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt