57. Im Nebel

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Die Bucht von Ryba war voller Nebel

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Die Bucht von Ryba war voller Nebel. Dicke, schleimige Schwaden krochen vom Ozean aus in die Stadt und sperrten das Licht der Herbstsonne aus. Der Winter stand vor der Tür – und das hielt für die Bewohner von Ryba eine ganze Reihe von Herausforderungen bereit.

Jedes Jahr bildeten sich in nördlichen Regionen große Mengen Packeis, die unter ungünstigen Bedingungen mit dem Auralstrom bis nach Myr Ryba gelangen konnten. Die Bucht selbst war durch die vorgelagerten Kalksteinfelsen geschützt, dennoch wurden längere Reise- und Fischfangunternehmungen durch die großen Mengen an Treibeis teilweise erheblich behindert. Gleichzeitig bot diese Wetterlage aber auch einen guten Schutz gegen eventuelle Invasoren von See.

»Was hat Zobel gesagt?«, fragte Silur Weller, der mit auf dem Rücken verschränkten Händen neben Orka Narwal hertrottete. Der Kommandant der Stadtwache war ein großer, gramgebeugter Mann mit aschgrauen Haaren und violetten Ringen unter den stets traurig wirkenden Augen. Er trug einen eisernen Brustharnisch, der ihm deutlich zu weit war, und darunter ein dunkelblaues Wams mit weißem Kragen und bauschigen Ärmeln. Irgendwie, fand Cyan, sah er damit aus wie ein betrübter Hofnarr.

Narwal ließ seinen Blick gedankenverloren über die Segelschiffe schweifen, die am Fernhandelhafen vor Anker lagen und halb im Nebeldunst versanken. Im Gegensatz zu seinem wachhabenden Kollegen hielt er sich auffällig gerade und hatte eine Hand auf den Griff seines Säbels gelegt. »Wenn sie den Hahnenkamm bis Holilevke nicht passiert haben, werden sie es erst im Frühjahr wieder bis nach Myr Ryba schaffen.« Narwal blieb stehen und wandte den Kopf nach Süden, als wollte er die kalte Brise auf dem Gesicht spüren. »Sofern König Fridur nicht irgendeine neue Teufelei aus dem Ärmel schüttelt.«

»Wie meint Ihr das?«, hauchte Weller.

Narwals Blick wanderte zu Cyan.

»Nun, so wie es aussieht, verfügt der König über eine Armee aus Myrkuren«, erklärte Cyan, wobei er sich bemühte, möglichst langsam und deutlich zu sprechen. Silur Weller war nicht unbedingt für seinen Scharfsinn bekannt. »Ich vermute, seine Hofmagier – allen voran Großmeister Kanto Dan de Nowy – befehligen diese Armee.«

Weller sah verständnislos zwischen Cyan und Narwal hin und her.

»Dazu kommt eine ganz und gar menschliche Streitmacht«, ergänzte Narwal nachdenklich und setzte sich langsam wieder in Bewegung. »Derzeit sammeln sich die königlichen Truppen am Fuß des Winterberges. Niemand weiß, was König Fridur mit ihnen vorhat.«

»Und dann ist da noch der Heiland«, bemerkte Cyan düster.

Im ganzen Land erzählte man sich vom mysteriösen Heiland. Offenbar handelte es sich um einen Vertrauten des Königs. Es wurde vermutet, dass er magische Kräfte besäße. Oder zumindest die Gabe, König Fridur mit Visionen der Zukunft zu versorgen. Cyan fragte sich, ob die Gerüchte der Wahrheit entsprachen. Wenn ja, war dieser ominöse Heiland ein Mensch oder ein Myrkur? Oder etwas vollkommen Anderes? Manch einer behauptete, der Heiland wäre ein Gott. Aber das konnte unmöglich die Wahrheit sein. Vielleicht handelte es sich auch nur um das Hirngespinst eines größenwahnsinnig gewordenen Königs.

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt