69. Die Geister, die ich rief

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Als Cyan von seinem Werk aufsah, war es bereits Abend

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Als Cyan von seinem Werk aufsah, war es bereits Abend. Orangerotes Dämmerlicht fiel durch die verstaubten Fensterluken herein und malte verzerrte Muster auf die antiken Möbel und den zerkratzten Dielenboden.

Cyan setzte sich auf, was seine Wirbel knacken und ein unangenehmes Ziehen durch sein Rückgrat wandern ließ. Ächzend legte er die Kreide beiseite und streckte die Beine aus. Neben ihm lag eines der Bücher, die er aus der Gilden-Bibliothek entwendet hatte. Darin waren die höchsten Anrufungen der neuen Magie aufgeführt. Wesen, die so mächtig waren, dass sie angeblich den Lauf der Zeit verändern konnten. Fragte sich nur, ob Gamigin – der Myrkur, dessen Siegel Cyan in den vergangenen Stunden auf den Boden des Turmzimmers gezeichnet hatte – auf seine Anrufung reagieren würde. Wenn nicht, wäre ihr schöner Plan gescheitert, noch bevor sie zum wirklich komplizierten Teil kamen. Der Gedanke machte Cyan ziemlich mutlos.

Sein Blick wanderte zu Pike, der dem Skelett im Bettalkoven Gesellschaft leistete und in irgendwelchen Aufzeichnungen blätterte.

»Und?«, fragte Pike, ohne von seiner Lektüre aufzusehen. »Ist es vollbracht?«

Cyan betrachtete das verschlungene Kreidezeichen. Es war der bisher aufwendigste Bannkreis, den er je gezeichnet hatte. Und wenn ihm dabei auch nur ein kleiner Fehler unterlaufen war, würden sie vielleicht alle sterben. Zum Glück hatte er normalerweise ein sicheres Händchen, was Bannkreise anging. Jedenfalls war ihm diesbezüglich noch nie ein Fehler unterlaufen.

»Ja, ich denke, es ist vollbracht.« Cyan wischte sich die schmutzigen Finger am Mantel ab. »Was lesen Sie da?«

»Schwer zu sagen«, erwiderte Pike. »Der Schreiber hat eine Sauklaue und mein Sudmarisch ist etwas eingerostet. Aber vermutlich handelt es sich um die Aufzeichnungen unseres Ungeheuers.«

»Und was schreibt es?«, fragte Cyan, während er mit einer Hand seinen verspannten Nacken massierte.

»Nicht viel Aufschlussreiches. Anscheinend sind ihm einfach eines Tages Flügel gewachsen.« Pike raschelte mit den Papierbögen, die so aussahen als könnten sie jederzeit zu Staub zerfallen. »Offenbar in Folge einer Infektion mit hohem Fieber.« Er fasste sich an die Brust. »Außerdem berichtet er von einem hellen Licht, das manchmal aus seinem Körper gekommen ist.«

»Ein Licht?«

»So deute ich dieses Gekritzel jedenfalls.«

»Erinnert mich an Fräulein Dan de Lion«, murmelte Cyan, wobei er an den Vorfall in der Vannacht zurückdachte. An das grelle Leuchten, das aus Iris' Brust gequollen war und sich mit dem Licht des gefallenen Sterns vermischt hatte. »War der Sohn des Grafen auch vom alten Volk?«

»Nein, angeblich verarmter Vjetar-Adel, der vor seinen Gläubigern in diese Gegend geflüchtet ist. Ihm wurde sogar der Titel aberkannt, aber die Menschen in dieser Gegend nennen ihn immer noch Graf

»Nun, streng genommen, sind die Vjetar auch altes Volk. Wir bezeichnen sie nur nicht so. Genau wie die Gusaren und die Inulak.« Cyan suchte sich eine bequemere Position auf dem harten Untergrund und fuhr fort: »In den Legenden heißt es, die Wodminsch, die Vjetar, die Gusaren und die Inulak würden von den Menschen abstammen, die die Götter einst aus dem Wachs der ersten Kerze geformt haben. Die Vjetar wurden demnach von Jordardt erschaffen, die Gusaren von Lacuna, die Inulak von Eldur und die Wodminsch von Eydna.«

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt