46. Mein Feind und Lebensretter

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»Wo ist Ihr Hausdiener, Herr Forelli?«, fragte Pike ohne den Revolver zu senken

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»Wo ist Ihr Hausdiener, Herr Forelli?«, fragte Pike ohne den Revolver zu senken. Obwohl er lächelte, waren seine Augen kalt und emotionslos. Er empfand keinen Triumph, keine Freude, keine Furcht. Oder er hatte gelernt, seine Gefühle perfekt zu verbergen.

»Bitte«, hauchte Cyan, taumelte und sackte auf die Knie. Durch die Bewegung wurde noch mehr Blut aus seiner Wunde gepresst. Der Stoff seines Hemds war bereits vollkommen durchtränkt und klebte wie eine zweite Haut an seinem Körper. »Verschone meine Schwester. Sie weiß überhaupt nichts. Ich werde dir alles sagen, was du wis...«

Zum Ende des Satzes hin verlor seine Stimme immer mehr an Kraft. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Die verschlungenen Kieswege, der gläserne Wintergarten, die neu angelegten Blumenrabatte und die blaue Sonne versanken hinter einem schwarzen Horizont. Er spürte nicht, wie er fiel. Auch der Schmerz beim Aufprall wurde von gnädiger Besinnungslosigkeit gedämpft.

Als sich die Finsternis wieder lichtete, konnten nur wenige Sekunden vergangen sein. Er hörte die Stimme seiner Schwester. Ihre genauen Worte konnte er durch das Rauschen in seinen Ohren nicht verstehen, aber es klang, als würde sie beschwörend auf Pike einreden.

Cyan wollte etwas sagen, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht. Der Schmerz hatte eine unheimliche Körperlosigkeit angenommen. Er schien überall zu sein, in ihm und auch um ihn herum. Wie ein Schatten, der ihn umwaberte und die scharfen Klauen immer tiefer in sein Fleisch grub. Ein strenger, metallischer Geschmack trat auf seine Zunge. Durch den Klammergriff der Ohnmacht spürte er die Ausläufer einer gewaltigen Furcht. Wäre es ihm möglich gewesen, klar zu denken, hätte er mit Sicherheit vor Angst den Verstand verloren. Dabei war es weniger sein eigenes Leben, um das er sich sorgte - auch wenn es dazu vermutlich genug Anlass gegeben hätte - sondern das seiner Schwester.

»-nichts sagen, solange mein Bruder in diesem Zustand ist.« Enzias schrille Stimme durchbrach den Nebel in seinen Gedanken.

Die Antwort darauf konnte er nicht hören, aber dann sah er plötzlich Pikes hageres Gesicht über sich schweben. »Herr Forelli.« Der Auftragsmörder der Calamari-Familie klang regelrecht vorwurfsvoll. »Ich dachte wirklich, Ihr Vater hätte Ihnen beigebracht, niemals auf die Ehrlichkeit anderer Menschen zu vertrauen. Erst recht nicht auf die von Gaunern und Verbrechern.«

Während Cyan noch mit seiner Zunge kämpfte, beugte sich Pike über ihn und begutachtete seine Verletzung. Anschließend schüttelte er tadelnd den Kopf. »Sie hätten die Waffe nicht herausziehen sollen. Haben Sie aus Zanders Dummheiten denn gar nichts gelernt?«

»Scher dich zum Eldur!«, presste Cyan heraus.

Pike schmunzelte. »Sie glauben gar nicht, wie oft ich das höre.« 

Er schälte sich aus seinem dunklen Livrée, faltete es routiniert zusammen und presste es mit beiden Händen auf die Wunde. Cyan stöhnte. Der Schmerz breitete sich in ringförmigen Wellen durch seinen ganzen Körper aus und hätte ihm beinahe erneut die Sinne geraubt. Mühsam klammerte er sich an sein Bewusstsein. Sein Blick wanderte durch den prachtvollen Garten, der ihm aus dieser Position fremd und unnatürlich vorkam. Wie ein Fiebertraum, der gekommen war, um ihn zu quälen. Die Zweige der Orangenbäume bewegten sich träge in der kühlen Meeresbrise. Das bläuliche Rund der Kalwitterin funkelte wie ein Saphir. Dazwischen verblassende Schemen in grün und rot und gelb. 

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt